Zahlreiche XML-Funktionen, aber nicht für Soap und WSDL

Jbuilder unterstützt Web-Services nur halbherzig

17.08.2001
Die Version 5 der Java-Entwicklungsumgebung "Borland Jbuilder" zeichnet sich besonders durch ihre XML-Unterstützung aus. Nicht berücksichtigt wurden allerdings die für Web-Services wichtigen Formate Soap und WSDL. Neu hinzu kam auch die Integration von Teamsoftware anderer Anbieter sowie die Generierung von diversen Weitergabe-Formaten für Java-Programme. Von Fotis Jannidis*

Borland übereilt die Integration neuer Technologien in sein erfolgreiches Java-Werkzeug Jbuilder wahrlich nicht. Beim Erscheinen der Vorgängerversion 4 hatte sich XML schon als Kerntechnologie des Internet etabliert. Doch deren "Unterstützung" bestand damals vornehmlich darin, dass die Projektinformationen in diesem Format abgelegt wurden. In der Ausgabe 5 hat Borland dieses Manko auf überzeugende Weise behoben. XML-Dateien und einige wichtige Formate wie XSL Transformations oder Schema-Definitionen (XSD) sind nun in der Projektübersicht sofort als solche kenntlich, und eine einfache ausklappbare Strukturansicht erleichtert den Überblick über ihren Inhalt.

XSLT-Editor inklusive DebuggerMit einem Klick auf die rechte Maustaste kann man für alle XML-Dateien die sehr schnelle Validierungsfunktion aufrufen. XSLT-Scripts lassen sich mit wenigen Mausklicks an XML-Dateien binden, und das Ergebnis der Transformation wird in einem eigenen Fenster angezeigt. Treten während der Transformation Fehler auf, so hilft eine eigene Trace-Funktion, diese aufzuspüren.

Die XML-Unterstützung ist ausgesprochen datenorientiert: Datenbindung, also die Verknüpfung zwischen einem XML-Dokument und einer Java-Klasse, die die Struktur des Dokuments abbildet, kann mittels "Borland XML" oder dem Open-Source-Werkzeug "Castor" erzeugt werden. Überhaupt fällt auf, dass Borland für die XML-Unterstützung massiv Open-Source-Programme in sein Entwicklungswerkzeug einbindet. Verwendung finden der XML-Parser "Xerces", der XSLT-Prozessor "Xalan", die Servlet-Engine "Tomcat 3.2.1", die Bibliothek für reguläre Ausdrücke "Jakarta Regexp" und auch das Web-Publishing-Framework "Cocoon" - alle von der Apache Software Foundation. Außerdem sind Ron Bourrets "XML-DBMS" zur Abbildung von Datenbankstrukturen auf XML-Daten, "JDOM", das schon erwähnte Castor and "GNU Regexp" mit von der Partie. Die Integration kann im einfachsten Fall so aussehen, dass die Bibliothek gleich mitinstalliert wird, in vielen Fällen aber ist die IDE durch Assistenten und geschickte Vorinstallation sehr viel weitergehender auf die Verwendung eingerichtet.

Die Freude über die reichhaltigen XML-Funktionen wird indes durch die fehlende Unterstützung für Soap, die Web Services Description Language (WSDL) und Universal Description Discovery and Integration (UDDI) getrübt. Bei ihnen handelt es sich nämlich um Kerntechnologien von Web-Services. Anwender von Jbuilder können sich bis zum nächsten Update mit dem kostenlosen Zusatzpaket von Idoox (http://www.idoox.com/eap/jbuilder/index.html) behelfen, das die genannten Features für Web-Services in Jbuilder 4 und 5 nachrüstet.

Server-seitig bietet Jbuilder 5 Unterstützung für IBMs "Websphere", "Bea Weblogic" (jetzt auch die Version 6.0) und natürlich den "Borland Application Server". Außerdem wird die Tomcat 3.2 mitgeliefert, die mit wenig Aufwand gegen neuere Versionen ausgetauscht werden kann. Die Integration der Servlet-Engine ist gut gelungen und vereinfacht das Erstellen von Web-Anwendungen. Wirklich erleichtert wurde aber vor allem das Weitergeben von Servlets, da nun aus einem Projekt direkt Web Application Archives (WARs) erzeugt werden können. Die Unterstützung für standardisierte Weitergabe-Formate ist insgesamt deutlich verbessert worden, beispielsweise auch für Resource Adapters Archive (RAR) und Enterprise Archive (EAR) sowie das neue "Java-Web-Start"-Format, mit dem Applikationen über den Web-Browser verteilt werden können.

