Deutsche Bank Bauspar AG realisiert Web-Services mit Mainframe-Applikationen

Jungbrunnen für die Cobol-Altlasten

14.12.2001
FRANKFURT/M (fn) - Seine bestehenden Mainframe-Anwendungen will kaum ein Unternehmenablösen. Die Deutsche Bank Bauspar AG fand einen Weg, ihre betagte Cobol-Software in ein WebServices-Konzept einzubetten.

Wie bei vielen großen Firmen laufen auch bei der Deutschen Bank Bauspar AG aus Frankfurt die operativen Prozesse auf IBM-Mainframes. Die Anwendungen basieren auf der Programmiersprache Cobol und verrichten seit Jahrzehnten ihren Dienst. Neue Anforderungen an die IT in puncto Kundenorientierung verlangen jedoch flexiblere Systemumgebungen. Endkunden sollen künftig in der Lage sein, Informationen über ihre Bausparverträge via Web abzurufen. Zudem möchte das Unternehmen die zahlreichen Vertriebspartner beziehungsweise Filialen mit Internet-Oberflächen ausstatten, um die Wartungskosten für Desktop-basierte Software zu reduzieren.

All dies mündete in einen umfassenden Portalansatz, in den der S/390-Host eingebunden ist. Ein Kernziel dabei war es, die bestehenden Host-Programme so zu integrieren, dass sie in einer Java-basierten Infrastruktur weiterverwendet werden können. Allerdings wollte Jürgen Krusch, Leiter Organisation und verantwortlich für das Portalvorhaben, eine redundante Datenhaltung vermeiden, wie sie bei so mancher E-Business-Architektur mit Mainframe-Integration vorzufinden ist.

Die Einbindung der Cobol-Software sollte mittels der Auszeichnungssprache Extensible Markup Language (XML) erfolgen, so dass die operativen Programme und damit die Geschäftslogik über Internet-Standards angesprochen werden können, ohne Informationen aus dem Host in eine externe Datenbank schaufeln zu müssen. Hierzu schaffte die Deutsche Bank Bauspar AG das Produkt "XML4cobol" an, eine Host-basierte Software der Firma Maas High Tech Software GmbH aus Filderstadt-Bonlanden. Mit Hilfe dieses Programms kapselte das Entwicklungsteam, dem Jochen Reckziegel als technisch Verantwortlicher vorsteht, die Host-Programme und stellte sie über XML einem J2EE-Applikations-Server (J2EE = Java 2 Enterprise Edition) zur Verfügung. Der Zugriff aus der Java-Welt erfolgt über eine Programmier-Schnittstelle auf Basis von Remote Procedure Calls (RPC). Über dieses Interface greifen Enterprise Javabeans (EJBs) auf die in XML-Strukturen repräsentierten Cobol-Module zu. Die EJBs laufen dabei auf einem Applikations-Server des Typs "Weblogic" von Bea.

Dieses Vorgehen sagte Reckziegel mehr zu als eine Einbindung des Hosts über Cics-Gateways, wie sie der Applikations-Server-Hersteller anbietet. Cics steht für Customer Information Control System und ist eine von IBM entwickelte Softwaretechnik zur Verarbeitung von Transaktionen auf Mainframes. Der Grund für Rechziegels Entschluss: Über das Gateway werden Binärdaten übermittelt, doch die Deutsche Bank Bauspar AG favorisierte XML als Grundlage für den Datenaustausch - schon aus Gründen der Lesbarkeit und Offenheit.

XML und Cobol lassen sich jedoch nicht ohne weiteres verheiraten. Zunächst mussten Reckziegel und sein Team ein Datenmodell entwerfen, das Funktionsbausteine der Mainframe-Anwendung über XML-Strukturen repräsentiert. Auf diese Weise entstand eine logische Schicht über die Daten und Funktionen des Hosts. Das Datenmodell ist in XML-Document Type Definitions (DTDs) festgelegt. Datentypen, die erst mit XML-Schemata möglich sind, wurden über XML-Attribute dargestellt. Alle via XML beschriebenen Host-Objekte sind in einem Name-Service vermerkt, um sie bei der Softwareentwicklung referenzieren zu können.

