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JavaOne: Jubel und kritische Töne

07.06.2000
McNealy: Mit Java kann man reich werden

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - In seiner Eröffnungsrede zur Hausmesse "JavaOne" von Sun Microsystems beschwor Unternehmenschef Scott McNealy den Siegeszug von Java und prophezeite eine rosige Zukunft der Programmierumgebung herauf, die nicht nur PCs, sondern auch Handys, Spielkonsolen und andere Geräte erobern werde. Neben McNealy sprachen auch Apple-Chef Steve Jobs und Shoichiro Irimajiri, Vize-Chairman von Sega Enterprises.

Jobs erntete begeisterten Applaus für das Geständnis, Apple räume Java inzwischen einen hohen Stellenwert ein. Das Unternehmen will die "Java 2 Standard Edition" (J2SE) mit seinem "Mac OS X" unterstützen, das noch in diesem Jahr auf den Markt kommen soll. Damit werde Apple die "beste Java-Plattform des Planeten" anbieten, so der Apple-Erneuerer in gewohnter Bescheidenheit. Allerdings räumten McNealy und der Apple-Chef ein, dass ihre Firmen in der Vergangenheit nicht immer gut zusammengearbeitet hätten. "Das ist dein Fehler," frotzelte der Sun-Chef. Jobs konterte, Sun sei viel zu sehr damit beschäftigt gewesen, Java in Glühbirnen zu integrieren, um von Apple ernst genommen zu werden. Der Apple-Chef beruhigte das Publikum jedoch mit den Worten, beide Firmen hätten endlich herausgefunden, wie sie am besten zusammenarbeiten können.

Auch Sega-Manager Irimajiri räumte ein, die Kooperation zwischen Sun und Sega habe bisher nicht besonders gut funktioniert. Die Schwierigkeiten scheinen jedoch beseitigt zu sein, denn Sega will Java in seine Spielkonsole "Dreamcast" integrieren (CW Infonet berichtete). Version drei, die im September auf den Markt kommt, wird einen Browser von Planetweb mit Suns "Personal Java" enthalten. Ebenfalls im Dezember will der japanische Hersteller ein Java-basiertes Spielenetzwerk namens "Seganet" vorstellen, das es mehreren Anwendern erlauben soll, im Internet zu spielen. Des weiteren entwickelt Sega zusammen mit Motorola ein Mobiltelefon, das einen Java-basierten Standard zur Unterstützung von Spielen anbieten soll. Für das Handy hat Sega bereits zehn verschiedene Spiele entworfen, die im nächsten Jahr herauskommen werden. "Dann kann man Sonic auf dem Mobiltelefon spielen",

erklärte Irimajiri.

Java überall

Java für den Desktop hat sich inzwischen etabliert. Die neue Herausforderung liegt nun darin, ob die Sun-Entwicklung Settop-Boxen, Autos, Mobiltelefone und andere Geräte jenseits des PCs erobern kann. McNealy wurde nicht müde, weitere Erfolge von Java aufzuzählen. Die Finanzinstitute Citibank und American Express haben sich entschlossen, die "Java-Card"-Technik auf ihren Kreditkarten einzusetzen (CW Infonet berichtete). Java Card ermöglicht das Ablaufen einfacher Java-Programme auf Smartcards, und zwar unabhängig von dem jeweils verwendeten Chip. In der Pipeline befindet sich außerdem eine Java-fähige Settop-Box von General Instrument, die AT&T vertreiben will. McNealy untermauerte seine Java-Laudatio mit Statistiken des Marktforschungsunternehmens International Data Corp. (IDC), wonach im vergangenen

Jahr 20 Millionen Java-Smart-Cards ausgeliefert wurden. 2000 sollen es 100 Millionen und im kommenden Jahr 250 Millionen werden. Zudem betrage die Zahl der Java-Entwickler inzwischen 2,5 Millionen; im Jahr 2003 erwarten die Auguren dann vier Millionen Java-Programmierer.

McNealy wettert gegen Microsoft ...

