CeBIT-Rundgang: In Sachen IA64 nicht viel Neues

Itanium-Entwicklung kommt nicht voran

16.03.2001
Nach einer Wartezeit von fast drei Jahren auf Intels ersten 64-Bit-Prozessor hat sich die Euphorie um die "Intel-Architecture 64" (IA64) des kalifornischen Chipherstellers verständlicherweise gelegt. Die große Marktpremiere, wie sie Intel sonst für seine neuen Prozessoren inszeniert, ist beim "Itanium" nach wie vor nicht in Sicht. Doch trotz der Verzögerungen bleiben Intels Verbündete bei der Stange. Software- wie Hardwarehersteller arbeiten mit Hochdruck an IA64-fähigen Produkten. Erste Ergebnisse sind auf der CeBIT 2001 zu sehen. CW-Bericht, Martin Bayer

In diesem Jahr will Intel sein IA64-Projekt endlich abschließen. Nach der ursprünglichen Roadmap sollte der unter dem Code-Namen "Merced" entwickelte Prozessor bereits im Jahr 1999 herauskommen. Seitdem verschob sich die Premiere immer weiter nach hinten. Anfang letzten Jahres verlautete aus der Intel-Zentrale, der Itanium werde im Laufe der zweiten Hälfte 2000 seine Marktreife erlangen. Doch die Manager enttäuschten die wartende Intel-Gemeinde ein weiteres Mal. Nach der offiziellen Prognose aus dem Hauptquartier in Santa Clara soll der Itanium jetzt bis Mitte des Jahres in die Serienfertigung gehen.

Tests verzögern den StartIntel nimmt es mit dem Testen beim Itanium offenbar sehr genau. Denn damit erklärt der Chiphersteller die lange Verzögerung der Premiere des 64-Bit-Prozessors. Doch die Halbleiter-Company werde mit dem Itanium bald herausrücken müssen, um nicht allen Kredit bei den Anwendern zu verspielen, warnt Nathan Brookwood, Analyst von Insight 64. Zwar sei Intel gut beraten, seine neue Prozessorgeneration ausgiebig zu testen, aber man wisse bis jetzt noch nichts darüber, wie diese Tests verlaufen sind, da alle Teilnehmer einer strengen Schweigeverpflichtung unterworfen seien. Das sorge für zusätzliche Verunsicherung unter potenziellen Anwendern, argwöhnt der Marktforscher.

Auch die Konkurrenz setzt Intel zunehmend unter Druck. Die Hersteller der verschiedenen Risc-Prozessoren verspüren Aufwind und arbeiten an neuen Generationen ihrer seit Jahren bewährten Chip-Familien. So hat beispielsweise Hewlett-Packard, Mitbegründer der IA64-Initiative Intels, angekündigt, seine "PA-Risc"-Chips bis zur Generation 8900 weiterzubauen. Auch IBM mit den "PowerPC-4"-Chips und Sun mit den neuen Ultrasparc-III-Prozessoren arbeiten mit Hochdruck an neuen, leistungsstärkeren Prozessoren. Und zuletzt hat auch Compaq mit dem "Alpha 21264" einen neuen 64-Bit-CPU vorgestellt.

Zwar sind auch im Risc-Umfeld Verspätungen von Monaten oder gar Jahren keine Seltenheit, doch die erwähnten Firmen haben einen entscheidenden Vorteil gegenüber Intel. Sie bauen auch die Server, in denen die Prozessoren zum Einsatz kommen. Intel dagegen muss die Computerhersteller erst überzeugen, die IA64-Prozessoren einzusetzen. Je länger die Chip-Company das Debüt des Itaniums hinauszögert, desto eher werden die Server-Hersteller auf altbewährte Plattformen setzen.

Doch auch die eigene Roadmap setzt Intel unter Druck. So sollte eigentlich in diesem Jahr schon der Itanium-Nachfolger "McKinley" auf den Markt kommen. Branchenkenner befürchten schon, der Itanium werde zur reinen Technologiestudie degradiert und diene nur mehr dafür, seinem Nachfolger den Weg zu ebnen.

