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Jetzt offiziell: Telekom kauft Voicestream

24.07.2000
US-Expansion kostet mehr als 100 Milliarden Mark

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Die vor zehn Tagen erstmals aufgetauchten Gerüchte (CW Infonet berichtete) haben sich bestätigt: Die Telekom setzt ihre US-Expansionspläne nach fast zwei Jahren endlich in die Tat um und übernimmt Voicestream Wireless. Damit entsteht ein transatlantischer GSM-Anbieter mit knapp 20 Millionen direkten Kunden (inklusive Lizenzen und Partnerschaften angeblich 375 Millionen) - falls die Aufsichtsbehörden zustimmen und politische Hürden aus dem Weg geräumt werden können.

Die Vorstandsetagen beider Unternehmen haben eine bindende Fusionsvereinbarung verabschiedet. Verschiedene Großaktionäre von Voicestream, darunter Hutchinson Whampoa (Hong Kong) und Sonera (Finnland), die zusammen mehr als 50 Prozent der Anteile halten, haben ihr Placet bereits gegeben. Das Volumen des Deals beläuft sich auf rund 50,7 Milliarden Dollar und bewertet nach Angaben der Unternehmen jeden potenziellen Voicestream-Kunden mit rund 265 Dollar. Damit komme die Telekom noch günstig davon - bei den Übernahmen von Mannesmann durch Vodafone beziehungsweise Orange durch France Telecom habe der POP-Preis 934 respektive 675 Dollar betragen, heißt es in der offiziellen Pressemitteilung von Voicestream. Die "Financial Times Deutschland" hat allerdings auf Basis der real existierenden 2,3 Millionen Voicestream-Kunden einen Preis von rund 16 000 Dollar pro Nase errechnet, der schon weit weniger günstig anmutet.

Die Transaktion erfolgt im Wesentlichen im Rahmen eines Aktientauschs. Der Bonner Carrier bietet den Voicestream-Aktionären 3,2 Telekom-Aktien plus 30 Dollar in bar für jeden Voicestream-Anteilschein (von denen 259 Millionen in Umlauf sind). Wahlweise sollen auch ein All-Cash-Deal (200 Dollar) oder ein reiner Aktientausch gegen 3,7647 Telekom-Anteile möglich sein. Die Telekom gibt dazu 828 Millionen neue Aktien aus; die dafür notwendige Kapitalerhöhung hatte sie sich auf der Hauptversammlung am 25. Mai dieses Jahres genehmigen lassen. Außerdem macht sie 7,8 Milliarden Dollar in bar locker. Nach Abschluss der Transaktion besitzt Voicestream rund 22 Prozent der Telekom-Anteile; gleichzeitig reduziert sich die Beteilung des deutschen Staates von gegenwärtig 57 auf rund 45 Prozent.

Darüber hinaus übernimmt das Unternehmen Voicestream-Schulden in Höhe von fünf Milliarden Dollar. Des weiteren investiert die Telekom bereits vor der endgültigen Übernahme fünf Milliarden Dollar in bar in Voicestream, die das US-Unternehmen für den Ausbau von Netz und Dienstleistungen verwenden will. Im Gegenzug erhält die Telekom Voicestream-Vorzugsaktien, die sich zum Preis von 160 Dollar pro Papier in normale Anteile wandeln lassen.

Voicestream wird nach dem Willen der Fusionspartner in den Geschäftsbereich T-Mobil eingegliedert. Das Top-Management der Amerikaner, allen voran Voicestreams Chief Executive Officer (CEO) John Stanton, soll die Verantwortung für das entsprechende US-Geschäft übernehmen.

Allerdings bedarf das Geschäft noch der Zustimmung der Aufsichtsbehörden. Diese vorausgesetzt, soll der Deal im Lauf des ersten Halbjahres 2001 abgeschlossen werden.

Juristische Hürden

Grundsätzlich verbietet ein US-Gesetz den Verkauf einheimischer TK-Anbieter an ausländische Konkurrenten, die sich zu mehr als einem Viertel in Staatsbesitz befinden. Die zuständige Fernmeldeaufsicht FCC (Federal Communications Commission) darf allerdings Ausnahmen machen, wenn diese "im Interesse der Allgemeinheit" sind. William Kennard, Chef der Behörde, hatte in der vergangenen Woche bereits angedroht, die FCC werde einen möglichen Deal zwischen Telekom und Voicestream gründlich unter die Lupe nehmen.

Noch größeres Unbill droht durch einen Gesetzesentwurf, der den ehemaligen europäischen Staatsmonopolisten grundsätzlich den Weg in den US-Markt verbauen soll. Die EU hat allerdings schon mit drakonischen Maßnahmen gedroht, sollte die US-Regierung das Gesetz festschreiben. Die "Financial Times" berichtet in diesem Zusammenhang, der Leiter der Washingtoner EU-Handelsdelegation Bert von Barlingen werde seiner US-Kollegin Marlene Barshefsky Anfang dieser Woche ein Schreiben überbringen, in dem die Europäische Union mit dem Rückzug aus Vereinbarungen mit der Welthandelsorganisation WTO drohe.

Am Rande: Wiedereinstieg in Italien möglich

And now for something completely different: Nachdem die Telekom aus dem italienische Mobilfunkkonsortium Wind ausgestiegen ist (CW Infonet berichtete), steigen die Bonner möglicherweise erneut in den Markt ein. Die Wirtschaftsagentur Bloomberg berichtet unter Berufung auf Analysten über eine mögliche Kooperation mit dem sardischen Anbieter Tiscali. Deren Chef Franco Bernabe hatte bereits als Chef von Telecom Italia versucht, eine Fusion mit dem Bonner Carrier einzufädeln, die dann allerdings gescheitert war. Tiscali wäre vor allem deswegen als Partner interessant, weil die Company zu knapp 60 Prozent an der Gesellschaft Andala beteiligt ist, die im kommenden Oktober um eine der italienischen UMTS-Lizenzen mitbieten will.