Jahrzehntaufgabe

07.05.1982

Sicherheitsrisiken sehen Datenschutzprofis durch den Einzug der Personal Computer in die Fachabteilungen entstehen. Die Möglichkeit, via Arbeitsplatz-Mikro auf zentrale Dateien zuzugreifen, berge die Gefahr des Datenmißbrauchs in sich. Was für das Telefon im Unternehmen gilt, so die Datenschützer, trifft im wesentlichen auch für den Tischcomputer als Abteilungsrechner zu Wer dran sitzt, nutzt ihn nebenbei für persönliche Zwecke. Der Mikro als Datenklauwerkzeug? Handlich genug wäre er.

Organisatoren fürchten freilich mehr, durch die neue Welle des Personal Computing in großen und mittleren Unternehmen könnte das einheitliche Konzept der zentralen Datenverarbeitung verwässert werden. Die Mikros als wildwucherndes Unkraut, das die aufgeräumte Mainframe-Landschaft verschandelt? Für DV-Zentralisten ein gräßlicher Gedanke, dem man sich allerdings nicht länger in Vogel- Strauß-Manier entziehen kann. Denn die Mikro-Population wächst in einem atemberaubenden Tempo, wobei man noch davon ausgehen kann, daß die Dunkelziffer - das liegt in der Natur der Sache - enorm hoch sein dürfte. Welcher Mikrofetischist beklagt sich schon darüber, wenn die erhoffte Wirkung der Droge "Eigencomputer" nicht eintritt?

Dilemma des DV- Managers: Überfordert, auf sämtliche Benutzerwünsche einzugehen, muß er gleichwohl sicherstellen, daß ihm die wie Pilze aus dem Boden schießenden Klein-Kleinlösungen organisatorisch nicht aus dem Ruder laufen. Eine Jahrzehntaufgabe. Logisch, daß das Thema "Verteilte Datenverarbeitung mit Personal Computern" immer brisanter wird. Nur wenige DV-Chefs können vorurteilslos darüber sprechen. Das Wissen um ihr Problem (siehe oben) ist mit Schuldgefühlen belastet, die Mikros lange Zeit nicht ernst genommen zu haben. Doch für eine vernünftige Reaktion ist es nicht zu spät, zumal vorerst lediglich Halbgarheiten in der Diskussion sind.

Grundfalsch wäre es, nun das Kind mit dem Bade ausschütten zu wollen, nämlich dem Jedermann-Computer "alles" zuzutrauen.

So sehr es vielen Sachbearbeitern und Fachbereichsleitern in den Fingern juckt, ihre jeweiligen Anwendungen auf autonomen Mikrocomputern vor Ort zu fahren und "persönliche" Datenbanken anzulegen - vor den Installationserfolg haben die DV-Anbieter auch hier den Trainingsschweiß gesetzt. Und wer will sich schon gerne plagen, selbst wenn's um die eigene Menüwahl geht. Will sagen: Bei aller Popularität, die das Personal Computing bereits genießt, kämpfen die Mikrohersteller noch mit erheblichen Akzeptanzsorgen. Das Basiswissen fehlt in erster Linie ein Problem der schulischen Ausbildung der zukünftigen Anwender.

So liefert allzu großer Mikrofrust bei den DV- Spezialisten nur eine Begründung, Entwicklungen im Bereich des Distributed Data Processing und der Bürokommunikation entgegenzuwirken, die ohnehin nicht kommen werden.

Die Praxis hat gezeigt, daß "Jeder-mit-jedem-Kommunikation" kein unumstößliches Dogma ist. Unternehmenshierarchien lassen sich nicht so mir nichts, dir nichts auf den Kopf stellen, als optimal erkannte Organisationsstrukturen nicht so ohne weiteres umkrempeln. Nicht alles, was sich im Zwischenmenschlichen abspielt, muß schon deshalb (kommunikationstechnisch) verlustreich sein, weil kein Computer dabei ist.

Das bedeutet: Die neuen Technologien der Bürokommunikation werden sich nur dort durchsetzen, wo sie den Sachbearbeiter bei der Ausführung seiner Aufgaben unterstützen. Eine Analogie zur "Factory of the Future", in der Roboter den Menschen ersetzen, gibt es nicht.