Server-Hersteller warten abAuch von Seiten mancher Server-Hersteller ist zu hören, man wolle lieber auf die zweite IA64-Generation warten, auch in der Hoffnung, dass dann die zu erwartenden Kinderkrankheiten ausgeräumt sind. Doch mit der Verspätung des Itanium verschiebt sich auch die Einführung des McKinley nach hinten. Zwar sollen erste Testmuster nach Intel-Plänen noch in diesem Jahr die Labors verlassen, doch die Serienproduktion werde erst Ende 2002 anlaufen, heißt es.

Intel würde sein Gesicht verlieren, sollte der groß angekündigte Itanium als Versuchskaninchen für den McKinley enden. Trotzdem steht der IA64-Chip auch auf der diesjährigen CeBIT nicht im Mittelpunkt des Interesses. Zwar stehen viele Unternehmen, darunter Hewlett-Packard, Compaq, IBM und Dell hinter der 64-Bit-Architektur ihres Lieferanten, doch mit konkreten Produkten halten sie sich bislang noch zurück. Bei folgenden Herstellern können Sie sich über die neuesten Entwicklungen und Produkte rund um Intels Itanium-Plattform informieren.

Preview des ItaniumIntel (Halle 11, Stand B48) zeigt die ersten Itanium-Chips mit Taktraten von 733 und 800 Megahertz, die im Laufe des Jahres auf den Markt kommen. Der L3-Cache bietet eine Speicherkapazität von 2 beziehungsweise 4 MB. Basis des Prozessors bildet Intels so genannte Explicity-Parallel-Instruction-Computing-(EPIC-)Technik. Damit könne der 64-Bit-Prozessor laut Intel mehr Befehle parallel abarbeiten und sei damit schneller als vergleichbare Risc- und Cisc-Architekturen.

Intel hat nach den Worten von Ron Curry, Marketing Direktor für den IA64-Bereich, über 5000 Itanium-Prototypen Softwareentwicklern zur Verfügung gestellt, damit sie entsprechende Applikationen für die Intel-Plattform schreiben. Außerdem hätten die Computerhersteller bereits damit begonnen, Pilotsysteme an einzelne Kunden auszuliefern.

Die Verzögerungen bei der Entwicklung des Itaniums erklärt Günther Jünger, Geschäftsführer Intel Deutschland, mit den komplexen Anforderungen an den neuen Chip, was zum Beispiel Zuverlässigkeit und Präzision anbelangt. Um diese Ziele zu erreichen, habe man dann doch mehr Zeit gebraucht, als ursprünglich veranschlagt.

Highend im FokusIntel spricht mit dem Itanium-Chip den Server-Markt sowie das Geschäft mit leistungsstarken Workstations für grafische und wissenschaftliche Applikationen an. Vor allem Anwendungsgebiete wie große Datenbanken, Supply Chain Management (SCM), Enterprise Resource Planning (ERP) und Customer Relationship Management (CRM) profitierten nach Ansicht der Intel-Entwickler von der neuen Prozessorarchitektur.

Die Verantwortlichen bei Intel hoffen, mit ihrer IA64-Architektur in den nächsten Jahren den Vorsprung der Risc-Plattformen wettzumachen. Diesen Optimismus wollen die Marktforscher nicht teilen. In einer Gartner-Studie gehen Analysten davon aus, dass der Itanium nur als Eintrittskarte für das 64-Bit-Computing diene. Viele IT-Manager würden Itanium-Rechner vorerst nur einsetzen, um die neue Intel-Architektur zu testen. Sie wollen herauszufinden, welche Vorteile IA64 für die eigene IT-Infrastruktur bringe.

IBM (Halle 1, Stand 5d2) hat unter dem Codenamen "Rattler" eine Itanium-Workstation entwickelt. Der Rechner soll im Highend-Bereich der "Z-Pro"-Workstation-Reihe angesiedelt sein. Laut IBM-Plänen wird das IA-64-System gleichzeitig mit dem offiziellen Start des Itanium-Chips auf den Markt kommen. Die Workstation, die mit maximal zwei Prozessoren arbeitet, soll unter Windows 2000 laufen. Daneben plant Big Blue Versionen mit Linux-Systemen. Ferner will der Hersteller für den Rechner auch das speziell für die IA-64-Plattform entwickelte Betriebssystem "AIX5L" anbieten, das er unter dem Codenamen "Monterey" entwickelt hat. Daneben arbeiten die Armonker mit verschiedenen Anbietern von Peripheriegeräten, zum Beispiel Grafikkarten, zusammen, um sicherzustellen, dass sich die Treiber portieren lassen.

