Java und Web-Services erneuern Lotus Notes

14.02.2002
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Wolfgang Sommergut ist Betreiber der Online-Publikation WindowsPro.
MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Mit der bevorstehenden Version 6 von Notes/Domino stellt IBM/Lotus die Weichen für ein neues Anwendungsmodell. Funktionen zur Teamarbeit sollen zukünftig integraler Teil von Geschäftsanwendungen werden. Die dafür notwendigen Dienste bietet Lotus über Java-Schnittstellen und Web-Services an.

Zu den Überraschungen der diesjährigen Lotusphere gehörte zweifellos die Ankündigung von Lotus-Chef Al Zollar, dass der Nachfolger von Notes/Domino 6 auf der Java 2 Enterprise Edition (J2EE) und relationaler Datenbanktechnologie basieren werde. Viele Konferenzteilnehmer schlossen daraus irrtümlich, dass die Funktionen des Domino-Servers auf Grundlage des IBM-Applikations-Servers "Websphere" und der Datenbank "DB2" neu geschrieben würden. Diese Auslegung kam freilich nicht von ungefähr, weil Beobachter schon länger eine grundlegende Erneuerung des Notes-Programmiermodells für erforderlich hielten. Es ist nämlich geprägt von Inkonsistenzen und den Beschränkungen eines über lange Zeit gewachsenen Produkts. Aus diesem Grund lassen sich komplexere Notes-Anwendungen vergleichsweise schwer warten und erfordern erhebliches Wissen über eine proprietäre Umgebung.

Lotus-Chef Al Zollar stiftete mit der Ankündigung seiner Java-Strategie Verwirrung. Die vermeintliche Revolution entpuppte sich weitgehend als Fortentwicklung von Notes/Domino. (Foto: IBM)

Im Zuge der Java-Ausrichtung von IBM ergänzte Lotus seine Groupware schon in der Version 4.5 um Unterstützung für die Sun-Technologie. Damit war auch die Hoffnung verknüpft, dass Notes/Domino von der rasch wachsenden Java-Gemeinde profitieren könne. Allerdings war die Java-Entwicklung an das bisherige Programmiermodell gebunden, wo die Sun-Sprache nicht durchgängig genutzt werden konnte, sondern nur einen weiteren Beitrag zum Notes-typischen Sprachmix leistete.

Mit der nun angekündigten J2EE-Strategie vollzieht die IBM einen Bruch mit dem bisherigen Java-Konzept und stellt den Übergang zu einem konsistenten und offenen Programmiermodell in Aussicht. Die wesentliche Änderung gegenüber dem bisherigen Java-Einsatz besteht darin, dass die Entwicklung nicht mehr innerhalb der Notes-Datenbank stattfinden soll. Nach dem bisherigen Modell kapselt diese sowohl die Daten als auch den Programmcode und Designelemente. Stattdessen sieht Lotus zukünftig vor, dass Java-Programme auf einem separaten J2EE-Server ablaufen sollen und von dort auf Dienste von Notes/Domino zugreifen. Seinen Niederschlag findet diese Neuorientierung darin, dass die bis vor kurzem angekündigten Java-Features aus der Version 6 eliminiert wurden. Betroffen war davon vor allem die geplante Engine zur Ausführung von Servlets und Java Server Pages (JSPs), die unter dem Codenamen "Garnet" noch Bestandteil der Beta 4 war und auf "Apache Tomcat" beruhte. Die Servlet-Unterstützung wird nun für das fertige Produkt, das Lotus zum Ende des dritten Quartals ausliefern will, auf dem Stand von Domino R5 eingefroren. Immerhin können so bestehende Anwendungen weiter benutzt werden.