CW-Gespräch mit Christian Wedell, Ex-Geschäftsführer von Microsoft Deutschland und Vorstandsvorsitzender des Munich Network

"Junge Firmen können sich nicht schlafen legen"

19.07.2002
Nach den Pleiten am Neuen Markt und dem Platzen der Dotcom-Blase bemühen sich zahlreiche Gründerinitiativen, die Zukunftschancen junger IT-Unternehmen zu verbessern. Mit Christian Wedell, Ex-Geschäftsführer von Microsoft Deutschland und einem der bedeutendsten "Business Angel" in der deutschen Gründerszene, sprach CW-Redakteur Manfred Bremmer.

CW: Woher nehmen Sie nach dem Niedergang der New Economy noch die Motivation, sich für Gründerinitiativen wie das Munich Network zu engagieren?

WEDELL: Dazu muss man erst einmal erklären, warum die New Economy gescheitert ist: Es ging primär nicht um gute Geschäftsideen, sondern um das schnelle Geld. Was mich ursprünglich interessiert hat und heute noch interessiert ist jedoch die Frage, wie man erfolgreiche globale Technologieunternehmen aufbaut. Das Thema hat sich nicht erledigt, nur weil der Finanzmarkt weggebrochen ist.

Im Gegenteil. Jetzt müssen sich die jungen Unternehmen darauf konzentrieren, ihre Produkte zu verkaufen und Umsatz und Gewinn zu produzieren. Wenn Europa aufholen will, muss mansich bewusst sein, dass uns hier 40 Jahre Erfahrungsaufbau vom Silicon Valley trennen. Die Entwicklungsgeschwindigkeit in den USA ist heute wahrscheinlich sogar noch schneller als früher, die Lücke wird eher größer als kleiner.

CW: Schicken Sie die Startups mit Ihrem Credo der Globalisierung nicht in eine Schlacht, die auch schon etablierte IT-Unternehmen, etwa am Neuen Markt, verloren haben?

WEDELL: Es gibt mindestens genauso viele US-Unternehmen, die mit ihren Geschäftsmodellen baden gingen. Das ist nicht das Problem. Vielmehr, dass wir vieles tun müssen, um diese Pleiten zu verhindern. Dazu gehört eine europäische Technologiebörse und eine straffe Börsenaufsicht. Der Neue Markt wird dem nicht gerecht. Er symbolisiert selbst die verlorene Schlacht um das schnelle Geld.

CW: Welche Fehler wurden denn in der Vergangenheit gemacht?

WEDELL: Es gab auf jeden Fall Probleme beim Wachstums-Management, dass sich etwa die Gründer zu sehr daran klammerten, in Führungspositionen zu bleiben. Ein weiterer kritischer Punkt ist die immer schneller werdende Technologieentwicklung. Hier kommt es zu Schwierigkeiten, wenn es nicht gelingt, sich nach außen als innovativ und technisch führend darzustellen.

Entscheidend ist aber, dass eine ganze Reihe hervorragender Entrepreneure existiert, die mit den Problemen fertig werden. Unternehmer, denen es gelingt, Leute an Bord zu holen, die das Change-Management beherrschen.

CW: Welchen Beitrag können Initiativen wie das Munich Network dabei leisten, den Gründern auf die Sprünge zu helfen?

WEDELL: Dreh- und Angelpunkt ist der Businessplan-Wettbewerb. es gibt weltweit keinen anderen regionalen Wettbewerb, der derartige Erfolge vorweisen kann. Die meisten Firmen, die dieses Prozedere durchschritten haben, laufen und sind gut finanziert. Wobei der Erfolg nicht dem Munich Network zuzuschreiben ist. Mit unseren Programmen helfen wir lediglich den Gründern, ihre Erfolgschancen zu verbessern.

Dann kommt unsere Business-Angel-Aktivität. Wir haben im ersten Halbjahr 2002 rund 200 Firmen betreut, das sind doppelt so viele wie 2001. Die Qualität ist auch deutlich besser als in früheren Jahren, da steckt viel mehr Technologie drin und keine nicht funktionierenden Geschäftsmodelle. Das Potenzial in Regionen wie München und anderswo ist vorhanden, und wir haben noch nicht einmal damit begonnen, die umliegenden Universitäten anzusprechen.

Mit der Entrepreneurship-Akademie versuchen wir darüber hinaus, den Gründern Praxiswissen aus dem Management-Bereich, was etwa Marketing oder Forschung und Entwicklung betrifft, zu vermitteln.

CW: Gibt es für Startups überhaupt noch Finanzierungschancen nach dem Crash an den Börsen?

WEDELL: Ich beurteile das Ganze nicht so negativ, wie es sich auf den ersten Blick darstellt. Nach dem Platzen der Dotcom-Blase sitzen die VCs auf insgesamt über 100 Milliarden Dollar, während das Investmentniveau wieder auf den Stand von 1997 gesunken ist; das ist nicht schlecht für die Startups. Ebenso, dass die Risikokapitalgeber jetzt wieder mit einer normalen Erwartungshaltung investieren. Dass es heute keinen Markt gibt, in dem die Beteiligten einen schnellen Börsengang anstreben, spielt dabei kurzfristig keine Rolle. Ganz im Gegenteil, es ist gut, dass Unternehmen, die erst drei bis vier Millionen Euro Jahresumsatz erzielen, heute noch nicht über den Initial Public Offering (IPO) nachdenken müssen. Ihre Hauptaufgabe besteht nun wieder primär darin, ein normales Wachstum auf die Beine zu stellen.

CW: Aber droht derzeit die Pleite zahlreicher VC-Gesellschaften. Für die Startups wiederum bedeutet dies eine deutliche Erschwernis bei der Kapitalbeschaffung.

WEDELL: Natürlich ist es unter diesen Bedingungen schwierig für Startups, Geld zu bekommen, aber nicht unmöglich. Die Erwartungen und Aussichten haben sich geändert, und die VCs schauen sehr viel genauer hin. Man kann aber einfach nicht behaupten, dass kein Wagniskapital mehr zur Verfügung steht. Wenn Companies sich eine Finanzierung sicherten, dann, weil sie zeigen konnten, dass sie sich zum richtigen Markt hin entwickeln.

Zur Person

Christian Wedell hat über 22 Jahre Erfahrung in der IT-Industrie gesammelt. Der Diplominformatiker stieg 1983 bei Microsoft als Sales-Manager ein und rief die deutsche Niederlassung der Gates-Company mit ins Leben. Von 1987 bis 1996 amtierte er bei der Microsoft GmbH als Geschäftsführer und erschloss für die Redmonder die Märkte in Österreich, der Schweiz und dem osteuropäischen Raum. Nach seinem Ausstieg bei Microsoft unterstützt er als Vorstandsvorsitzender der privaten VC-Gesellschaft Copan GmbH die Expansionspläne US-amerikanischer Companies nach Europa. Wedell trat 1996 dem Vorstand des Förderkreis Neuer Technologien (FNT) bei und ist seit 2001 Vorstandsvorsitzender des daraus entstandenen Munich Network sowie des Munich Business Angel Network.