Yammer-Gründer Adam Pisoni

"Jedes Unternehmen wird künftig wie ein Netzwerk arbeiten"

17.02.2014
Von 
Thomas Cloer war Redakteur der Computerwoche.

Sharepoint, Kommunikation, Herrschaftswissen

Haben die Sharepoint-Kollegen Sie nicht gehasst? Die hatten gerade Sharepoint in Version 2013 auf Social getrimmt, und dann kauft Microsoft Yammer? Das muss doch hart gewesen sein?

Pisoni: Das war es vermutlich. Aber ich erzähle Ihnen mal, was dann wirklich passiert ist: Es gab in Redmond dieses Team, das hieß Sharepoint Social und sollte aufgelöst werden, nachdem Microsoft Yammer gekauft hatte. Sie mochten aber, was sie taten, und beschlossen stattdessen, sich uns anzuschließen. Sie benannten sich um in "Yammer North" und sind jetzt Teil meiner erweiterten Truppe. Sie berichten zwar nicht an mich, aber arbeiten eigentlich genauso wie wir.

Wir haben ein ziemlich einzigartiges Entwicklungsmodell, das wir scherzhaft "Beyond Scrum" nennen. Das haben sie übernommen und arbeiten mit uns an den gleichen Produkten - in vielen Fällen natürlich an Sharepoint, aber auch an unserer Codebase, und helfen uns, die beiden zusammenzubringen.

Kommunikation wird für Unternehmen immer zentraler. Es sind Werkzeuge wie Yammer, die man in der Arbeit zuerst aufruft. Wo geht es zukünftig hin, was wird der Use Case für Yammer sagen wir 2020?

Pisoni: Ich glaube tatsächlich, dass jedes Unternehmen in der Zukunft als ein Netzwerk arbeiten, sozialer kommunizieren wird. Kommunikation im Stile von Yammer wird Standard werden. Das bedeutet aber nicht das Ende für E-Mail oder Outlook. Die werden sich weiterentwickeln, genauso wie sich auch Yammer schon sehr weiterentwickelt hat. Wir arbeiten gerade daran, Yammer und Outlook enger zu verzahnen, um auch die Mitarbeiter mit in Richtung Social zu nehmen, die noch stark in ihrer Inbox verhaftet sind.

Enterprise Social hat sich aus Consumer Social heraus entwickelt. Diese beiden unterscheiden sich aber stark, und wir arbeiten diese Differenzen sogar noch weiter heraus. Bei Consumer Social geht es ausschließlich ums Entdecken: Ich schnuppere hier und da mal rein, brauche aber nicht alle Inhalte. In Unternehmen, wo man Dinge erledigen muss, spielt Discovery auch eine Rolle - vor allem geht es aber um Umsetzung: Jemand hat mir eine Nachricht geschickt, die muss ich beantworten. Ich arbeite in einer Gruppe, muss auf deren aktuellem Stand sein.

Discovery und Triage werden längerfristig zusammenwachsen zu einer neuen Art von Kommunikation, bei der man Dinge abarbeitet und dabei gleichzeitig mit neuen Informationen versorgt wird, die man sonst verpasst hätte. Einfach Beispiel: Jemand schickt Ihnen eine Nachricht mit einer Frage. Das System zeigt Ihnen dann schon andere Unterhaltungen, die möglicherweise schon die gesuchte Antwort enthalten.

Damit verändert ja Ihre Software die komplette Organisation eines Unternehmens?

Pisoni: Hoffentlich. War das jetzt auch eine Frage?

Das sollte schon eine sein, ja.

Pisoni: Das ist unser Ziel. Wir wollen Firmen verändern. In mancher Hinsicht in Yammer das Kommunikations-Tool für Firmen, die es noch gar nicht gibt, die anders arbeiten. Es gibt aber so etwas wie symbiotische Beziehung zwischen der Art und Weise, wie sich Unternehmen stärker an Werkzeuge wie Yammer gewöhnen, und dem Werkzeug Yammer, das Firmen dabei hilft, sich weiterzuentwickeln. Firmen müssen in vielen Fällen offener arbeiten, aber weil wir ihnen gleichzeitig den Mehrwert durch unser Produkt aufzeigen, kriegen wir sie dazu, sich schneller in diese Richtung zu bewegen.

Ich gebe Ihnen mal ein Beispiel: Sie beraumen ein Meeting zu einem bestimmten Thema an. Das System sagt Ihnen dann: Hey, es gibt da schon eine andere Gruppe von Leuten, die hat sich in der gleichen Sache schon vor einer Woche getroffen. Für ein großes Unternehmen ist so etwas revolutionär. Wir bauen unser System so, dass das aktive Arbeiten - Kommunizieren, Dokumente erstellen, Meeting ansetzen - für mehr Menschen verfügbar ist. Wir nutzen Intelligenz, Maschinenlernen und Social Routing, um diese Informationen an die richtigen Personen zu verteilen.

Das mag im Augenblick vielleicht noch verwirrend erscheinen, weil wir erst geschätzte zehn Prozent davon geschafft haben. Das ist noch so weit weg davon, wo es sein sollte.

Sie haben uns erzählt, dass Sie von Ihren Vorfahren her eigentlich ein halb deutsch sind. Haben Sie den Begriff "Herrschaftswissen" schon einmal gehört? Wie gehen Sie mit Menschen um, die ihr Wissen nicht teilen wollen, weil sie Angst haben, dadurch ersetzbar zu werden?

Pisoni: Dazu habe ich ein Modell im Kopf: In einer Welt, die sich nur langsam verändert, hat Information lange einen hohen Wert - da ist auch sinnvoll, sein wertvolles Wissen zu horten. Die Welt verändert sich aber längst sehr rasch, und deswegen sinkt der Wert ihrer Informationen auch sehr schnell [skizziert das Modell auf seiner Serviette]. Man hat nicht mehr so viel Zeit wie früher, um Wert aus Informationen zu schöpfen. Das verändert die Gleichung, ob nun das Horten oder Teilen von Informationen wertvoller ist. Wie wertvoll sie in Zukunft sein werden, hängt nicht länger davon ab, was Sie heute wissen. Information wird erst dann wertvoll, wenn man sie teilt - wenn Sie allein sie haben, ist sie wertlos.

Dafür müssen wir die Menschen umerziehen - wir haben über Generationen Knowledge Worker und mittleres Management dazu erzogen, ihre Informationen zu horten. Plötzlich sagen wir: Es geht um Einfluss, Verbindungen und Teilen. Das sehen wir bei all unseren Kunden, sie haben damit zu kämpfen. Doch was macht einen Manager effektiver? Mehr Wissen. Man vernetzt sich mit anderen Menschen, teilt sein Wissen mit ihnen und sie teilen ihres.

Es ist aber wahrscheinlich so - und ich sage das nur ungern - dass erst einmal eine Menge Leute aus dem System in den Ruhestand gehen müssen, damit das wirklich funktioniert. Wir hoffen aber natürlich, dass es darunter auch noch welche gibt, die noch fähig sind, umzulernen. Beispiele dafür gibt es zuhauf, auch innerhalb von Microsoft.