Linux versus Windows 2000/Linux - State of the Art

Jeder vierte Server bereits mit einem Linux-System ausgestattet

24.03.2000
Noch vor zwei Jahren hatten die IT-Manager keine Probleme, wenn es um die Frage des Betriebssystems ging: eine Entscheidung für Windows NT wurde nur selten in Frage gestellt. Heute dagegen kann es passieren, dass das Controlling eine gute Begründung verlangt, wenn die Wahl nicht auf das kostenlos im Internet zu ladende Linux fällt. Eva Kunst* hat zusammengetragen, welche gewichtigen Argumente zur Zeit für Linux sprechen.

Anhand der neuesten von der IDC veröffentlichten Zahlen werden Marktgewinne und Einsparpotenzial von Linux sichtbar. Diesen Zahlen zufolge ist bereits jeder vierte Server mit einem Linux-System ausgestattet. Hierfür wurden, so die Marktforscher nur etwa 32 Millionen Dollar ausgegeben. Zum Vergleich: Der Servermarkt war im Jahr 1999 5,7 Milliarden Dollar schwer. Für Windows NT mit einem Marktanteil von 38 Prozent wechselten allein 1,7 Milliarden Dollar den Besitzer! Dabei bleibt in der Studie ein wichtiges Merkmal unberücksichtigt: Während mit dem Kauf einer Linux-Distribution beliebig viele Rechner ausgestattet werden können, fordert Microsoft für jede einzelne Lizenz Gebühren.

Noch spannender als der 25-prozentige Marktanteil ist die Wachstumsrate des Open-Source-Betriebssystems. Mit einer viermal höheren Wachstumsgeschwindigkeit als der gesamte Servermarkt wächst Linux "viel schneller als angenommen," meint IDC-Analyst Dan Kusnetzky. "Wir hatten gedacht, es könnte den Sprung zur Nr. 2 im Jahr 2002 oder 2003 schaffen. Doch das geschah bereits 1999." Der Marktanteil von Windows NT dagegen stagniert.

Linux ist mehr als nur ein neuer Stern am Betriebssystem-Himmel. Inzwischen hat es sich als Mainstream-Betriebssystem etabliert und bringt frischen Wind in die gesamte Softwarebranche. Transparenz statt proprietärer Lösungen heißt hier das neue Motto. Mit Transparenz ist dabei quelloffener Code gemeint, der die Unabhängigkeit des Kunden vom Softwarehersteller ermöglicht. Die von einer Schar unabhängiger Programmierer umgesetzte Entwicklungsphilosophie hat mittlerweile weite Teile der Softwarebranche ergriffen. Mit Ausnahme von Microsoft fangen die großen Firmen freigiebig an, Software kostenlos abzugeben: Sun verschenkt Star Office, SGI Hochverfügbarkeitssoftware und IBM Code für Java und ein Journaling File-System.

Dieser Trend hat wiederum Rückwirkungen auf Linux. Längst sind es nicht mehr nur die Open-Source-Entwickler, die Code ohne Bezahlung allein zu ihrem Nutzen und der eigenen Reputation wegen verschenken. Die mit Open-Source-Produkten wirtschaftenden Unternehmen stellen Kernelhacker und Anwendungsentwickler ein - und garantieren damit den Fortbestand des Systems. Ob die Firmen nun HP, IBM, Intel, Corel oder SAP heißen: Inzwischen haben die Großen der IT-Branche eigene Linux-Abteilungen aufgebaut. Während sie Software verschenken, können sie Support verkaufen.

Und nicht nur mit Support lässt sich im Linux-Umfeld Geld verdienen. Auch das Hardwaregeschäft ist lukrativ. Sei es nun der preisgünstige Rechner, der Linux vorinstalliert hat, oder die von Linux unterstützte Grafikkarte: Wer Hardware verkaufen will, muß heute bereits mehr als Windows 95, Windows 98 und Windows 2000 unterstützen. Während Microsoft laut die Werbetrommel für Windows CE rührt, tauchten auf der CeBIT still und leise erste PDAs "Powered by Linux" auf. Dank seiner Skalierbarkeit lässt sich das Betriebssystem flexibel auf unterschiedliche Prozessoren und Plattformen portieren. Dazu werden einfach die notwendigen Komponenten respektive Module ausgewählt und zu einem neuen Kernel zusammengebunden. Der gleiche Kernel, der soeben noch eine PC-Hardware zu einem nützlichen Werkzeug werden ließ, passt optimal in Telefone, Settop-Boxen und andere eingebettete Systeme, für deren Software sich der Anwender nicht interessiert.

