Datenerfassung auf dem Weg zum Sachbearbeiter

Jährlich 2 Milliarden umsonst?

02.04.1976

KÖLN - "Es ist eigentlich unsinnig, bereits durch den Sachbearbeiter auf Ablochbelegen erfaßte Daten durch andere Personen nochmals - bei der Codierung - erfassen zu lassen" kritisierte G. Eisele (Philips Data Systems) die DE-Praxis. Bei der AWV-Fachtagung "Organisation und Technik im modernen Büro" rechnete er vor, daß für die Datencodierung in der Bundesrepublik jährlich etwa 2 Milliarden Mark nicht unbedingt sinnvoll ausgegeben würden.

Konsequenzen - nach Eisele - aus dem unbefriedigenden Ist-Zustand, bei dem die Trennung von Datensammlung und -codierung überwiegt: Komplexe DV-Anwendungen wie Datenbank- und Dokumentationssysteme können nicht mit den erforderlichen Daten versorgt werden, weil es an Codierkapazität fehlt; bei zeitkritischen Anwendungen ist die Aktualität durch den Codierschritt gefährdet; kostenkritische Anwendungen können nicht realisiert werden, wenn sie eingabeintensiv sind.

Anwendern, die nicht in einem einzigen radikalen Schritt zur Sachbearbeiter-Datenerfassung übergehen wollen, empfiehlt Eisele einen Dreistufen-Plan:

1. Ablösung der nichtprogrammierbaren Erfassungsgeräte wie Locher und Magnetbanderfassungsplätze durch programmierbare Datensammelsysteme, die Plausibilitätskontrolle, Abstimmung, Duplizierung, Tabellen- und Konstantengenerierung erlauben. Da lediglich die Verarbeitungsprogramme auf Bandeingabe umzustellen und die Eingabeformate für das DSS festzulegen sind, ergeben sich kaum Umstellungsrisiken. Zu erreichen ist jedoch eine Leistungssteigerung von 20 bis 35 Prozent beim Codierpersonal, Wegfall der Lochkarten und der Übergang auf moderne, geräuschlose Arbeitsplätze.

2. Zusammenlegen von Datensammlung und -codierung Hierzu wird zunächst ein einzelner Erfassungsplatz des Datensammelsystems an den Datenursprung verlegt, nämlich zum Sachbearbeiter in die Fachabteilung. Zwar hat sich in der Praxis gezeigt, daß anfangs eine gewisse Abneigung gegen "Tastaturarbeit" zu beobachten ist - da aber verschiedene Datensammelsysteme auch die Möglichkeit bieten, Kunden- oder Artikeldateien zu pflegen, ergeben sich für den Sachbearbeiter auch neue Quellen schneller Information. Der Sachbearbeiter schätzt diesen Komfort - und nimmt die Datenerfassung als notwendiges Übel in Kauf. Nachdem die Einführung des ersten Platzes geglückt ist, können schrittweise weitere DE-Plätze ausgelagert werden - im Extremfall bis zur Auflösung des ganzen "Lochsaales". Da bei der Erfassung durch Sachbearbeiter im allgemeinen mehr DE-Plätze benötigt werden als bei zentraler Erfassung, schrecken Organisatoren häufig vor den damit verbundenen Kosten zurück (Monatsmiete pro Platz etwa 550 Mark). Durch den Wegfall der Datentypistinnen verbleiben aber immer noch Nettoersparnisse. Der Sachbearbeiter wird nicht zusätzlich belastet, da die Erstellung eines Ablochbeleges ungefähr gleichviel Aufwand verursacht wie - nach Einarbeitung - die Direkteingabe über Tastatur.

3. Sobald die Sachbearbeiter an die Datenerfassung gewöhnt sind, ist ein Übergang zu Online-Systemen oder "intelligenten" Datensammelsystemen ohne Schwierigkeiten möglich. -py

Tendenzen bei der Datenerfassung

Nach Ansicht von G. Eisele (Philips) zeichnen sich bei der Datenerfassung folgende Tendenzen ab: Ausbau der Datensammelsysteme zu "Quasi-Online-Systemen" als preiswerte, wenig programmintensive Alternative zu echten Online-Systemen. Erforderlich sind Plattenkapazitäten über 60 MB, größere Bildschirmkapazitäten, Datenfernübertragung, leistungsfähige, aber leicht erlernbare Macrosprache und eine-index-sequentielle Dateiverwaltung parallel zur Datenerfassung.

Einbeziehung von MDT-Systemen in die Datenerfassung. Erforderlich ist eine zufriedenstellende Lösung der Datenträgerkonvertierung (Platte, Floppy, Kassette auf computer-kompatibles Magnetband).

Einsatz der optischen Beleglesung.

Erforderlich ist noch eine Erhöhung der Lesesicherheit, die jedoch in zwei bis drei Jahren so gut sein dürfte, daß mit breitem Einsatz zur handschriftlichen Datenerfassung am Ursprung gerechnet werden kann.

Einsatz von anwendungsspezifischen Online-Systemen. Infrage kommen beispielsweise Bank- und Betriebsdatenerfassungssysteme sowie Kassen-Terminals (POS).

Forcierung des Datenträgeraustausches. Man wird es sich in Zukunft kaum noch leisten können, bereits erfaßte Daten in anderen Unternehmen nochmals zu erfassen.

Vokale Dateneingabe mit maschineller Spracherkennung. Derzeit noch Zukunftsvision - vor 1985 nicht zu erwarten.