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Kabinett für Telefondatenspeicherung - Empörung über Schäuble

19.04.2007
Zur besseren Verfolgung von Terrordelikten und anderer Verbrechen sollen nach dem Willen der Bundesregierung künftig alle Daten über Telefon- und Internetverbindungen ein halbes Jahr gespeichert werden.

Trotz dieses Kabinettsbeschlusses gibt es innerhalb der schwarz-roten Regierung weiter große Differenzen über den Kurs zur Terrorabwehr. Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) kritisierte scharf neue Gesetzesvorschläge von Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU). Irritiert zeigte sich die Ministerin auch über Aussagen ihres Kabinettskollegen, dass die Unschuldsvermutung zur Terrorabwehr nicht gelte. FDP, Grüne und Linkspartei warfen Schäuble vor, ein Verfassungsprinzip in Frage zu stellen.

Mit seinem Beschluss setzte das Kabinett eine Richtlinie der Europäischen Union (EU) um. Zypries verteidigte den Entwurf gegen die zum Teil heftige Kritik von Medienverbänden, Anwälten und Datenschützern. Die Bundesregierung habe auf europäischer Ebene Widerstand gegen eine noch weitergehende Regelung geleistet. "Wir haben nun eine verhältnismäßige Lösung gefunden", sagte Zypries.

Nach dem Entwurf wird künftig erfasst, wer wann mit wem telefoniert hat. Bei Mobilfunkgesprächen wird zudem der Standort bei Beginn der Verbindung festgehalten. Auf diese Daten können dann die Strafverfolgungsbehörden bei Verdacht auf eine Straftat zugreifen. Beim Surfen werden Daten über den Internetzugang (die IP-Adresse des Computers), die E-Mail-Kommunikation und Internettelefonie erfasst. Der Inhalt des Gesprächs und Daten, die Aufschluss über aufgerufene Internetseiten geben, dürfen nicht gespeichert werden.

Zugleich brachte die Regierung neue Regeln für die Telefonüberwachung auf den Weg, bei der das Gespräch selbst belauscht wird. Danach ist eine Überwachung unzulässig, wenn das Gespräch den Kernbereich privater Lebensführung betrifft. Die Telefonüberwachung soll auf schwere Straftaten beschränkt werden.

Zur Bedeutung der Unschuldsvermutung im Anti-Terrorkampf sagte Schäuble dem Magazin "Stern": "Wäre es richtig zu sagen: Lieber lasse ich zehn Anschläge passieren, als dass ich jemanden, der vielleicht keinen Anschlag begehen will, daran zu hindern versuche? Nach meiner Auffassung wäre das falsch."

Schleswig-Holsteins Innenminister Ralf Stegner (SPD) bezeichnete die Schäuble-Position als "vollkommen indiskutabel". Grünen-Chefin Claudia Roth warf Schäuble vor, er operiere "weit jenseits der Verfassung, wenn er die Unschuldsvermutung bei Verdächtigten außer Kraft setzen will". Die innenpolitische Sprecherin der FPD-Fraktion Gisela Piltz kritisierte, dass Schäuble jedes rechtsstaatliche Maß verliere. Ulla Jelpke von der Linksfraktion sagte, Schäuble strebe "den totalen Sicherheitsstaat an".

Ein Sprecher Schäubles wies hingegen darauf hin, dass die Unschuldsvermutung nur bei der Strafverfolgung gelte, nicht jedoch bei der Abwehr von Gefahren - also in Bereichen, in denen die Polizei erst versuche, den Eintritt von Schäden zu verhindern.

Der Grundsatz der Unschuldsvermutung wird in Deutschland aus dem Rechtsstaatsgebot des Grundgesetzes (Artikel 20) abgeleitet. Er besagt lediglich, dass der Beschuldigte eines Strafverfahrens bis zu seiner rechtskräftigen Verurteilung als unschuldig zu behandeln ist.

Zypries vermutete, dass Schäuble missverstanden werde. Angesichts mehrerer Vorschläge Schäubles zu Gesetzesverschärfungen fügte sie hinzu, es falle ihr schwer, hier klare Konturen zu erkennen. (dpa/tc)