Junix-Juchzer

08.02.1985

Allen Junix-Jüngern sei empfohlen, sich eingehend mit der Mengenlehre zu beschäftigen. "Berechnen Sie die Schnittmengen von MS-DOS und Xenix sowie von Xenix und Unix". Mit wissender Unschuld (und Ungeduld) würde ein UNIX-Dozent, nennen wir ihn Dr. Kernel, die Antwort gar nicht erst abwarten: "Unix, erstens, ist Xenix - und umgekehrt. Xenix, zweitens, ist MS-DOS - und wize wärsa. MS-DOS, ergo, ist Unix, v. v."

Der MS-DOS-Schöpfer Microsoft und der UNIX-Erfinder AT&T (Bell) scheinen sich in diesem "Interface"-Punkt ja mittlerweile einig (CW Nr. 5 vom 1. Februar 1985, Seite 1: "UNIX-Standardisierung schreitet voran"), weshalb eine Gegendarstellung Kernels ("Nie behauptet, richtig ist vielmehr ...") presserechtlich abgeschmettert werden könnte. Der Kolumnist verlöre gleichwohl einen Freunds den er in Sachen "Unix" freilich nie hatte.

Wie aber dann unsere Unix-Kanone (Duden: Fachmann, Geschütz) entschärfen, wenigstens einen Waffenstillstand erreichen? Da bietet es sich an, das Gespräch auf die IBM zu bringen. Wir verstehen Sie doch richtig, Herr Dr. Kernel, daß sie Mother Blue für eine überzeugte Unix-Anhängerin halten, zu schüchtern halt, sich offen zur gemeinsamen Sache zu bekennen, innovativ-introvertiert - "technology driven", wie die Amerikaner sagen würden. Marketing war bekanntlich nie eine Stärke der IBM. Wie konnten wir nur so kleingläubig sein, die Unix-Treue der Mainframe-Lady anzuzweifeln?

Man schlägt (sich) an das Brett vor dem Kopf, es fällt einem wie Schuppen von den Augen: Klar, rechnen kann die IBM- keine Probleme mit der Mengenlehre. Und wenn die Schnittmenge zwischen Xenix/Unix und MS-DOS eine Nicht-Menge ist, dann wird Microsoft eben aufgekauft. AT&T würde der IBM wohl kaum munden, nachdem man sich schon an Mitel und Rolm den Magen verdorben hat.

Doch zurück zu unserer Suche nach einem roten Faden. IBM hatte auf der Unix-Benutzertagung "Uniform" in Dallas nicht viel zu sagen. Aber womöglich hat das nicht viel zu sagen. Für einen UNIX-Zauderer lag Texas wirklich enorm günstig. UNIX-Fans mögen sich jetzt vielleicht auf ihren Benutzer-Shells austoben - richtige lBMer, auch solche, die auf den Payrolls von Anwenderfirmen oder Softwarehäusern stehen, überbrücken die Wartezeit bis 1987/88 mit Nichtstun: Dann ist VM/CMS in einer IBM-eigenen Sprache neu geschrieben - keine Chance für "C".

Bis dahin könnte sich auch der Unix-V-Promoter AT&T, mit einem "blauen" Auge davongekommen, in die Schlange der Aussteiger eingereiht haben, nur noch wild darauf, mit RCA und General Electric einen Dreierskat und das Stroh der Erinnerung zu dreschen.

Beherrschen dann die Armonker allein die Betriebssystem-Szene, gar mit einem IBMisierten Unix (UBM/XAR) als VM-Gastsystem? Denkbar. Weil die Elite in den IBM-Shops alles tun wird, den derzeitigen Zustand zu konservieren - selbst auf die Gefahr hin, keine Alternativen zu haben.

Möglich, wie gesagt- und doch wenig wahrscheinlich. Denn letztlich entscheiden weder AT&T-Lizenznehmer noch lBM - Nachtwächter über die Entwicklung in der Datenverarbeitung, sondern die Anwender. Über die Endbenutzer muß man nicht reden. Aber die Mache im Top-Management können nicht umhin, sich künftig in DV-Dinge einzumischen, die für die Unternehmen lebenswichtig sind. Mit anderen Worten: Der Markt wird's schon richten. Möglicherweise im Sinne der UNIX-Propheten.