IT-Arbeitsmarkt

Jobsuche auf dem verdeckten Stellenmarkt

27.10.2012
Von 
Alexandra Mesmer war bis Juli 2021 Redakteurin der Computerwoche, danach wechselte sie zu dem IT-Dienstleister MaibornWolff, wo sie derzeit als Head of Communications arbeitet.
Wer nicht ins Schema F passt, hat es auf dem IT-Arbeitsmarkt immer noch schwer. Chancen gibt es aber auf dem verdeckten Stellenmarkt, wie zwei IT-Profis nach jahrelanger Jobsuche feststellen konnten.
Ein Großteil der IT-Stellen ist nicht sichtbar und wird von Arbeitgebern nicht ausgeschrieben.
Ein Großteil der IT-Stellen ist nicht sichtbar und wird von Arbeitgebern nicht ausgeschrieben.
Foto: Achim Baque/Fotolia.com

Klaus Müller musste sich noch nie in seinem Leben bewerben. Alles lief reibungslos, Abitur, Physikstudium, Promotion, eine unbefristete Stelle als Wissenschaftler an der Universität, Beamter auf Lebenszeit, mit 35 Jahren Akademischer Rat, die nächste Stufe auf der Karriereleiter wäre die Professur gewesen. Dennoch will Müller seinen richtigen Namen nicht in der Zeitung lesen. Als sein Institut eine neue Leitung und damit eine neue Ausrichtung erhält, sieht er sich nach Alternativen um. Eine zermürbende Jobsuche über dreieinhalb Jahre beginnt. Nur Absagen, selbst eine Einladung zum Vorstellungsgespräch erscheint unerreichbar. Manche Personaler signalisierten ihm, er gehöre zu den Verlierern auf dem Arbeitsmarkt: nach über zehn Jahren im öffentlichen Dienst nicht mehr vermittelbar, keine Projekt- und Industrieerfahrung.

Mit 52 Jahren zu alt und zu teuer?

Projekterfahrung hat Walter Scholz im Überfluss. Auch er heißt in Wirklichkeit anders. Bis vor zwei Jahren verdiente er noch bis zu 150.000 Euro im Jahr, zeitweise berichteten 46 Projektleiter an ihn. Für den gelernten DV-Techniker und Systemspezialisten war in seinem Berufsleben keine Aufgabe zu groß: Projekt-Engineer, Projektleiter, Bereichsleiter, er hat ganze Abteilungen, auch im Ausland, umgebaut und wieder auf Spur gebracht. Doch dann ging es seinem Arbeitgeber schlecht, Massenentlassungen folgten, ganze Abteilungen und Bereiche des Unternehmens wurden versteigert. Walter Scholz landete wie die meisten seiner Kollegen in der Auffanggesellschaft, ein Jahr und 150 Bewerbungen später ist auch Scholz desillusioniert. Mit 52 Jahren zu alt und zu teuer? Er hätte auch einen Job für 80.000 Euro genommen.

So bewirbt man sich auf dem verdeckten Stellenmarkt

• Initiativbewerbung aus Anschreiben und Lebenslauf.

• Entscheider und nicht Personalabteilung als Adressat.

• Komplette Bewerbungsunterlagen nur auf Aufforderung verschicken (= Umkehrung des Bewerbungsprozesses).

• Aktion statt Reaktion (wie bei ausgeschriebenen Stellen) hebt den Bewerber positiv aus der Masse hervor. Die Einstellungschancen nach dem Vorstellungsgespräch sind hoch, weil es in der Regel keine Mitbewerber gibt.

Klaus Müller und Walter Scholz sind zwei IT-Profis, die nicht in das Schema F vieler Personalabteilungen passen. Deren Wunschkandidaten sind junge Informatiker, die am besten schon in dem Bereich Berufserfahrung gesammelt haben, für den sie suchen. "In Deutschland träumen Personaler vom idealtypischen Lebenslauf", sagt Wolfgang Wagner, der mit seiner Firma Bewerber Consult Menschen wie Ingo Müller und Walter Scholz in Sachen Jobsuche hilft. "Am besten sollte der Idealkandidat schon im Kindergarten wissen, dass er später mal als Softwareingenieur bei SAP arbeiten will, und darauf seinen Lebenslauf ausrichten." Nach Wagners Erfahrung können aber 70 Prozent aller Bewerber diesen roten Faden im Lebenslauf nicht vorweisen und haben wenig Chancen, wenn sie sich auf ausgeschriebene Stellen bewerben.

