Käfer bleibt bei bewährter AS/400-Kost

22.03.2007
Von Hermann Gfaller
In einem zweijährigen Auswahlprozess schieden modernere Alternativen aus.

Auf den ersten Blick scheint der Systemwechsel bei Feinkost Käfer zum Gähnen langweilig: Die neue Warenwirtschafts-Software kann ebenso als Weiterentwicklung des Vorgängersystems gelten wie die neu gekaufte "iSeries"-Maschine von IBM. Doch der aufwändige Auswahlprozess zeigt, dass es um mehr als die Fortschreibung der bestehenden Verhältnisse ging.

Projeksteckbrief

Projektart: Auswahl und Einführung von Warenwirtschaft und Projekt-Management.

Zeitrahmen: Zweieinhalb Jahre beziehungsweise 150 Manntage.

Stand heute: Einführung läuft.

Aufwand: rund 500 000 Euro.

Produkte: ERP-Software "Oxaion" von der Oxaion AG, Ettlingen, auf i5-Hardware von IBM (AS/400-Plattform).

Die Käfer-IT

• IT-Budget ohne das beschriebene Projekt: eine Millionen Euro im Jahr.

• IT-Team: vier Mitarbeiter inklusive Leiter.

• Zentrale Systeme: SoftM-Suite im Finanzwesen, Paisy für die Personalabrechnung, Atos zur Zeiterfassung, neuerdings Projekt-Management mit Oxaion.

Best Practices

• Der IT-Leiter hatte seine Präferenzen, bezog aber die Fachbereiche in die Produktauswahl ein.

• Die Entscheidung orientierte sich nicht an technischen Hypes, sondern an den wirklichen Bedürfnissen.

• Das Projektteam nahm sich für die Auswahl so viel Zeit, wie es brauchte.

• Der Auswahlprozess war sauber definiert und wurde schrittweise vollzogen.

Das Münchner Feinkostunternehmen wechselt derzeit für die Warenwirtschaft von einer 15 Jahre alten Version der IBM-Software MAS90 auf Oxaion vom gleichnamigen Anbieter. IT-Leiter Günther Penninger freut sich, dass ihm nicht nur seine geliebte AS/400-Plattform erhalten bleibt, sondern er sogar eine neue "i5"-Maschine kaufen durfte. Es hätte auch anders kommen können.

Der Auswahlprozess für die Software dauerte zwei Jahre und mündete bei der Abstimmung des Projektteams in ein Sechs-zu-Sechs-Patt. Gleichauf mit Oxaion rangierte die offenere, auf preiswerter Linux-Intel-Architektur laufende Abas-Software.

Die Entscheidung traf letztlich Firmenchef Michael Käfer. Sie hat viel mit den besonderen Aufgaben des Feinkost-Unternehmens zu tun, das immerhin 95 Millionen Euro im Jahr erwirtschaftet. Neben dem Delikatessenverkauf im Münchner Stammhaus, zwei Restaurants, dem Oktoberfestbetrieb und dem Pausenservice in Münchner Theatern ist die eigentliche Spezialität des Hauses das Catering mit dem Party-Service. Jede Hochzeit und jedes Jubiläum sollen unverwechselbare Ereignisse sein. "So sehr es uns helfen würde, aber es kommt so gut wie nie vor, dass von fünf Veranstaltungen an einem Tag wenigstens zwei das gleiche Essen erhalten", stöhnt Penninger.

Teure Anpassungen

Aufwändig ist für den Käfer-Service vor allem die Angebotserstellung. "So etwas lässt sich in kein System pressen", weiß Penninger. Hilfe leistete hier 15 Jahre lang das ERP-Paket MAS90. Zu den Vorteilen der Software gehörte, dass IBM sie im Paket mit der AS/400-Hardware besonders günstig anbot.

Doch leider eignet sich die Warenwirtschaft laut Penninger eher für die Serienfertigung als für individuelle Projekte. Schon bei der Anschaffung hätte Käfer eigentlich eine ERP-Software mit einem ausgefeilten Projekt-Management-Modul gebraucht. "Aber die hätte es", so der IT-Chef, "damals auch bei anderen Anbietern nicht gegeben."

So wurden die Einsparungen beim Kaufpreis rasch durch den Aufwand aufgefressen, der nötig war, um die Software notdürftig an die Anforderungen anzupassen. Die Implementierungskosten überstiegen die Anschaffungskosten um ein Mehrfaches.

Nach einer Studie des Düsseldorfer Beratungsunternehmens Droege und Comp. bleiben 85 Prozent aller ERP-Projekte hinter ihren inhaltlichen Zielen zurück. Das war bei Käfer nicht viel anders. Als Penninger 1999 als stellvertretender IT-Leiter ins Unternehmen kam, wurde noch überwiegend mit 5250-Terminals gearbeitet. Eine durchgängige Beschaffungskette ließ sich mit dem Warenwirtschaftssystem nicht realisieren. Dienstleister waren immer schwerer zu finden, und bald stellte IBM auch die Wartung ein. Von Anfang an drängte der neue Mann daher auf die Ablösung des veralteten Systems.

Für seine Pläne fand Penninger, seit Anfang Februar 2000 Leiter zentrales Informations-Management, auch Unterstützung aus den Fachabteilungen. Die Bereichsleiter hatten sich inzwischen an die Vorteile der 2001 mit der Finanzsoftware von SoftM eingeführten Kostenrechnung gewöhnt und forderten nun die Einbindung der Warenwirtschaft.

