IT-Services ersetzen alte Admin-Tools

06.06.2007
Erst seit wenigen Jahren halten neue Aufgabenbereiche Einzug in der Steuerung der Unternehmens-IT. Doch schon verschieben sie das Softwareangebot deutlich.

Von CW-Redakteur Ludger Schmitz

Früher war einfach von Tools für die Systemadministration, kurz Admin-Tools, die Rede. Doch 2003 hat der Anbieter BMC den Begriff Business Services Management eingeführt. Die neuen Hilfsmittel dieser inzwischen branchenweiten Orientierung sollen es möglich machen, in der IT kostengünstiger zu arbeiten und flexibler auf wechselnde Umstände reagieren zu können. Statt in Kompetenzsilos (Systeme, Netze, Datenbanken, Anwendungen etc.) zu denken, soll sie Services bereitstellen, die – sich ständig wandelnde – Geschäftsprozesse unterstützen. Die Bibel des neuen IT-Managements ist die (soeben in Version 3 erschienene) IT Infrastructure Library, Itil, die zur Erfüllung dieser Vorgaben so genannte Disziplinen beschreibt.

Die Topline der Box

Hier lesen Sie

  • was aus den klassischen Tools der Systemadministration geworden ist;

  • welche neuen Produktkategorien entstanden sind;

  • welche Aufgaben die Service-Management-Tools übernehmen;

  • wohin sich der Markt für IT-Management-Software entwickelt.

Das aktuelle Lösungsspektrum hat Forrester Research in Kategorien sortiert und die Wandlung dieser Aufgabenbereiche beschrieben. Die Studie mit dem Titel "The IT Management Software Market" zeigt ferner anhand der weltweiten Aufwendungen für Neu- und Bestandslizenzen auf, welche Bedeutung die jeweiligen Teilbereiche in diesem Markt haben.

Eine der ältesten Produktkategorien aus Mainframe-Zeiten ist die Kapazitätsplanung. Ihr Metier ist die Auslastung von Systemen auf der Grundlage statischer Daten über das Leistungsvermögen der IT-Umgebungen. Im Kontext von Server-Konsolidierung oder Virtualisierung hat die Kapazitätsplanung in letzter Zeit wieder einen beachtlichen Aufschwung erfahren. Jetzt geht es darum, dynamisch zu evaluieren, welche Ressourcen zum günstigsten Preis notwendig sind, um verschiedenen IT-Services einen definierten Durchsatz (zum Beispiel Antwortzeiten) zu garantieren.

Eine ähnlich lange Tradition hat die Kategorie Server-Management. Ihr klassischer Gegenstand ist die Erfassung aller Parameter über die Performance von Rechnern und Anwendungen. Ein Großteil solcher Aufgaben ist schon zu Client-Server-Zeiten unter der Einsicht "The Network is the Computer" (eine Parole von Sun Microsystems) in das Netz-Management eingeflossen. Weitere Funktionen wurden insbesondere mit Windows Eigenschaften der Betriebssysteme, und in jüngerer Zeit hat das Applikations-Management den Markt eingeengt und fast zur Stagnation gebracht.

Da Uralt-Thema Job-Scheduling, die zeitliche Planung und das Anstoßen von asynchronen Batch-Prozessen ist keineswegs auf Mainframes beschränkt, sondern das Rückgrat jeder größeren IT-Umgebung. Forrester ruft in Erinnerung: "Asynchrone Prozesse machen die Arbeit in Sachen Datenkonsolidierung, Backup und Update; ohne sie gäbe es keine Transaktionsaktivitäten." Web-basierende Anwendungen und insbesondere E-Commerce bringen eine neue Notwendigkeit der Steuerung von sequentiellen Prozessen: Jetzt geht es aber nicht mehr um vorab fixierte Zeitpläne; vielmehr lösen von Externen verursachte Events, beispielsweise Bestellungen, eine Kaskade von Jobs aus. Job-Scheduling bleibt angesagt.

