Polizeiliche Kriminalitätsstatistik 2001

IuK-Delikte nahmen überdurchschnittlich zu

26.04.2002
Anfang März hat das bayerische Innenministerium die Zahlen der Bayerischen Kriminalitätsstatistik 2001 vorgestellt, die als repräsentativ für Deutschland gelten. Die Straftaten erhöhten sich über alle Deliktsbereiche hinweg um drei Prozent. Bei der IuK-Kriminalität hingegen war ein Anstieg von 18,3 Prozent zu verzeichnen. Von Hans-Jürgen Stenger*

Das vergangene Jahr war von einem erneuten Anstieg der IuK-Kriminalität geprägt. Im Jahr 2001 wurden in Bayern insgesamt 165 Straftaten des Ausspähens von Daten registriert. Bei 69 Fällen im Vorjahr entspricht dies einer Zunahme um 96 Fälle oder um 139,1 Prozent. Das Gesetz schützt dabei nur fremde Daten, die gegen unberechtigten Zugang besonders gesichert sind. Beim so genannten Innentäter (Mitarbeiterkriminalität) oder bei frei zugänglichen Daten greift diese Strafvorschrift nicht.

Vermutlich hohe Dunkelziffer bei ComputersabotageDie Fälle der Datenveränderung und der Computersabotage haben im Vergleich zum Vorjahr um 79,3 Prozent auf 147 Delikte zugenommen. Diese Steigerungsraten klingen dramatisch. Die absoluten Zahlen erscheinen in Anbetracht von Millionen Computern in der Wirtschaft, in Behörden und Privathaushalten allerdings vernachlässigbar. Das Dunkelfeld muss hierbei jedoch als sehr hoch eingeschätzt werden. Insoweit zeigt die Polizeiliche Kriminalstatistik lediglich eine Tendenz auf.

Der Computerbetrug mittels rechtswidrig erlangter Karten für Geldausgabe- und Kassenautomaten war 2001 seit dem Beginn der Zählung im Jahre 1994 mit 3365 Fällen erstmals rückläufig. Die relativ hohe Zahl der Straftaten muss im Zusammenhang mit der Anzahl der EC- und Kreditkarten und der Vielzahl von Umsätzen an Tausenden von Geldausgabeautomaten und elektronischen Kassen gesehen werden. Die Kreditwirtschaft gibt den entstandenen Schaden mit weniger als 0,1 Prozent des Umsatzes an.

Die dramatische Steigerung um 170,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr beim Computerbetrug von 716 auf insgesamt 1940 Fälle wird im Wesentlichen auf eine große Zahl von (vermeintlich) betrügerisch arbeitenden Sex-Dialern zurückgeführt (siehe Kasten "Sex-Dialer"). Letztlich werden diese Fälle wegen fehlender Strafbarkeit jedoch mehrheitlich eingestellt.

Der statistisch ausgewiesene Betrug mit Zugangsberechtigungen zu Kommunikationsdiensten zählt beispielsweise Missbräuche durch wiederaufgeladene Telefonkarten oder widerrechtlich freigeschaltete Telefonleitungen von Telefonanlagen auf. Vor allem in den Fällen des Missbrauchs von Telefonanlagen wird ein hohes Dunkelfeld vermutet, weil das geschädigte Unternehmen den Sachverhalt nur selten anzeigt oder durch fehlende oder unzureichende Controlling-Maßnahmen den Missbrauch gar nicht bemerkt. In Einzelfällen kann sich der Schaden für das betroffene Unternehmen jedoch auf mehrere hunderttausend Euro belaufen.

In der Polizeilichen Kriminalstatistik sind die Fälle der Softwarepiraterie bei der Spielesoftware mit minus 25,7 Prozent beziehungsweise minus 53,1 Prozent im gewerblichen Bereich deutlich rückläufig. Als Ursache für den erheblichen Rückgang wird allerdings weniger ein zunehmend sensiblerer Umgang mit urheberrechtlich geschützter Software durch den Anwender als vielmehr eine starke Bindung polizeilicher Ermittlungs- und Untersuchungskapazitäten durch die Dialer-Thematik vermutet.

Straftaten gegen das Landes- oder Bundesdatenschutzgesetz werden bei den Datenschutzdelikten gezählt. Die niedrige Zahl von 26 registrierten Straftaten erklärt sich aus der Erfahrung, dass tateinheitlich meist schwerwiegendere Straftaten begangen und statistisch dann nur die letzteren gezählt werden.

Verrat von Geschäftsgeheimnissen ist nach wie vor problematischIn den vergangenen Jahren haben stets die Delikte im Zusammenhang mit dem Besitz und der Verbreitung kinderpornografischer Schriften zugenommen. So ist auch in der Polizeilichen Kriminalstatistik 2001 eine Zunahme um 22,3 Prozent auf 274 Straftaten festzustellen. Ein hoher Anteil der Taten wird mit Hilfe von Internet-Diensten (www, FTP, IRC) begangen. Nach wie vor ist in der Öffentlichkeit nicht bekannt, dass bereits der Besitz kinderpornografischer Schriften empfindlich bestraft wird.

Straftaten des Verrats von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen werden statistisch unterschieden in Straftaten durch den Beschäftigten (Paragraph 17 Abs. 1 UWG) und den Beschaffer beziehungsweise Verwerter (Paragraph 17 Abs. 2 UWG). Interessant ist die Abnahme der Straftaten durch den Innentäter um 41,8 Prozent, während gleichzeitig die Straftaten durch den Beschaffer/Verwerter um 78,9 Prozent zugelegt haben. Wegen der niedrigen Zahl der absoluten Fälle ist eine Bewertung allerdings erst bei Vorliegen der Bundeskriminalstatistik (voraussichtlich Anfang Mai) sinnvoll.