Die besten Trumpfkarten hat Linux dabei nach wie vor auf dem Servermarkt. Die Gründe hierfür liegen vor allem in seiner Stabilität und Zuverlässigkeit. Systemabstürze sind sehr selten, weshalb Linux gerade in unternehmenskritischen Bereichen sehr gut eingesetzt werden kann.

Dagegen gilt Linux auf dem Desktop immer noch als Exot. Lediglich vier Prozent (3,9 Millionen Installationen) bescheinigt IDC Linux in diesem Segment. Der Markt wird unangefochten von Microsoft dominiert. Faktum ist: Word, Excel und Konsorten befinden sich auf nahezu jedem Desktop, und Microsoft wehrt sich bislang vehement, diese Programme auf Linux zu portieren.

Um das Monopol auf den Schreibtischrechnern aufzubrechen, reicht ein gutes Betriebssystem mit hohem technischen Standard nicht aus. Die Open-Source-Entwickler versuchen zur Zeit, zwei freie Alternativen zu platzieren. KDE 2.0 steht vor der Tür und verspricht ebenso wie der Konkurrent Gnome ein modernes Desktop-Environment mit integrierten Office-Applikationen. Auch die aus ehemaligen Apple-Programmierern zusammengesetzte Firma Eazel bewegt sich neuerdings im Linux-Lager. Zusammen mit den Gnome-Entwicklern wollen sie den "ultimativen" Linux-Desktop entwickeln.

Konkurrenz im Desktop-Bereich ist möglich, da Linux Funktionalität und Oberfläche strikt voneinander trennt. Im Unterschied zu den Entwicklern von Microsoft, die das Betriebssystem sogar mit der Fensteroberfläche verheiraten, wird die Linux-Oberfläche unabhängig vom Betriebssystemkern entwickelt. "Die aufregendsten Entwicklungen für Linux werden nicht im Kernel liegen", prognostiziert dessen Begründer Linus Torvalds. Viel interessanter sei die Frage, welche Features Red Hat 17.5 vorweisen könne oder wo der Windows-Emulator Wine in wenigen Jahren stehen werde.

Der Erfolg des Linux-Betriebssystems spiegelt sich aber bei weitem nicht nur in den Marktzahlen von IDC und den Commitments der IT-Branche wider. Linux schreibt auch an der Börse Geschichte. Nach dem raketenhaften Aufstieg der Aktien von Red Hat und VA Linux Systems versuchen immer mehr Linux-Firmen, sich an der Börse Kapital zu beschaffen.

Damit die über das Internet verteilte Entwicklung möglich sei, habe das System von jeher so modular wie möglich sein müssen. Ansonsten wäre paralleles Arbeiten unmöglich gewesen.

Der frei verfügbare Sourcecode lockt hochqualifizierte Programmierer und Beta-Tester an. Sie versorgen Chefentwickler Torvalds mit Know-how, Bugreports und ständig neuen Codefragmenten, so genannten Patches, die die zukünftige Betriebssystemversion bilden werden. Dabei ist die Linux-Entwicklergemeinde bekannt dafür, technisch anspruchsvolle und komplexe Probleme gründlich zu lösen.

Die "quick and dirty"-Programmiermethode ist schon allein deshalb verpönt, weil die Ergebnisse der Entwicklung vor aller Welt und bis ins kleinste Detail transparent sind. So ist gerade die Offenlegung sämtlicher Quellen - verbunden mit der Erlaubnis, den Code zu verändern - ein wichtiger Schlüssel für die Effizienz der Linux-Software. Technologisch kann die Konkurrenz da nicht mithalten.

Die dezentrale Organisation trägt darüber hinaus zur Unabhängigkeit und Selbständigkeit des Linux-Teams bei: Hinter Linux steht keine Firma, deren Know-how sich aufkaufen ließe und die vom Markt verdrängt werden könnte.