Doch gerade bei der Transaktionsverarbeitung erweist sich die Auszeichnungssprache als wenig vorteilhaft, weil bei jedem Zugriff auf den Host das XML-Dokument durch einen Parser laufen muss. Diesen Nachteil umging die Deutsche Bank Bauspar AG, indem sie die XML-Dokumente in einer Baumstruktur auf dem Host nach dem erstmaligen Parsen speicherte. Auf diese Weise vermied Reckziegel den Flaschenhals Parser und schuf so eine performante Kommunikations-Schnittstelle zwischen Applikations-Server und Host.

Zugriff auf XML-Bäume über ein APIXML4cobol verfügte anfangs lediglich über einen statischen Mechanismus, um Copy-Strecken aus Cobol in XML zu überführen. Zur Realisierung der geforderten Funktionen musste Maas seine Software ausbauen. In der erweiterten Lösung kann nun aus Cobol über eine einfache Programmier-Schnittstelle auf XML-Bäume zugegriffen werden, was bei der Anwendungsentwicklung wesentlich mehr Möglichkeiten bietet und zudem einen dynamischen Datenaustausch zwischen Java- und Host-Welt erlaubt.

Besonders stolz ist Reckziegel auf das zentrale Logging und die Ausnahmebehandlung. Sie erleichtert die Fehlersuche, da die Error-Logs des Hosts, des Applikations- und des Web-Servers dort zusammenfließen. Somit stoßen die Systemverwalter schneller auf die Ursache für eine gescheiterte Datenübertragung.

Eine Transaktion initiiert der Applikations-Server über einen Aufruf per Java Message Service (JMS), dem Host-seitig eine Cics-Transaktion zugeordnet wird. JMS ist ein Verfahren zum Austauschen von Geschäftsdaten zwischen Anwendungen auf Basis von Nachrichten. Bei der Kommunikation zwischen der S/390 und dem Weblogic-Server vermittelt das Messaging-System "MQ Series" von IBM.

Mit der XML-Cobol-Integration ist eine Kernkomponente von Web-Services implementiert, erläutert Krusch. Dadurch sei das Unternehmen gut gerüstet, seine Technologie künftig, etwa für Geschäftspartner, auch als Web-Service anzubieten. Web-Services bedienen sich Standards wie des Simple Object Access Protocol (Soap), der Web Services Definition Language (WSDL) zum Beschreiben von Web-Diensten sowie des Verzeichnisses Universal Description, Discovery and Integration (UDDI). Die Rolle von Soap übernimmt in der IT-Infrastruktur die Deutsche Bank Bauspar AG, das XML-RPC, die Schnittstellen-Beschreibung, entstand mit Hilfe von Rational Rose. Diese Beschreibungen ließen sich bei Bedarf in WSDL überführen. Ebenso wäre Reckziegel in der Lage, den Name-Service für XML-Objekte an UDDI anzupassen.

Die Deutsche Bank Bauspar AG hat bereits technische Prototypen realisiert sowie Last- und Performance-Tests vorgenommen, die die Tragfähigkeit der Architektur beweisen. Ein lauffähiges Release ist für das kommende Jahr geplant.

Die Server-EntscheidungObwohl die IBM mit "Websphere" einen eigenen Applikations-Server anbietet, entschied sich der Big-Blue-Kunde Deutsche Bank Bauspar AG für das Konkurrenzprodukt von Bea. "Websphere bietet eine umfängliche Entwicklungsumgebung, aber Weblogic erwies sich für unsere Zwecke als leichter bedienbar", begründet IT-Chef Jürgen Krusch diesen Schritt.

Viele Anwender liebäugeln damit, den Applikations-Server ebenfalls auf dem Mainframe zu installieren - Websphere bietet diese Option bereits an. Projektleiter Jochen Reckziegel hält dieses Vorgehen zwar für konsequent, allerdings rät er wegen der geringen Produktreife noch davon ab: "Der Applikations-Server auf dem Host ist ein unnötiges Risiko." Bei der Deutsche Bank Bauspar AG soll die Weblogic-Software daher auf einem Sun-Rechner unter Solaris laufen.