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Länderchefs setzen auf das Internet

Jugendkanal von ARD und ZDF kommt "light"

17.10.2014
Junge Leute zwischen 14 und 29 bekommen einen Jugendkanal von ARD und ZDF. Aber nicht im TV, sondern im Netz. So hatten das die beiden Öffentlich-Rechtlichen nicht geplant. Der federführende SWR warnt vor Problemen.

Es wird nichts aus dem ehrgeizigen Plan eines öffentlich-rechtlichen Jugendkanals, der sich in Fernsehen, Radio und Internet zugleich tummelt. Die Regierungschefs der Länder haben ARD und ZDF dazwischengefunkt. "Wir machen es jetzt einfach mal ganz anders", sagt die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD), als sie die einstimmige Entscheidung der Länderchefs am Freitag in Potsdam verkündet. Es ist eine Überraschung.

Bis zuletzt war unklar, ob sich alle 16 Regierungschefs überhaupt zu einer Entscheidung durchringen können. Im März hatten die unionsgeführten Länder Bayern, Hessen und Sachsen noch Widerstand geleistet. Wegen der Kosten. Nun versprechen die Länderchefs, dass es im Sinne der Beitragszahler keine zusätzliche Ausgaben geben soll.

Die Ministerpräsidenten wollten sich nicht mehr anhören, sie seien antiquiert, wenn es um ein neues Medienangebot für 14- bis 29-Jährige geht. Sie sahen das Fernsehen für ein Jugendangebot ohnehin als Übergangslösung, heißt es in Fachkreisen. "Wichtig für uns war, dass wir von den Nutzungsgewohnheiten der jungen Menschen ausgehen", macht Dreyer deutlich, die die Medienpolitik der Länder koordiniert. Geplant sind Live-Übertragungen, interaktive Foren, eigene Angebote und eine Vernetzung mit ARD-Radiowellen für Jüngere. In den Plänen sieht Dreyer eine Chance für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk.

Die Entscheidung in Potsdam kommt bei den Öffentlich-Rechtlichen unterschiedlich an. ZDF-Intendant Thomas Bellut begrüßt sie, fordert allerdings weniger Beschränkungen im Netz im Vergleich zu den Angeboten in der Mediathek. Die ARD ist zurückhaltender.

ARD-Chef Lutz Marmor spricht von einer guten Nachricht für das junge Publikum, sieht den Start aber erschwert. Der Intendant des federführenden Südwestfundfunks (SWR), Peter Boudgoust, findet noch deutlichere Worte: "ARD und ZDF hatten auf die konsequente Verschmelzung von Hörfunk, Online und Fernsehen gesetzt." Das sei innovativ und durchdacht. Er warnt nun vor Problemen etwa mit Urheberrechten.

Kritiker sprechen von einer Schmalspurlösung. "De facto ist es eine Absage an die Pläne, die die ARD aus vollem Herzen und das ZDF halbherzig verfolgten: Erneut zu expandieren und einen speziellen, am liebsten trimedialen Jugendkanal ins Leben zu rufen", urteilt etwa Bernd Gäbler, Professor für Journalistik in Bielefeld. "Nun dürfen sie etwas im Internet machen - woran sie auch bisher nicht gehindert waren", sagt der ehemalige Leiter des Grimme-Instituts im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa.

Die Intendanten Bellut und Marmor waren in Potsdam bei den Ministerpräsidenten - Chefsache. Nun müssen sie ihr Konzept umbauen. Vieles ist offen, auch der Starttermin. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) rechnet 2016 mit ersten Projekten. Bellut bekräftigt, dass das ZDF das neue Angebot angesichts der Sparzwänge nur mit zusätzlichem Personal stemmen kann.

Bisher war von 45 Millionen Euro Kosten pro Jahr die Rede, die ARD sollte davon zwei Drittel tragen, das ZDF ein Drittel. Das galt als ambitioniert. Die 45 Millionen bleiben als Zielgröße, nun gibt es aber mehr Spielraum ohne TV-Angebot.

Die Idee mit dem "Webchannel" für die Jugend kam nicht etwa aus heiterem Himmel. Etwas Ähnliches ist in Großbritannien geplant: BBC 3. Der Jugendkanal, der sich an 16- bis 34-Jährige richtet und als Zukunftslabor gilt, soll ins Internet gestellt werden. Der ZDF-Intendant erwähnte dieses Programm schon im März.

Was wird nun aus den Digitalkanälen von ARD und ZDF? Nach den bisherigen Plänen sollten von sechs Kanälen drei wegfallen - ZDFkultur, EinsPlus und EinsFestival von der ARD -, der Jugendkanal sollte hinzukommen. Nun bleibt neben ZDFneo, ZDFinfo und Tagesschau24 auch EinsFestival bestehen. EinsPlus hätte als Verzahnung gut zu dem Jugendangebot im Internet gepasst. Nun kommt auf Wunsch der Länder etwas ganz Neues - und birgt Chance und Risiko zugleich. Medienforscher Gäbler rät den Verantwortlichen in ARD und ZDF zu mehr Mut und Experimenten, auch in ihren Vollprogrammen: "Damit diese nicht zu Spartensendern für Senioren verkommen." (dpa/tc)