Kaffeetrinken bei Frau Merkel

09.01.2007
Der Dezember stand ganz im Zeichen des IT-Gipfels. Die Ergebnisse unterscheiden sich jedoch kaum von vergleichbaren Elitetreffen früherer Bundeskanzler.

Der nationale IT-Gipfel in Potsdam sollte das IT-Jahr 2006 mit einem Paukenschlag beenden. Am 19. Dezember versammelte sich rund um Bundeskanzlerin Angela Merkel die Crème de la Crème der deutschen IT-Szene, um sich den Kopf darüber zu zerbrechen, wie man den deutschen IT-Standort im internationalen Wettbewerb besser positionieren könnte.

Martin Bayer

Der ITK-Markt befindet sich in einem rasanten Wandel. CW-Redakteur Martin Bayer berichtet Monat für Monat im Branchenmonitor über die wichtigsten Ereignisse. Seine persönliche Marktsicht fasst er in der computerwoche für Sie zusammen. Noch näher am Puls des ITK-Marktes sind nur Sie, lieber Leser. Scheuen Sie sich nicht, uns über interessante Entwicklungen zu informieren und uns "die Meinung" zu sagen.

Kontakt: Martin Bayer, Tel. 089/360 86-697 oder mbayer@computerwoche.de.

Branchenmonitor

Der monatliche Branchenmonitor der computerwoche informiert Sie über alle wichtigen Ereignisse des weltweiten ITK-Marktes. Jeden Monat erfahren Sie hier Einzelheiten zu Marktentwicklungen, Unternehmenszahlen, Bilanzen, Akquisitionen, dem Arbeitsmarkt sowie konjunkturellen Entwicklungen. Wir fassen für Sie das wichtigste Geschehen auf wenigen Seiten zusammen. So sind Sie für Ihre Geschäfte immer auf dem aktuellen Stand.

Den Branchenmonitor der computerwoche können Sie abonnieren beziehungsweise via Internet im Premium-Bereich unserer Web-Seite abrufen: www.computerwoche.de

Was von dem Treffen bleibt, sind ein Zwölf-Punkte-Plan und der fade Beigeschmack, dass sich doch nicht viel ändern wird. Die Thesen sind im Grunde altbekannt. Dass sich deutsche IT-Anbieter auf Bereiche fokussieren sollten, in denen Marktführerschaft bereits vorhanden oder zumindest möglich ist, das Internet sicherer werden muss und ausländische Spitzenkräfte ins Land gelockt werden sollen, sind Erkenntnisse, für die es keinen IT-Gipfel braucht.

Warum also die Publicity-heischende Inszenierung? Damit sich die Politik als fortschrittlich und weltoffen präsentieren kann? Ein Blick auf die lange Pannenliste von IT-Projekten der öffentlichen Hand entlarvt dieses Bemühen als sinnlos. Acht Jahre hat es gedauert, bis nach zähen Verhandlungen und zahlreichen Rückschlägen endlich mit Herkules die Modernisierung der Bundeswehr-IT beginnen kann. Gescheitert ist dagegen vorerst der digitale Polizeifunk. In Europa müssen nur die Beamten in Albanien mit einer ähnlich schlechten Technik zurechtkommen. Kein Wunder, dass Polizisten lieber zum privaten Handy greifen, um ihre Einsätze zu koordinieren.

Der Leuchtturm glimmt nur

Wo sind also die Leuchtturmprojekte, mit denen schon Merkel-Vorgänger Gerhard Schröder die deutsche IT-Szene zum Leuchten bringen wollte? Nachdem der Glanz des ehemaligen Vorzeigeprojekts Gesundheitskarte verblasst ist, hat man mit dem Suchmaschinenprojekt "Theseus" flugs ein neues aus dem Hut gezaubert, in das Millionen von Euro fließen sollen.

Doch irgendwie passt das Vorhaben nicht so recht zu den gleichzeitig formulierten Thesen. War nicht davon die Rede, dass man sich auf Bereiche konzentrieren wolle, die eine reelle Chance auf Marktführerschaft versprechen? Angesichts der Vorherrschaft von Google ist das in Sachen Suchmaschinen ein wohl hoffnungsloses Unterfangen. Das ehemalige Startup, das mittlerweile an der Börse mehr wert ist als IBM, sprüht nur so vor Ideen und bringt laufend neue Dienste.

Defizit: Ideen umsetzen

Ideen und Kreativität - das ist der Rohstoff, der dem deutschen IT-Standort auf die Sprünge helfen würden. Dabei mangelt es in Deutschland sicher nicht am Erfindergeist. Schlaue Köpfe arbeiten zu Tausenden an den zahlreichen Universitäten und Forschungsinstituten mit Hochdruck an neuen Techniken. Es hapert jedoch an der Umsetzung dieser Ideen in bare Münze.

Sicher ist die Gründermentalität hierzulande von Haus aus nicht so ausgeprägt wie beispielsweise in den USA. Dort öffnen potente Kapitalgeber für jede nur halbwegs erfolgversprechende Idee ihre Geldbörsen. Und klappt es nicht, bringt eben das nächste Investment die erhoffte Rendite. Auch der einmal gescheiterte Firmenchef muss jenseits des großen Teichs nicht fürchten, den Makel der Pleite ein ganzes Unternehmerleben mit sich herumzutragen. Viel mehr zählt, sich aufzurappeln und etwas Neues zu versuchen.

Bürokratie lähmt

An dieser Mentalität fehlt es in Deutschland. Dazu trägt neben Defiziten in der Ausbildung sicher auch die nach wie vor lähmende Bürokratie bei. Wenn allein der Antrag auf Fördergelder einen ebenso großen Kraftakt darstellt wie die gesamte Firmengründung, überlegt es sich jeder Forscher zweimal, ob er die geregelte Beamtenkarriere wirklich aufgeben soll.

Auch viele Pannen und Verzögerungen bei IT-Projekten der öffentlichen Hand dürften eher auf die Flut von Verordnungen und Paragrafen zurückzuführen sein als auf das Unvermögen der IT-Mitarbeiter. So verwundert es nicht, dass es Jahre gedauert hat, bis Herkules endlich in trockenen Tüchern landete. Schließlich war ein Vertragswerk mit 17500 Seiten unter Dach und Fach zu bringen. Zu guter Letzt musste ein Notar alle Seiten laut verlesen, um der bürokratischen Etikette Genüge zu tun.

Lobby-Erfolg: 1,2 Milliarden Euro

Die IT-Lobby lamentiert zwar oft und vehement gegen bürokratische Hürden, allerdings nur dort, wo das eigene Geschäft bedroht ist. Solange die Subventionen fließen und die Behörden Geld für gigantische Projekte bewilligen, ist für die Hersteller die IT-Welt in Ordnung. Wenigstens in dieser Hinsicht hat der IT-Gipfel die Erwartungen nicht enttäuscht. 1,2 Milliarden Euro versprach Merkel der nationalen ITK-Branche bis 2009.

Um der deutschen ITK-Szene langfristig den Rücken zu stärken, wird mehr erforderlich sein. Profitieren werden doch nur wieder diejenigen, die in der Lobby-Front am lautesten schreien. Startups wäre mehr geholfen, wenn endlich der schon seit langem angekündigte Bürokratieabbau beginnen würde. Das wäre ein Leuchtturmprojekt, das weit über die IT-Branche hinausstrahlen würde.