Kreditkartenbetrug weist hohe Steigerungsrate aufIm Deliktsbereich des Warenkreditbetrugs wird ein hoher Anteil von Internet-Straftaten vermutet. Hier hat sich die Tendenz des Vorjahres mit einer überdurchschnittlichen Steigerung auf nunmehr 19 492 gezählte Delikte fortgesetzt. Ungeklärte Kreditkartenumsätze mit geschäftlich wie privat genutzten Karten sind ein erstes Indiz für eine missbräuchliche Nutzung von Kreditkartendaten. Belege über Kreditkartenumsätze gehören daher nicht in den Papierkorb. Missbräuche fallen nur auf, wenn die Umsätze auch kontrolliert werden. (ajf)

*Hans-Jürgen Stenger ist Leiter des Sachgebietes Forensische IuK im Bayerischen Landeskriminalamt, München.

Linkswww.dialerhilfe.de

www.dialerschutz.de

www.fst-ev.org

IuK-Kriminalität in BayernDeliktsbezeichnung und Strafnorm / erfasste Fälle 2001 / 2000 / Veränderung in Prozent

Iuk-Kriminalität im engeren Sinn1. Ausspähen von Daten - § 202a StGB / 165 / 69 / 139,12. Datenveränderung, Computersabotage - §§ 303a, 303b StGB / 147 / 82 / 79,33. Computerbetrug - § 263a StGB3.1 Computerbetrug mittels rechtswidrig erlangter Karten für Geldausgabe- beziehungsweise Kassenautomaten / 3365 / 3591 / -6,3 3.2 sonstiger Computerbetrug / 1940 / 716 / 170,94. Betrug mit Zugangsberechtigungen zu Kommunikationssystemen / 229 / 110 / 108,25. Fälschung beweiserheblicher Daten, Täuschung im Rechtsverkehr bei Datenverarbeitung - §§269, 270 StGB / 8 / 26 / -69,2 6. Softwarepiraterie6.1 Softwarepiraterie (private Anwendung, z. B. Computerspiele) / 398 / 536 / -25,76.2 / Softwarepiraterie in Form gewerbsmäßigen Handelns / 121 / 258 / -53,1

Gesamt / 6373 / 5388 / 18,3IuK-Kriminalität im weiteren Sinn

7. Datenschutzdelikte / 26 / 16 / 62,58. Besitz/Verschaffen von Kinderpornographie - § 184 Abs. 5 StGB / 274 / 224 / 22,39. Verrat von Betriebsgeheimnissen9.1 im Sinne § 17 Abs. 1 UWG / 32 / 55 / -41,89.2 im Sinne § 17 Abs. 2 UWG / 68 / 38 / 78,910. sonstiger Warenkreditbetrug / 19492 / 18051 / 8,0

Quelle: Polizeiliche Kriminalstatistik 2001

"Sex-Dialer"Der Umfang der betrügerischen Verwendung von so genannten Dialern kann aus der Polizeilichen Kriminalstatistik nicht erkannt werden. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die außergewöhnliche Zunahme der Fälle des Computerbetrugs von 716 Straftaten im Jahr 2000 auf 1940 Straftaten im Jahr 2001 auf die betrügerische Verwendung von Dialern zurückgeht.

Dialer sind kleine Programme zur Abrechnung von "Premium Rate Services" mit den Vorwahlbereichen 0190 und 0900. In erster Linie werden über die Dialer erhöhte Verbindungsentgelte zu Sex-Sites in Höhe von meist 1,84 Euro pro Verbindungsminute abgerechnet, woher sich die Bezeichnung "Sex-Dialer" abgeleitet hat.

Üblicherweise wird der Nutzer in deutscher Sprache auf die Kosten solcher Dienste ausdrücklich hingewiesen und nach dem Nutzungsende die ursprüngliche Standardverbindung wieder hergestellt. Stehen die Inhalte nicht in einem auffälligen Missverhältnis zur erbrachten Leistung, ist kein strafbares Verhalten erkennbar.

Seit einigen Wochen sind jedoch vermehrt Dialer im Umlauf, die sich unbemerkt installieren und Kosten für leere Seiten oder Entgelte von bis zu 300 Euro je Verbindung erheben, die in auffälligem Missverhältnis zur angebotenen Leistung stehen. In diesen Fällen ist stets von einem betrügerischen Vorgehen - strafbar als Vergehen des Betrugs (Paragraph 263 Strafgesetzbuch) beziehungsweise Computerbetrugs (Paragraph 263a Strafgesetzbuch) - oder vom Tatbestand des Wuchers (Paragraph 291 Strafgesetzbuch) auszugehen.

Die Deinstallation unerwünschter Dialer erfordert gelegentlich Eingriffe in das System. Wird eine Strafanzeige erstattet, sollte der Dialer erst deinstalliert werden, nachdem die Polizei die Beweise gesichert hat. Hilfreich sind die Angaben über den Dialer-Namen, die vom Dialer angewählte Rufnummer oder die Web-Adresse, über die der Dialer aufgerufen wurde.

Unter anderem werden folgende Maßnahmen empfohlen:

- Installation und Update einer persönlichen Firewall und mindestens eines Antivirenprogramms auch auf Home-PCs.

- Installation eines Dialerschutzprogramms (beispielsweise www.smartsurfer.web.de).

- Aufklärung über die Funktionsweise von Dialern.

- Deinstallation nicht benötigter ISDN-Karten bei der Nutzung von DSL (Gefahr der unbemerkten Installation von CAPI-Dialern).

- Gegebenenfalls Sperrung von 0190-, 0192- und 0193-Rufnummern bei der Telekom (kostenpflichtig).