Nach Angaben von IBM sind bereits über 200 Anwendungen für die IA64-Plattform getestet und zertifiziert. Der Erfolg der neuen Rechnergeneration werde nicht dadurch eintreten, dass man die Hardware auf den Markt bringe, sondern es müssten in erster Linie auch die Applikationen für die neue Rechnergeneration verfügbar sein, erläutert Produkt-Manager Rick Rudd.

IBM schmiedet bereits weitere Pläne mit dem Itanium. So will man im Sommer dieses Jahres im US-amerikanischen National Center for Supercomputing Applications (NCSA) ein Cluster aus 160 Itanium-basierten Servern aufbauen.

Das System soll unter Turbo Linux laufen und zusammen mit einem Cluster-System aus über 500 Rechnern mit auf einem Gigahertz getakteten Pentium-III-Prozessoren an Berechnungen zu Albert Einsteins Relativitätsatheorie arbeiten. Das Gesamtsystem soll eine Leistung von zwei Teraflops erreichen.

Hewlett-Packard (HP) (Halle 1, Stand 7i2) hält sich bislang noch sehr bedeckt, was die Entwicklung von Itanium-Rechnern betrifft. Vorerst scheint sich der Hersteller auf Vertragspartner zu verlassen. So will HP den Itanium-Server "Azusa" von NEC unter eigenem Namen vertreiben. Das vereinbarten die zwei Unternehmen bereits im Oktober letzten Jahres. Die 16-Wege-Maschine wird ihren Platz in der "HP9000"-Serie finden. Als Betriebssystem soll eine auf die IA64-Architektur angepasste Variante des eigenen Unix-Derivats "HP-UX" dienen.

HP hält sich zurückBeobachter vermuten, dass HP erst mit dem zweiten IA64-Prozessor, dem McKinley, richtig auf den Zug aufspringt. Vorsichtige Äußerungen von Manfred Willem, Marketing-Manager für den Bereich Technical Computing, belegen eine gewisse Zurückhaltung. Es sei ganz normal, dass der erste Prozessor einer neuen Architektur nie der schnellste sein könne, so Willem.

HP beteiligt sich aber an der Entwicklung von Applikationen für die 64-Bit-Plattform. So bieten die Kalifornier beispielsweise ein Entwicklerpaket an, mit dem sich Linux-Applikationen für Itanium-Rechner entwerfen und testen lassen. Dazu gehört ein IA64-Linux-Simulator, der die 64-Bit-Funktionalität auf einem herkömmlichen 32-Bit-System emulieren kann.

Fujitsu-Siemens Computers (FSC) (Halle 1, Stand 5e2) plant, die IA64-Prozessoren in den Servern der "Primergy"-Reihe und in seiner "Celsius"-Workstation-Familie einzusetzen. Das erste Modell, das mit einem Itanium ausgestattet sein wird, soll die Workstation "Celsius 880" sein. Weitere Details sind nicht bekannt.

Unisys (Halle 1, Stand 7f6) will seine Highend-Server "ES7000" mit dem Itanium-Chip ausstatten. Bislang arbeiten die Rechner mit bis zu 32 Pentium-III-Xeon-Prozessoren. Die Einheiten sind über eine so genannte Cellular-Multiprocessing-(CMP-)Technologie zusammengeschaltet. Der Hersteller verwendet in den Systemen Prozessor-Boards, die mit jeweils vier CPUs bestückt sind. Vorhandene ES7000-Systeme sollen sich durch Austausch der Platinen aufrüsten lassen.

Compaq (Halle 1, Stand 4h2) wird in der ersten IA64-Runde auf die Systeme von Unisys setzen. Als OEM-Partner will Compaq Itanium-basierte ES7000-Server anbieten. Daneben arbeiten die Texaner an einer Rechnerreihe mit dem Codenamen "Blazer". Die Systeme sollen mit einem Linux-Betriebssystem für 64 Bit laufen.

