IT-Services: Kampf um die erste Liga

15.09.2004
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Alexander Freimark wechselte 2009 von der Redaktion der Computerwoche in die Freiberuflichkeit. Er schreibt für Medien und Unternehmen, sein Auftragsschwerpunkt liegt im Corporate Publishing. Dabei stehen technologische Innovationen im Fokus, aber auch der Wandel von Organisationen, Märkten und Menschen.

Zwar verfehlte Capgemini insgesamt die Gewinnerwartungen überraschend deutlich, doch im Grunde genommen war die Entwicklung vom Management schon vor Monaten so angekündigt worden. Er erwarte eine Belebung in der zweiten Jahreshälfte, hatte CEO Hermelin im Mai gesagt - an der Prognose hat sich auch in der vergangenen Woche nichts geändert. Immer noch geht das Management davon aus, im Gesamtjahr die Umsätze zweistellig zu steigern und eine operative Gewinnspanne von zwei bis drei Prozent zu erwirtschaften. Die Grenze zwischen Sturheit und Gewissheit ist fließend.

Auch die Analysten von Ovum beurteilten die Entwicklung weniger kritisch als die Investoren. Sie bezeichneten die Strategie des Konzerns als richtig und belegten dies mit dem Orderbuch des Unternehmens: Dessen Volumen stieg von 6,1 Milliarden Euro im Vorjahreszeitraum auf aktuell 12,6 Milliarden Euro. In der zweiten Jahreshälfte schlagen sich auch erstmals die beiden Milliardenverträge nieder, die Capgemini mit der britischen Steuerbehörde Inland Revenue und dem texanischen Energieversorger TXU geschlossen hat. Dies ändere Ovum zufolge aber nichts an der Tatsache, dass Capgemini zu aggressiv auf die Jagd nach derartigen Outsourcing-Kontrakten gegangen ist. Die provokante Frage der Analysten lautet: "Wie lange kann man auf dem richtigen Weg gehen, wenn der Markt denkt, dass man sich verlaufen hat?"

Derweil erkor die "Financial Times" auf ihrer Titelseite Capgemini zu einem potenziellen Übernahmekandidaten - Hewlett-Packard (HP) und Atos Origin könnten interessiert sein. "Die Spekulationen gibt es immer wieder, wenn ein Unternehmen mit schlechten Quartalszahlen aufwartet", relativiert PAC-Berater Ortwein derartige Berichte. Grundsätzlich würden fast alle IT-Services-Anbieter als Übernahmekandidaten und gleichzeitig auch als potenzielle Käufer gehandelt. Völlig auszuschließen ist ein derartiger Deal in der krisenerprobten Branche aber nicht.

HPs Absichten sind unergründlich, und Atos Origin muss erst einmal den Erwerb und die Integration der Sema Group meistern. Aufgrund der Übernahmekosten drehte das Nettoergebnis im ersten Halbjahr ins Minus, ohne die Sema-Zahlen schrumpfte der Umsatz geringfügig. Dennoch steht der franösisch-niederländische Konzern besser da als Capgemini: Die operativen Margen in den ersten zwei Quartalen (fünf und sieben Prozent) lassen den defizitären Wettbewerber alt aussehen.

Organisch geht Atos Origin von stagnierenden Umsätzen im gesamten Jahr aus, erst 2005 soll ein "mäßiger, aber nachhaltiger" Anstieg erfolgen. Nach Jahren der Depression und der Umwälzungen wäre dies immerhin ein positives Etappenziel. Ob sich Atos Origin dann zusätzlich mit einer Übernahme von Capgemini belasten will, darf bezweifelt werden. Die internen Ziele des Unternehmens sind allerdings hoch gesteckt: "Wir wollen weitere Mega-Deals gewinnen, und zwar insbesondere in Deutschland", kündigte Gerhard Fercho, der Generalbevollmächtigte für Zentraleuropa, nach der Outsourcing-Übernahme von Itellium an.

Fercho strebt in 18 Monaten hierzulande das Umsatzziel von einer Milliarde Euro pro Jahr an, was etwa einer Verdreifachung der Einnahmen aus dem Jahr 2003 entspricht. Weltweit sind die Ansprüche ebenfalls ambitioniert: Atos will im gleichen Zeitraum rund zehn Milliarden Euro umsetzen. Im Jahr 2003 beliefen sich die Einnahmen auf 5,4 Milliarden Euro.