Das große Gründer-Roundtable

IT-Startup-Wüste Deutschland?

22.06.2010
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.

6. Das Geld fehlt

Vor allem in der Startphase bekommen die Startups in Deutschland wenig Geld, belegt eine Statistik des Bundesverbands Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften.
Vor allem in der Startphase bekommen die Startups in Deutschland wenig Geld, belegt eine Statistik des Bundesverbands Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften.

Das notwendige Startkapital aufzubringen ist offensichtlich eine der größten Hürden für Unternehmensgründer hierzulande. "Deutschland hat das Prinzip der Risikokapitalfinanzierung nicht verstanden", kritisiert Forrester-Analyst Ried. Die Investitionsprioritäten lägen hierzulande vor allem auf den späteren Phasen der Firmenentwicklung. Im Vergleich zu den USA werde in Deutschland zu wenig in die Seed- und Early-Stage-Phase von Gründungen investiert. Liegt der Anteil der Frühfinanzierungen des gesamten Risikokapitals in den USA bei immerhin rund einem Viertel, sind es in Deutschland nicht einmal fünf Prozent. Hierzulande müssten Firmengründer ihr Unternehmen im Prinzip genauso finanzieren wie beispielsweise ihr Eigenheim, stellt Ried fest. "Das macht ein schnelles Wachstum unmöglich." MBWP-Geschäftsführer Rudolph sieht es ähnlich: "Deutschland hinkt 30 Jahre hinterher."

Carsten Rudolph, MBPW: "Die Szene der Frühfinanzierer gibt es in Deutschland leider gar nicht. Wir sind an dieser Stelle Entwicklungsland."
Carsten Rudolph, MBPW: "Die Szene der Frühfinanzierer gibt es in Deutschland leider gar nicht. Wir sind an dieser Stelle Entwicklungsland."
Foto: Joachim Wendler

In den Jahren vor der Jahrtausendwende hatte es noch den Anschein, als ob die Risikokapitalszene auch hierzulande etwas in Schwung kommen würde - vor allem in frühen Gründungsphasen. Doch in der Dotcom-Krise zogen sich die Geldgeber schnell wieder zurück. Im Folgenden konzentrierten sich die Venture-Capital-Geber unter dem Blickwinkel der Sicherheit wieder auf die späteren Finanzierungsphasen. "Die Szene der Frühfinanzierer gibt es in Deutschland leider gar nicht", bedauert Rudolph. "Wir sind an dieser Stelle Entwicklungsland."

Über die Gründe lässt sich nur spekulieren. Aus Sicht von Helpline-Chef Martin spielt auch hier der Sicherheitsgedanke eine wichtige Rolle. "Wir können durch unsere Mentalität mit dieser Investitionsform nicht umgehen." Rudolph vermutet, dass Vorurteile bezüglich einer überbordenden Bürokratie in Deutschland potenzielle Investoren abschrecken. "Das ist doch das Land der Betriebsräte", zitiert der Manager Kollegen aus den USA. Dabei gebe es in anderen Ländern ebenfalls viele Hürden - auch im Land der angeblich unbeschränkten Möglichkeiten. "Die Vorurteile, die über uns im Ausland kursieren, sind viel schlimmer als die Realität", lautet sein Fazit. Außerdem würden deutsche Kapitalgeber vor allem ihren US-Kollegen nacheifern, kritisiert Rudolph. "Damit vergeben sie die Chance, ein eigenes Finanzierungsmodell für Deutschland zu entwickeln, das zu den Gegebenheiten des hiesigen Marktes passt."

Caspary von Realtech bestätigt die Probleme aus eigener Erfahrung. Viele Kapitalgeber würden sich auf die Fahnen schreiben, Seed-Finanzierungen anzubieten. "Hakt man nach, entpuppen sich diese Offerten oft mit einem Mal als Later-Stage-Finanzierungen."