Japaner werden größten Nutzen aus Konsolidierung ziehen

18.01.1991

Donald C. Bellomy, Leiter des Bereiches Worldwide Market Studies bei der International Data Corporation (IDC)

Im vergangenen Jahr wurde klar, wie und warum die Standardisierung von Betriebssystemen und Computer-Architekturen die schon so lange erwartete Konsolidierung der Computer-Industrie beschleunigen könnte. Die Standardisierung wird sogar schließlich den Hauptgrund für die Verschleppung des Konsolidierungsprozesses beseitigen: untereinander nicht kompatible Systeme.

Die Konsolidierung wird dazu führen, daß die europäischen Anbieter zunehmend schlechter dastehen, während die japanischen Hersteller die großen Gewinner sein werden. Die amerikanischen Computer-Firmen werden den Europäern wahrscheinlich genügend Aufträge wegschnappen, um ihre Marktanteile halten zu können.

Der spektakulärste Konsolidierungsplan des Jahres 1990 war AT&Ts Griff nach NCR, wodurch das eigene Computer-Geschäft unter die Leitung des in Dayton, Ohio, ansässigen Unternehmens gestellt werden soll. Dieser Vorgang ist noch nicht abgeschlossen und seine Auswirkungen sind nicht abzusehen.

Selbst wenn es nicht der geeignete Weg oder der richtige Zeitpunkt ist, wird die Computerbranche wahrscheinlich in ein paar Jahren auf AT&Ts Manöver als den ersten ernsthaften Versuch zurückblicken, die Konsolidierung der DV-Industrie mit Standard-Architekturen voranzutreiben. AT&T argumentiert, daß der Zusammenschluß besonders deshalb sinnvoll sei, weil beide Firmen mit Intel-Mikroprozessoren und Unix arbeiteten.

Tatsächlich sind viele Hersteller durch das verlangsamte Branchenwachstum und die Wünsche der Anwender nach einer Angleichung ihrer Informationstechnik-Plattformen dazu gezwungen, sich auf eine überschaubare Anzahl von Standards zu konzentrieren.

Für sämtliche Mitbewerber bedeutet dies relativ geringe Gewinnspannen bei hohen Umsätzen und Marktpräsenz durch Zusatzleistungen. Diese Faktoren deuten bereits an, daß in den 90er Jahren der Erfolg durch die Unternehmensgröße bestimmt wird, die wiederum nur durch Konsolidierung erreicht werden kann.

Wer wird schließlich von dem Konzentrationsprozeß profitieren? Betrachten wir zunächst das Mißverhältnis von Markt und Anbietern. 1990 betrug das Gesamtvolumen des Marktes für Informations-Technologie (IT) weltweit 305 Milliarden Dollar. Je ein gutes Drittel hiervon verteilten sich auf Europa und die USA, ein Fünftel entfiel auf Japan und weitere zehn Prozent auf die übrigen Herstellerländer.

Dieses Verhältnis wird sich wohl auch in den 90ern nicht entscheidend ändern. Für die nächsten fünf Jahre rechnet die International Data Corporation (IDC) mit einem Verlust von ungefähr drei Prozentpunkten für den gemeinsamen Marktanteil Europas und der USA. Es wird damit gerechnet, daß die meisten neuen Aufträge in Japan gemacht werden.

Größere Veränderungen sind wahrscheinlicher, wenn man die Herkunftsländer der Anbieter betrachtet und nicht die Märkte, in die sie verkaufen.

IDC schätzt, daß 1989, als die US-Firmen nur ein gutes Drittel des IT-Weltmarktes ausmachten, mehr als zwei Drittel (69 Prozent) der Umsätze für Mehrplatz-Systeme (insgesamt 76,6 Milliarden Dollar) in die USA gingen. Im gleichen Zeitraum gingen nach Japan zirka 18 Prozent, was auch dem damaligen Anteil am Weltmarkt entspricht; nach Europa gingen ganze zwölf Prozent und nur ein Prozent in andere Länder.

Es ist jedoch nicht ganz einfach, die Anbieter den entsprechenden Herkunftsländern zuzuordnen. So wurde zum Beispiel jeder Abschluß eines Mitgliedes der Bull-Gruppe Europa angerechnet; Abschlüsse von Hitachi Data Systems oder Amdahl wurden den USA zugeordnet.