Unflexible Struktur

Der Druck für einen Wechsel stieg aber auch, weil sich die Unternehmensstruktur in den vergangenen Jahren tief greifend geändert hatte. Bei der Einführung der IBM-Software hatte niemand an eine Änderung der Firmenstruktur gedacht. Doch 2003 bestand Käfer aus einer Holding mit sieben Töchtern, die untereinander Handel trieben; der musste betriebswirtschaftlich dokumentiert werden. Um die Daten an den Übergabeschnittstellen auf die Mandanten aufzuteilen, war eine wartungsintensive Lösung notwendig. Bei einem Softwareumstieg hingegen ließen sich flexible Unternehmenstrukturen von Anfang an einplanen.

Aber während die Finanzsoftware ohne große Diskussion binnen dreier Monate eingeführt wurde, wollte sich Firmenchef Käfer bei Warenwirtschaft und Projekt-Management Zeit lassen. "Hier kam es nicht auf die preisgünstigste Lösung an, sondern vor allem auf die Funktionalität", erläutert Penninger.

Anbieter auf Augenhöhe

"Wir wollen, dass 90 Prozent der Geschäftsvorfälle in allen Bereichen abgedeckt sind und dass jeder mit der Anwendung umgehen kann", formuliert Penninger die Ziele. Die Kostenvorgabe lag bei 500 000 Euro und lässt sich voraussichtlich auch einhalten.

Zudem sollte es ein Anbieter sein, mit dem Käfer von gleich zu gleich verhandeln konnte; SAP wurde daher erst gar nicht gefragt. Lynn Thorenz, Beraterin bei Pierre Audoin Consutants (PAC), argumentiert dagegen, dass dieselbe Augenhöhe durchaus auch über die Wahl eines SAP-Dienstleisters zu erreichen gewesen wäre.

Karsten Sontow, Vorstand des ERP-Beratungshauses Trovarit, lobt Käfer dafür, seine Anforderungen gründlich überlegt zu haben. Gerade Familienunternehmen neigen nach seiner Erfahrung zu schwer kalkulierbaren und manchmal folgenschweren Entscheidungen auf Basis von Empfehlungen oder persönlichen Beziehungen.

Penninger war sich mit der Geschäftsleitung einig, dass alle sinnvollen Ideen der relevanten Geschäftsbereiche verwirklicht werden sollten. Zur Ausarbeitung solcher Ideen bildete das zwölfköpfige Projektteam Untergruppen für CRM und Projekt-Management, Artikel und Teilestamm, Adressenstruktur sowie Lager und Einkauf.

Das Team sollte möglichst ohne Rücksicht auf die vorhandene IT-Infrastruktur Anforderungen formulieren. Insgesamt dauerte es etwa ein halbes Jahr, einen knapp 300 Seiten dicken Anforderungskatalog zu erstellen, der im Juni 2004 an 18 Anbieter verschickt wurde, darunter elf AS/400-Spezialisten sowie sieben Softwarehäuser mit Unix- und Windows-Produkten.

Unter den verbliebenen Bewerbern wurden sechs ausgewählt, die im Januar 2005 Lösungen für vier konkrete Aufgaben präsentieren sollten. Insgesamt kristallisierten sich drei Anbieter heraus: Nach Schulnoten lagen Oxaion (mit 1,93) und Abas (1,95) fast gleichauf, dicht gefolgt von SoftM (2,11).

Obwohl die SoftM-Suite eine besonders schlanke Schnittstelle zum Finanzsystem aus demselben Unternehmen bot, wurde sie von Seiten der Geschäftsleitung rasch aus dem Rennen genommen. Sie verlor Punkte in Sachen Projekt-Management.

Die beiden verbliebenen Anbieter wurden Mitte 2005 zu einer fünftägigen Einsatzuntersuchung eingeladen, in deren Rahmen sie alle Unternehmensbereiche gründlich kennen lernten und die Prozesse analysierten. Insgesamt erwiesen sich die beiden Produkte als funktionell nahezu gleichwertig. Für Abas sprach, dass es plattformunabhängig und sehr offen für Anpassungen, also das modernere System ist. Intel-Hardware und Linux-Betriebssystem hätten gegenüber einer AS/400-Lösung Kostenvorteile gebracht. Auch die Upgrade-Fähigkeit des Produkts gilt als hervorragend. Mit Oxaion teilt es sich die Stärke im Projekt-Management. Da es schlanker ist als Oxaion, wären aber vergleichsweise viele Anpassungen nötig gewesen.

Was die Qualitäten von Oxaion betrifft, hält sich Penninger etwas zurück - vermutlich, weil das Produkt sein stiller Favorit war. Mit mehreren Versionen von "Frida" und MAS90 kennt der IT-Leiter die Vorgängersysteme ebenso intim wie die AS/400-Plattform, auf der alle drei Produktgenerationen laufen. Immerhin hatte Penninger für den Fall, dass Abas das Rennen machen würde, einen Unix-Fachmann an Bord geholt.

Die letzte Entscheidung lag beim Geschäftsführer. Ihm gegenüber machte Penninger kein Hehl daraus, dass ihm die Projekt-Management-Funktion von Oxaion besser gefiele als die von Abas und er gern die AS/400 behalten würde: "Ich bin ein absoluter Verfechter dieser Hardwareplattform", bekennt er, "ich halte sie für die ideale Mittelstandsmaschine."

Die Entscheidung zugunsten von Oxaion fiel Ende 2005. Verglichen mit dem aufwändigen Entscheidungsprozess schreitet die Umsetzung rasch voran. Für Oxaion nahm Penninger eine zweite iSeries (Modell i5) in Betrieb. Im Herbst konnte der Präsente-Versand freigeschaltet werden. Die eigentlich noch für 2006 geplante Einbindung von Beschaffung, Einzel- und Großhandel sowie Restaurants folgt derzeit. Das vorläufige Schlusslicht der Einführung bildet das Projekt-Management, das im Sommer dieses Jahres lauffähig sein soll. (qua)