Wolfgang Wagner, Bewerber Consult: "Wir gehen davon aus, dass 70 Prozent der zu besetzenden Stellen im qualifizierten Bereich gar nicht ausgeschrieben werden."
Wolfgang Wagner, Bewerber Consult: "Wir gehen davon aus, dass 70 Prozent der zu besetzenden Stellen im qualifizierten Bereich gar nicht ausgeschrieben werden."
Foto: Bewerber Consult

Für Bewerbercoach Wagner aber kein Grund, den Kopf in den Sand zu stecken. Denn mehr Möglichkeiten biete der so genannte verdeckte Stellenmarkt. "Wir gehen davon aus, dass 70 Prozent der zu besetzenden Stellen im qualifizierten Bereich gar nicht ausgeschrieben werden", sagt Wagner. Es gilt, Bewerber und verdeckte Stellen zusammenzubringen. Und das funktioniert auch im Online-Zeitalter am besten noch auf traditionelle Weise: mit einem Brief. In Anschreiben und Lebenslauf wird das Profil des Bewerbers präsentiert, der Adressat ist nicht die Personalabteilung, sondern immer der Entscheider, etwa der CIO oder Geschäftsführer.

Was kann der Bewerber tun?

• Sich klar werden über seine konkreten Ziele: Wo will ich hin ? Was habe ich zu bieten?

• Wie sieht mein persönliches Netzwerk aus? Mit wem kann ich mich austauschen, um mein Profil zu schärfen? Außenblick erweitert das persönliche Profil.

• Welche Arbeitgeber aus welchen Branchen könnten Zielgruppen für mein Profil sein?

• Welche Stärken kann ich einbringen? Welche Erfolge sprechen für mich?

• Was soll der künftige Job bieten (fachlich, Arbeitsumfeld, Kompetenzen, Rahmenbedingungen)?

Als Klaus Müller zusammen mit Coach Wagner etwa 40 Unternehmen aus Forschung und Entwicklung auf diese Weise anschrieb, bekam er 25 Antworten und zehn Vorstellungsgespräche beziehungsweise Telefoninterviews. Auch Walter Scholz erzielte auf diese Weise ein ungeahntes Feedback: Erhielt er vorher eine Antwort auf 20 Online-Bewerbungen, bekam er nun in 90 Prozent der Fälle eine Rückmeldung. "Viele Bewerber klagen, dass Unternehmen trotz Online-Bewerbung oder Online-Fragebögen erst nach vier oder fünf Monaten reagieren", sagt Wagner.

Müller und Scholz haben an ihren Bewerbungen gearbeitet, ihr Profil geschärft, durch die Vorstellungsgespräche an ihrer Selbstpräsentation gefeilt, so dass jeder von ihnen nach einer langen Suche ans Ziel gekommen ist. Physiker Müller wird künftig als Berater in einer IT-Consulting-Firma arbeiten. Auch Scholz hat nach elf Monaten Arbeitslosigkeit seinen Weg zurück ins Business gefunden: Er, der schon als Manager oft die Ärmel hochkrempelte, hat sich als Berater selbständig gemacht. Nachdem er mit Coach Wagner einen Business-Plan entworfen und vom Steuerberater hat prüfen lassen, fing er an, die ersten eigenen Kunden zu akquirieren. Fündig wurde er bei ehemaligen Kollegen, früheren Kunden und Geschäftspartnern. Sein Tagessatz beträgt zwischen 500 und 800 Euro, je nach Tätigkeit. "Im Engineering-Umfeld verdient man weniger als in der Beratung", zieht Scholz eine erste Bilanz.