Aber diese Ungenauigkeit wird zum Teil durch einen wesentlich schwerwiegenderen Nachteil für europäische Anbieter verursacht, als der gegenwärtig geringe Marktanteil an Mehrplatz-Systemen: Die Basis für die Computer-Technologie eines Anbieters ist die Herstellung von Computern oder grundlegender Komponenten und der Verkauf von Systemen auf OEM-Basis (OEM = Original Equipment Manufacturer). Wenn man Chips und Peripheriegeräte, die an Zwischenhändler und nicht an Endkunden verkauft wurden, einmal außer acht läßt, kommt IDC zu folgendem Ergebnis:

- Der Anteil der USA bei Mehrplatz-Systemen geht von 69 Prozent auf 66 Prozent zurück. Der Grund hierfür liegt wohl hauptsächlich darin, daß die HDS- und Amdahl-Umsätze auf den japanischen Anteil angerechnet wurden.

- Der Anteil der europäischen Anbieter an der Technologie wird lediglich neun Prozent betragen, selbst dann, wenn man die gesamte HN-Entwicklungsarbeit des Bull-Konzerns in den USA den Europäern anrechnet. Der Rückgang von zwölf auf neun Prozent ist zum großen Teil durch die weitere Stärkung japanischer Anbieter im Bereich Mainframes zu erklären, außerdem durch die Stärke amerikanischer Midrange-Systeme, die hier durch OEMs vertrieben werden.

- Die japanischen Hersteller verstärken ihre Anstrengungen, um nicht nur Anerkennung, sondern auch die finanziellen Früchte für ihre technologischen und industriellen Fähigkeiten zu ernten. Aus diesem Grunde ist die 1990 erfolgte Übernahme von ICL durch Fujitsu der zweite wichtige Vorbote der kommenden Konsolidierungsbewegung.

Die Übernahme ist aus zwei Gründen bedeutsam: Zunächst belegt sie im Zusammenhang mit der Mehrheitsbeteiligung von Hitachi an HDS und dem 1989 fehlgeschlagenen Versuch, eine Konsolidierung der europäischen Partnerunternehmen durchzuführen, den erneuten Willen der japanischen Giganten, eine größere Rolle auf den europäischen und amerikanischen Märkten zu spielen. Zum anderen belegt sie die Schwierigkeiten, denen die europäischen Anbieter in den 90er Jahren begegnen werden.

Im Spätherbst gab es Gerüchte über Gespräche zwischen der französischen Regierung und NEC, in denen es angeblich um den Verkauf eines beträchtlichen Anteils von Bull-Anteilen an NEC gegangen sein soll. Von Olivetti wurde behauptet, daß es seinen Geschäftsbereich Mainframes an Hitachi verkaufen wolle, von dem es bisher die Mainframes bezogen hatte. Währenddessen Nixdorf von Siemens geschluckt wurde, bleibt Philips in einer schwierigen Lage.

Es ist fraglich, wie viele europäische Anbieter einer so klaren Zukunft wie Nixdorf und ICL entgegensehen. Aufkäufe oder Zusammenschlüsse innerhalb der nächsten ein bis zwei Jahre sind vor allem aus Japan beziehungsweise mit japanischen Partnern zu erwarten.

Wahrscheinlich ist Siemens der einzige europäische Hersteller, der über genügend technologische und finanzielle Ressourcen verfügt, um seinerseits einen der anderen Europäer zu übernehmen. Eine Konsolidierung unter den schwächeren europäischen Unternehmen scheint nicht praktikabel, da dies bei der gegenwärtigen Lage die Kopfschmerzen nur verstärken würde, die ihnen aus der Abkehr von proprietären Systemarchitekturen entstehen. Bis Mitte der 90er Jahre sind zusehends schlechtere Aussichten für die verbleibenden europäischen Anbieter zu erwarten. Die großen japanischen Hersteller werden eine weitaus bedeutendere Rolle spielen als bisher. 1990 wird also als das Jahr in Erinnerung bleiben, das die ersten Ausblicke auf die Entwicklungen der Computer-Industrie im neuen Jahrzehnt gewährte.