Der hohe Sicherheitsfaktor von Java sei einer der wichtigsten Gründe, die Programmiersprache zu verwenden, pries McNealy sein Produkt. Java sei vergleichbar mit einem Medikament gegen Erkältung. Wenn Entwickler in Java programmieren, könnten sie dem Sun-Chef zufolge die meisten Probleme Virengefahren abwenden. Erreger wie "Melissa" und "ILOVEYOU" hätten keine Chance. Mit diesen Worten leitete McNealy sein übliches "Microsoft Bashing" ein. Obwohl seine wiederholten Schmähreden auf die Gates-Company ihm schon viel Kritik eingebracht haben, konnte der Sun-Chef wieder einmal nicht widerstehen. So präsentierte McNealy eine Top-10-Liste mit möglichen flapsigen Aussagen des US-Justizministeriums über Microsofts E-Mail-Programm Outlook, das die Hacker für ihre Virus-Attacken benutzt hatten. Ein Spruch zielte etwa auf Microsofts Entwicklungsumgebung "Visual Basic" (VB) ab, mit der das ILOVEYOU-Virus programmiert war: "I love you, you love me, look what happened

with VB."

... und erntet Kritik

Kritik erntete McNealy für seine Ankündigung, mit Java könnten Entwickler viel Geld verdienen. In seiner Präsentation hieß es auf einem Chart "Java = Vermögen". Die Entwicklergemeinde zeigte sich wenig erbaut von den kommerziellen Tönen. Java-Programmierer Zachary Forsyth von Retek Inc. erklärte: "Java sollte ein Standard sein und keine Marke. Er sollte von einer Gemeinschaft, nicht von einer einzigen Firma kontrolliert werden." Ein anderer Entwickler schlug in die gleiche Kerbe: "Java hat sich nicht ausgebreitet, weil die Menschen primär deswegen damit Geld verdienen wollten. Es wird eher als Shareware/Freeware gesehen, die überall läuft. Die Java-Entwicklergemeinde will sicher nicht in erster Linie Geschäfte machen."

Java-Erfinder Gosling bleibt bescheiden

Ähnlich idealisierend sieht Java-Erfinder James Gosling seine Aufgabe bei Sun. Anders als viele seiner prominenten Kollegen gründete er weder sein eigenes Geschäft noch hat er sich von einem Internet-Startup locken lassen. "Ich liebe es einfach, Dinge zu entwickeln, und die Leute bezahlen mich auch noch dafür", sagte Gosling. Er zeigte sich fasziniert davon, dass die Programmiergemeinde so viele verschiedene Java-Entwicklungen hervorgebracht hat. Er selbst wolle sich nun mit einer hoch spezialisierten Java-Variante für Entwickler beschäftigen. Dabei interessiert ihn die Nachfrage auf dem Markt wenig: "Ich konzentriere mich auf einen einzigen Markt und der bin ich."

Erwartete Produkte auf der JavaOne

Inprise/Borland präsentiert "AppCenter 4.0" zur Verwaltung von Enterprise Java Beans (EJB), EJB-Server und EJB-Container.

Vignette wird neben neuen Tools und Applikationen für Java vor allem die Integration von Vignette Application Foundation mit EJB ankündigen. Zudem soll die "V/5"-E-Business-Plattform des Herstellers ab diesen Herbst Java unterstützen.

Der fusionierte Beratungskonzern Cap Gemini/Ernst & Young präsentiert eine drahtlose, Java-basierte Anwendung, die für europäische Außendienstmitarbeiter von Dun & Bradstreet entwickelt wurde.

Metrowerks zeigt eine mobile Version seiner "Code Warrior"-Entwicklungsumgebung, die J2ME (Java 2 Micro Edition) unterstützt. Das Produkt soll in diesem Herbst auf den Markt kommen.

Point Base tritt mit einer Java-Lösung für Mobiltelefone an, mit der Anwender auf Datenbankauszüge zugreifen können.

Lucent wird im Rahmen seines neuen Projekts "Savaje" das Betriebssystem "Jscream" für Internet-Zugangsgeräte präsentieren. Jscream soll in diesem Herbst erhältlich sein.

Die Software AG will die neueste Version von "Bolero" vorstellen, eine XML-kompatible und Java-basierte Plattform für E-Business-Applikationen, sowie "Breeze XML Studio", ein Tool zur Verknüpfung von XML und Java. Beide Anwendungen sind Teil einer neuen XML-Produkt-Suite, die auch den Information-Server "Tamino XML" enthält.