IDE selbst erweiternJede der angebotenen Jbuilder-Editionen ist auf ein bestimmtes Zielpublikum zugeschnitten. "Jbuilder Professional" etwa soll besonders für die Entwicklung von XML-, Datenbank- und Web-Anwendungen geeignet sein. Unverständlich ist dabei allerdings das Fehlen jeglicher Unterstützung für Versionskontroll-Systeme. Diese findet sich nur in der "Enterprise Edition", die nicht nur "CVS", sondern in der Version 5 auch spezifische Unterstützung für Rationals "Clearcase" und Microsofts "Visual Sourcesafe" enthält. Ebenso irritierend ist die willkürlich wirkende Verteilung von XML-Features auf die Professional und die Enterprise Edition, da gerade die Elemente, die eine Verbindung von XML- und Datenbankanwendung vorsehen, nur in der teureren Ausgabe zu finden sind.

Die Rechnung von Borland, durch ein Opentool-API die Entwickler anzuregen, benötigte Erweiterungen selbst zu entwickeln und zu integrieren, scheint aufzugehen: Zahlreiche nützliche Tools sind inzwischen erhältlich (http://codecentral.borland.com). Ärgerlich ist allerdings, dass einige wichtige Funktionen noch immer ausschließlich über solche Zusatzprogramme zur Verfügung stehen: So kann man in der aktuellen Version das Dienstprogramm "Javadoc" immer noch nicht aus der IDE aufrufen. Dafür findet man auf der Begleit-CD aber ein Shareware-Programm namens "Javadoc Wizard", dessen Freischaltung allerdings schon vor Auslieferung des Produkts abgelaufen ist. Der Import ganzer Projekte, vorher ebenfalls nur über ein Zusatzprogramm möglich, lässt sich nun in der IDE bewerkstelligen. Auch die Erzeugung von Steuerdateien für "Ant", das Pendant von "make" für Java-Projekte, muss man erst nachrüsten. Insgesamt kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass das Opentool-API für die Entwickler bei Borland gleichsam ein Sicherheitsventil ist: Verärgerte Anwender können benötigte Funktionen selbst nachrüsten und üben entsprechend weniger Druck auf die Firma aus. Zugleich aber übernimmt Borland keine Verantwortung für die Qualität solcher Zusatzprogramme.

Wer Jbuilder schon in der Version 4 kennt, wird in der neuen Ausführung bemerken, dass Jbuilder Foundation, die kostenlose Ausgabe der IDE, verschwunden ist. Sie heißt nun "Jbuilder Personal" - und mit dem Namen wechselt auch das Konzept. Jbuilder Personal darf nämlich nicht für kommerzielle Zwecke verwendet werden, sondern lediglich für die persönliche oder akademische Fortbildung. Und noch in einem weiteren Punkt ist das Verhältnis von Borland zu seinen Kunden restriktiver geworden. Wie viele andere Anbieter, allen voran Microsoft, verdonnert Borland die Nutzer zu einer Zwangsregistrierung. In unserem Test "vergaß" Jbuilder die bereits erfolgreiche Meldung nach einigen Arbeitssitzungen und zwang zu einem neuen Freischalten des Produkts.

Version für Mac OS X in KürzeDie aktuell vertriebene Jbuilder-Version ist für die Verwendung unter Windows, Linux und Solaris vorgesehen. Eine Betaversion für Mac OS X steht zum Download zur Verfügung, mit einer endgültigen Version ist wohl einige Wochen nach dem Erscheinen der Version 10.1 des Apple-Systems zu rechnen. Unter Windows kann man den Jbuilder mit einer kleinen Veränderung in der Datei "jdk.config" ohne Probleme dazu veranlassen, anstelle des mitgelieferten JDK 1.3.0.2 ein (subjektiv) schnelleres und (objektiv) fehlerbereinigtes JDK 1.3.1 zu verwenden.

Jbuilder gilt inzwischen mit guten Gründen als beste integrierte Entwicklungsumgebung für Java. Diese Position wurde durch die stetige und weitgehend gelungene, wenn auch in manchen Bereichen ärgerlich langsame Adaption neuer Technologien in die IDE erreicht. Zugleich hat man das sehr funktionale Erscheinungsbild kaum geändert. Ein wenig aber verdankt Borlands erfolgreiches Produkt seine Position auch der Schwäche der Konkurrenz.

Jbuilder wird in den Ausführungen "Personal", Professional, Enterprise und Enterprise Studio ausgeliefert. Ein Überblick über die Features der verschiedenen Ausgaben findet sich unter http://www.borland.de/jbuilder/jbuilder5/indexmatrix.html.

*Fotis Jannidis ist freier Autor in München.