Datenbank-Konzepte: Adaptive Server tritt gegen die Universal Server an

Java soll Sybase ins Geschäft zurückbringen

03.10.1997

Konkret besteht der Adaptive Server aus drei Produkten, von denen jetzt lediglich der "Enterprise Server" freigegeben wurde. Im Laufe dieses Jahres sollen das Laptop-System "Adaptive Anywhere" und der für Data-Warehouse-Abfragen konzipierte "Adaptive Server IQ" folgen. Auf diese Weise soll den verschiedenen Bedürfnissen der Anwender mit speziellen Produkten entsprochen werden. Dabei sind alle Ausprägungen des Adaptive Server über gemeinsame Entwicklungswerkzeuge auf Basis von Java und SQL sowie über gemeinsame Dienste, vor allem Middleware, integrierbar.

Mit seinem Adaptive Server will sich Sybase von den "Universal-Server"-Produkten der Konkurrenz absetzen. Anders als bei Informix werden hier relationale und nichtrelationale Datentypen getrennt verwaltet und über Middleware integriert. Auf diese Weise hat Sybase möglicherweise riskante und leistungssenkende Erweiterungen des Datenbank-Kernels vermieden. Außerdem entfällt die Notwendigkeit, Partner für ein neuartiges Entwicklungssystem zur Erstellung von Datenbankerweiterungen zu finden.

Gegenüber Oracle, deren Produkte als eher zentral organisiert gelten, grenzt sich Sybase wie schon bisher durch verteilte Datenhaltung ab. Diese erstreckt sich auch auf die Integration und Distribution fremder Datenquellen etwa aus Konkurrenzsystemen. Insbesondere bei der In- formationsverteilung via Web, aber auch bei Informationskonsolidierungen, wie sie beim Data-Warehousing gebraucht werden, könnte sich die frühzeitige Hinwendung von Sybase zur verteilten Datenhaltung auszahlen. Diese Bereiche gelten als Zukunftsmärkte. Die herkömmliche Rolle der Datenbanken als zentralem Back-end-Daten-Server wird dem Konkurrenten Oracle zugeschoben.

Große technische Unterschiede zum IBM-Ansatz sind auf den ersten Blick kaum zu erkennen. Auch Big Blue verarbeitet die zusätzlichen Datentypen nicht im Datenbank-Kernel und liefert gleich einige der dort Extender genannten Module für zusätzliche Datenformate mit. Bei der Java-Integration ist IBM der Branche voraus. Sybase setzt aber darauf, daß dieser Anbieter kaum Akzeptanz über seine angestammte Klientel hinaus findet. Außerdem hofft Sybase aufgrund seines reichen Angebots an Gateways zu IBMs Großrechnerwelt gerade hier DB/2-Systeme mit Adaptive Server als Anwendungssystem ergänzen zu können.

Das eigentliche Konzept, mit dem Firmenchef Mitchell Kertzman Sybase wieder auf Erfolgskurs bringen will, reicht jedoch über die Datenbank hinaus. Die "Adaptive Component Architecture" besteht aus Datenbank, Entwicklungswerkzeugen und Datenbank-Middleware, die zusammengenommen eine sogenannte End-to-end-Solution ergeben sollen. Als integrierender Faktor wirkt hierbei neben der Middleware - einer der unbestrittenen Stärken des Unternehmens - die objektorientierte Programmiersprache Java.

Java suggeriert Fortschrittlichkeit

Am wichtigsten ist das Java-Engagement von Sybase vermutlich aus Marketing-Sicht. Das Unternehmen hat lukrative Trends, wie Mehrprozessorunterstützung, das Data-Warehousing, Multimedia-Daten und insbesondere das Row-Level-Locking verschlafen. In letzterem Falle beharrte Sybase auf einer anderen Methode zur Sperrung von Daten für Zweitbenutzer als er von wichtigen Anwendungen benutzt wird, und verschloß sich damit selbst Kooperationen mit Anbietern wie SAP, Baan und Peoplesoft. Nun aber hat Sybase in der objektorientierten und Hardware-unabhängigen Programmiersprache Java endlich wieder ein zugkräftiges Aushängeschild gefunden.

Der Datenbanker steht jetzt vor der schwierigen Aufgabe, sich einen Markt von neuem erobern zu müssen, der in den vergangenen Jahren von den Konkurrenten nahezu vollständig aufgeteilt wurde. So gilt es nicht mehr als lohnendes Ziel, die Server-Datenbank als strategischen Bestandteil der DV-Infrastruktur zu positionieren, wie das lange Zeit üblich war. Auch das Geschäft mit den großen Applikationspaketen ê la R/3 ist für Neulinge kaum zugänglich. Daher spekuliert Sybase auf neue Anwendungslösungen im Web, bei denen das Java-basierte End-to-end-Konzept zum Tragen kommt. Firmenchef Mitchell Kertzman räumt ein, daß er insofern die Zukunft von Sybase auf den Erfolg eines Java-basierten Komponenten-Booms verwettet hat.