Bull (Halle 2, Stand C18) verlässt sich wie auch HP auf das IA64-Know-how des japanischen Herstellers NEC. Der zuletzt arg gebeutelte französische Hersteller wird den Itanium-Server Azusa in sein Enterprise-Server-Angebot aufnehmen. Der 16-Wege-Server soll unter dem Betriebssystem "AIX5L" laufen.

Hitachi (Halle 12, Stand D06) testet seit Herbst letzten Jahres einen Server-Prototyp mit Itanium-Prozessoren. Die Maschine arbeitet mit acht auf 733 Megahertz getakteten Itanium-Chips. Der Arbeitsspeicher ist mit 16 GB bestückt. Zwei Festplatten mit je 36 GB bieten eine Gesamtspeicherkapazität von 72 GB. Als Betriebssystem setzen die Japaner das 64-Bit-Windows von Microsoft sowie die IA64-Linux-Variante von Turbo Linux ein.

NEC verbindet cc-Numamit ItaniumDer japanische Hersteller NEC (Halle 13, Stand C56) hat mit dem Azusa-Server einen Itanium-basierten Rechner entwickelt, der mit dem eigens für die IA64-Architektur konzipierten "Aqua"-Chipsatz arbeitet. Er basiert auf dem "80460 GX"-Chipsatz von Intel, der jedoch bislang nur Vier-Wege-Maschinen unterstützt. Im Azusa-Rechner haben die Japaner zwei Aqua-Chipsätze über eine "cc-Numa"-Architektur zusammengeschaltet (Numa steht für Non Uniform Memory Access). Da jeder Chipsatz mit bis zu acht Prozessoren arbeitet, lässt sich das System maximal mit 16 Prozessoren bestücken.

Workstation-Spezialist SGI (Halle 21, D40) zeigt ein "Beowulf"-Rechner-Cluster mit acht Knoten und insgesamt 16 Itanium-CPUs. Das System läuft unter der für IA64 angepassten Linux-Distribution von Turbo Linux. SGI-eigene Software wie der "Pro 64 Compiler", das Advanced Cluster Environment (ACE) sowie Administrations-Tools sind an die 64-Bit-Welt angepasst.

Der Nürnberger Linux-Vertreiber Suse (Halle 3, Stand E45) baut seine jüngste Distribution auf der Linux-Kernel-Version 2.4 auf. Neben herkömmlichen 32-Bit-Rechnern unterstützt der aktuelle Linux-Kern auch IA64. Außerdem läuft Suses Linux auf Multi-Prozessor-Maschinen. Demzufolge soll das Betriebssystem zukünftig mit bis zu 32 Prozessoren arbeiten. Allerdings konnten bislang Tests nur auf Vier- und Acht-Wege-Servern gefahren werden.

Eigene Red-Hat-VarianteAuch der Linux-Distributor Red Hat (Halle 3, Stand C66) entwickelt eine eigene Variante des Open-Source-Systems für IA64. Erste Versionen davon lassen sich von der Web-Seite des Anbieters herunterladen. Das endgültige Red-Hat-Linux für IA64 soll gleichzeitig mit dem offiziellen Launch des Itanium vorgestellt werden.

Microsoft (Halle 2, Stand D02) arbeitet seit Jahren eng mit Intel zusammen, unter anderem auch an der Entwicklung eines 64-Bit-fähigen Betriebssystems. Eine 64-Bit-Variante von Windows 2000 liegt bereits seit Ende letzten Jahres in den Schubladen der Redmonder Entwickler. Nach den bisher bekannten Plänen Microsofts wird es zwei Varianten des 64-Bit-Windows geben: eine Workstation- und eine Server-Version. Sie sollen auf den Markt kommen, wenn die Rechnerhersteller ihre ersten Itanium-Systeme vorstellen.

Zusammen mit den 5000 Itanium-Testsystemen hat Microsoft seine 64-Bit-fähige Windows-Version an die Softwareentwicklergemeinde verschickt, damit zum Erscheinen der neuen Computergeneration auch die notwendigen Windows-Applikationen verfügbar sind. Laut Microsoft-Chairman Bill Gates funktionierte die Windows-Umstellung von 32 auf 64 Bit problemlos.