Strukturwandel

Japans Videospielbranche läuft dem Westen hinterher

22.09.2010
Von pte pte
Die japanische Videospielbranche steckt in einer strukturellen Krise. Mit der Öffnung zum Westen versuchen die Entwickler, an alte Erfolge anzuknüpfen.

War die japanische Videospielindustrie in den 80er und 90er Jahren noch die Geburtsstätte internationaler Hit-Franchises wie Super Mario, Pokémon oder Sonic the Hedgehog, hat sie im vergangenen Jahrzehnt den Anschluss an den Westen verloren. "Ich schaue mich auf der Tokyo Game Show um und sehe überall schreckliche Spiele. Japan liegt mindestens fünf Jahre zurück", urteilt Keiji Inafune, Entwicklungschef beim japanischen Spielehersteller Capcom.

Die wirklich großen und gewinnträchtigen Serien des vergangenen Jahrzehnts finden sich außerhalb Japans. Halo von Microsoft ist hier ebenso zu nennen wie die GTA-Serie von Take-Two oder die Reihe "Call of Duty", die von Activision Blizzard vertrieben wird. Mit "Modern Warfare 2" hat das Unternehmen vergangenes Jahr die Verkaufs-Charts mit 11,86 Millionen Stück in den USA, Japan und England angeführt.

Doch nicht nur die Exporte japanischer Spiele laufen schlecht, auch der Heimatmarkt kriselt. Seit 2007 ist das Marktvolumen um zwanzig Prozent gesunken und liegt dem japanischen Medienkonzern Enterbrain zufolge derzeit bei 6,4 Milliarden Dollar. Im Gegensatz dazu konnte der US-Markt ein Plus von zehn Prozent verzeichnen und liegt nun bei 19,7 Milliarden Dollar, berichtet das Marktforschungsunternehmen NPD.

"Der Unterschied zwischen japanischen und westlichen Spielen besteht darin, dass japanische Spiele eine besondere Form von Eskapismus darstellen. Sie spielen in abgeschotteten Fantasiewelten. Westliche Spiele hingegen setzen mehr auf die realistische Darstellung von Konflikten und Kampfhandlungen", sagt Steffen P. Walz, Games-Berater und Geschäftsführer der Firma sreee, im pressetext-Interview.

Das heißt freilich nicht, dass US-Amerikaner per se gewalttätiger sind als Japaner. "Der Erfolg von Call of Duty beispielsweise hat aber zum Teil sicher auch mit dem Anteil realistischer Gewalt und Physik zu tun", sagt Walz. Im Gegensatz dazu sind viele populäre Spiele aus Japan in ihrer Aufmachung recht Comic-ähnlich, was es bisher vereinfacht hat, sie in unterschiedlichen Kulturen unterzubringen. Die bei Spielern zunehmende Popularität realistischer Kampfhandlungen wird nun aber zum Problem.

Dennoch kämpfen nicht alle japanischen Spielehersteller gegen die Übermacht des Westens. Eine der Ausnahmen ist beispielsweise Nintendo. Dort werden mit innovativen Ideen und den von Walz erwähnten Comic-ähnlichen Spielen nach wie vor weltweit Erfolge erzielt. Allerdings sind so gut wie alle Blockbuster auf Nintendo-Konsolen Eigenentwicklungen des Unternehmens aus Kyoto. Andere japanische Hersteller haben also kaum Anteil an diesem Erfolg.

Mit auf westliche Kunden abgestimmten Spielen will Japans Videospielbranche nun wieder Präsenz auf dem internationalen Parkett zeigen. Dabei reiche es freilich nicht, die Spielfiguren mit blauen Augen auszustatten, sagt Keiji Inafune. Vielmehr versuchen japanische Firmen nun, vom Know-How des Westens zu profitieren. So hat Capcom kürzlich die kanadische Spieleschmiede Blue Castle Games aufgekauft. Zudem wird auch aktiv versucht, japanische Spiele durch über das bloße Übersetzen hinaus gehende Lokalisierung stärker auf westlichen Märkten zu positionieren. (pte)