Technisch gesehen ist mit Java ein allgemein akzeptierter Sprachstandard entstanden, mit dem sich, wie es die Anhänger der Objektorientierung versprochen haben, in jeder beliebigen Umgebung wiederverwendbare Komponenten erzeugen lassen könnten. Für die nötige Leistung sollen auf Server-Seite plattformspezifische, sprich Compiler-Implementierung der Interpreter-Sprache sorgen. Aus Datenbanksicht sollen Java-Komponenten helfen, SQL-Anwendungen zu optimieren - eine Aufgabe, die bislang Sprachen wie C oder C++ vorbehalten war. Anders als etwa bei Oracle stehen mit "Power J" und "J-Connect for JDBC" bereits entsprechende Tools zur Verfügung.

Werkzeuge als Ergänzung

Dieser Werkzeugkasten zur Integration von Anwendungen soll noch in diesem Jahr um den Transaktions-Server "Jaguar CTS" für Java-Komponenten ergänzt werden. In der für 1998 angekündigten Version 12 des Adaptive Server soll das Java-Komponenten-Modell dann auch auf das Datenbanksystem selbst ausgedehnt sein. Dann kann Java wie angestrebt als gemeinsamer Nenner für Entwicklungsumgebung, Transaktionssystem und Datenbank fungieren.

Bislang gilt Sybase als Unternehmen, das der Konkurrenz hinterherlaufen muß. Die in der Vergangenheit von Kritikern vermißte Skalierbarkeit für Mehrprozessorsysteme wurde mittlerweile geschaffen. Dem jetzt vorgestellten Adaptive Server bestätigt Hewlett-Packard mit 39469 TPM-C auf einem 15-Wege-Rechner des Typs HP 9000 V das bislang beste jemals mit dem TCP-C-Benchmark gemessene Ergebnis.

Das für Anwendungspakete unerläßliche Row-Level-Locking fehlt dagegen immer noch. Der zur Adaptive-Server-Vorstellung eingeladene amerikanische Baan-Repräsentant war darüber nicht allzu glücklich. Sein Unternehmen hat im Vertrauen auf die baldige Verfügbarkeit dieser Funktion ein Großprojekt in Mexiko an Land gezogen. Nun, so klagt er, muß Baan mit der Fertigstellung warten, bis der Adaptive Server wahrscheinlich Ende dieses Jahres den Sperrmechanismus auf Tabellenebene beherrscht.

Sybase selbst räumt ein, daß die Versäumnisse der vergangenen Jahre auch auf Arroganz im eigenen Hause zurückzuführen seien. So habe man einst der SAP den Einbau des Row-Level-Locking verweigert und sich damit selbst aus diesem Geschäft ausgeschlossen. Dafür hat Sybase in diesen Jahren die von den Konkurrenten zwar ebenfalls versprochene, aber dann vernachlässigte Verteilung der Datenhaltung ernst genommen. Bislang konnte sich Sybase damit nur eine kleine Marktnische sichern, doch dieses Thema ist im Zeitalter des Internet wieder aktuell geworden.

DB2 Universal Server

Nahezu zeitgleich mit Sybase hat die IBM die Verfügbarkeit von "DB2 Universal Server Database" (DB2 UDB) bekanntgegeben. Das Unternehmen wirbt dafür vor allem mit Internet-Unterstützung, Java-Integration und Skalierbarkeit.

Wie die Konkurrenzsysteme von Sybase, Informix und Oracle kann auch DB2 UDB nichtrelationale Datentypen verwenden. Mitgeliefert werden Felder für Audio, Video, Grafik und Text. Ähnlich wie bei Sybase, anders aber als bei Informix werden diese Objekte in einem eigenen Bereich abgearbeitet. Leistungsbremsende Middleware, wie sie Sybase verwende, sei dabei jedoch nicht vonnöten.

Neben der Datenbanktechnik und der Internet-Integration sieht IBM die Vielzahl der Plattformen als zentralen Wettbewerbsvorteil von DB2 UDB. Das Produkt läuft im unteren Leistungsbereich unter Windows NT, OS/2, SCO-Unix sowie im High-end unter den Unix-Derivaten AIX, HP-UX, Solaris und Sinix. DB2-Daten vom Mainframe lasse sich einbinden. Das Leistungsspektrum umfaßt zudem den Einsatz auf PCs ebenso wie den auf massiv-parallelen Rechnern.

Die Preise reichen von 687 Mark (ohne Mehrwertsteuer) für die Personal Edition bis zu 65100 Mark für die Enterprise Edition mit bis zu vier Prozessoren (für mehr Informationen zu DB2 UDB siehe CW Nr. 36 vom 5. September 1997, Seite 15: "IBMs Universal Database drängt in einen engen Markt").