Wohin wird sich Linux entwickeln? Der Markt, der sich um das freie Betriebssystem rankt, nimmt immer größere und inhomogenere Ausmaße an. Das stürmische Vordringen von Linux in immer weitere Bereiche wird das Tempo in den nächsten Monaten noch weiter zunehmen. Dabei begrüßen die meisten Open-Source-Entwickler, dass das Big Business dem Linux-Erfolg den hauptsächlichen Drive verleiht. Deshalb ist die Annäherung des Linux-Umfelds an den Kommerz das erste wichtige Phänomen. Als Reaktion auf das breite öffentliche Interesse an Linux sind in der Open-Source-Szene bereits Unternehmen mit ganz neuen Geschäftsmodellen entstanden. Sie vermitteln Entwickler an Firmen und begleiten den Entwicklungsprozess - vorausgesetzt das gewünschte Produkt ist Open Source. Das zweite Phänomen betrifft umgekehrt den Einfluss von Linux auf die kommerziellen Firmen: Noch vor kurzem schien es undenkbar, dass eine Firma wie IBM sich bereit erklärt, den entwickelten Sourcecode offen zu legen. Heute ist das nur eine weitere Business-Strategie.

* Eva Kunst ist freie Journalistin in Kempen.

Geplante Erweiterungen für Linux-Kernel 2.4In alter Tradition ist das Release-Datum für den neuen Kernel schon mehrfach verschoben worden. Erst war es für Dezember 1999 angekündigt, dann zum offiziellen Verkaufsstart von Windows 2000. Aber bis heute hat Linus Torvalds noch nicht einmal das "Feature Freeze" verkündet. Und so wird es noch einmal zwei bis drei Monate dauern, bis eine wirklich stabile Version zur Verfügung steht, die den harten Qualitätsanforderungen der Kernel-Entwickler genügt. Daher wird inoffiziell mit Juni oder Juli als wahrscheinlichem Erscheinungsdatum gerechnet.

Für die meisten Anwender dürfte das aber keine allzu große Rolle spielen. Linux ist ein stabiles System, das den meisten Anforderungen genügt. Nur wer wirklich die "cutting edge"-Features benötigt oder allerneuste Hardware hat, muss ungeduldig sein. Doch unabhängig davon: Linux 2.4 weist neben vielen unsichtbaren Verbesserungen einige interessante Neuheiten auf, auf die sich das Warten lohnt.

Für den Privatanwender finden sich die wichtigsten Neuerungen in der Unterstützung von neuen Bussystemen und Geräten. So wird der Kernel 2.4 voraussichtlich fast alle neuen Bussysteme unterstützen, die es im Kontext von PCs und Workstations gibt: Der Universal Serial Bus (USB), die Infrarot-Schnittstelle IrDA oder das PCMCIA/Cardbus-Interface. Zwar gibt es den PCMCIA/Cardbus-Support bereits in der noch aktuellen Linux-Version 2.2, doch ist dieser bisher nicht offizieller Teil des Kernels gewesen. Was insbesondere Spielefreaks erfreuen wird: Linux bietet mit dem Direct Rendering Manager (DRM) ein optimales Interface zu Grafikkarten beziehungsweise Grafikbeschleunigern.

Im Enterprise-Bereich zeichnet sich Linux gleich durch eine Reihe spannender Neuigkeiten aus: so wird Linux in der Version 2.4 Hauptspeichergrößen von 4 GByte unterstützten. Verfügt ein Server über mehr als zehn IDE-Controller oder 16 Ethernet-Karten ist dies auch kein Problem. Hinzu kommt eine optimale Unterstützung von Mehrprozessormaschinen (SMP). Als besonderes Zuckerl wird Linux 2.4 einen in den Kernel integrierten Web-Server bieten. Und damit dürfte die Web-Performance kaum zu schlagen sein.

Doch bei so viel Licht gibt es auch Schatten: Obwohl zwei Journaling-File-Systeme für Linux existieren, hat Linus Torvalds noch keines offiziell in den Entwicklungsbaum aufgenommen. Und auch eine immer stärkere Verbreitung findende Hardware wie "Win Modems" wird in nächster Zeit wohl nicht unterstützt werden.

Abb.: Mit Riesenschritten: Linux hatte im vergangenen Jahr den Sprung vom vierten auf den zweiten Platz geschafft. Quelle: IDC