Früh hat sich das Datenbank-Management als eigenständige Disziplin in der IT-Administration herausgebildet. Bis heute ist es das Segment mit den zweithöchsten finanziellen Aufwendungen für systemnahe Tools, aber es wächst kaum mehr. Denn der Bedarf der Anwender an Tools für Design, Betrieb und Implementierung von Informationssilos samt Steuerung ihrer Performance und Kapazitäten ist gedeckt.

Die Client-Server-Maxime hat in den 90er Jahren dem Netzwerk-Management zu einem Boom verholfen, der es bis heute zum kostspieligsten Segment der IT-Betriebssteuerung macht. Dabei hat sich sein Gegenstand von zunächst ausschließlich direkten Netzwerkkomponenten erst auf Server und dann auf das Storage erweitert. Mittlerweile dehnen die Anbieter ihr Portfolio in Richtung Analyse von Services und Applikationen aus. Als Herausforderung für die etablierten Softwarehäuser in einem prosperierenden Markt zeichnet sich ab, dass Anwender, so Forrester Research, zunehmend Open-Source-Software setzen. Produkte wie "Nagios" gelten inzwischen für das klassische "Netzwerk"-Management als "good enough".

Der weltweit viertgrößte Ausgabenposten in der IT-Steuerung entfällt auf das Applikations-Management. Diese Spezial-Tools galten zunächst der Performance von Anwendungen, jetzt geht es zunehmend um die Analyse von Problemen bei J2EE- und .NET-Programmen, Web-Services und Service-orientierten Architekturen. Topthema ist derzeit die "Root-cause Analysis", die Identifizierung der wahren Ursachen eines Problems, welche mit zunehmender Interaktivität von Systemen und Anwendungen immer öfter unter einer Lawine von weiteren Fehlermeldungen versteckt sind.

In Richtung Root-cause Analysis bewegen sich auch die Hersteller im Segment Event-Management. Es geht nicht mehr darum, Veränderungen in Sachen Performance oder Status von Systemen oder Prozessen zu melden und zu protokollieren. Vielmehr werden Systemereignisse in Beziehung zueinander gestellt, was ihre Bedeutung gegebenenfalls relativiert. Positiv gesehen, kann sich so ein Gesamtbild eines normalen Prozessverhaltens ergeben, auf dessen Grundlage sich insgesamt Alarmmeldungen reduzieren, tatsächlich verhängnisvolle Konstellationen aber umso deutlicher werden.

Die Betrachtung der Leistung einer IT-Umgebung wendet sich in jüngster Zeit ab von einer System-zentrischen Herangehensweise und stellt zunehmend ins Zentrum, welche Performance die User erleben. Die Aufwendungen für das End User Experience Management sind noch sehr bescheiden, aber es ist ein Bereich, der mit 20 Prozent ein außerordentliches Wachstum aufweist. Gefördert wird der Aufschwung insbesondere vom Interesse, das Verhalten von Surfern auf E-Commerce-Sites zu analysieren und diese Geschäftsplattformen zu verbessern.

Der früher wenig angesehene User Support ist heute als Service Desk eine Institution von größter Wichtigkeit, weil ein sehr großer Teil aller IT-Probleme von Usern entdeckt wird. Entsprechend hat Itil ihn zu einer zentralen Disziplin aufgewertet. Mit Software für den Service Desk werden Probleme erfasst und eingeordnet, sowie Veränderungen an Systemen und Programmen protokolliert – um in modernen Umgebungen in eine Change and Configuration Management Database (CMDB) einzufließen.

Erst seit die Vielzahl von Servern und insbesondere Desktops als Wildwuchs gilt sowie gesetzliche und fiskalische Rahmenbedingungen es erforderlich machten, wurde vielen Anwendern klar, dass sie keinen Überblick über die IT-Werte in ihren Unternehmen haben. Das vor wenigen Jahren noch vernachlässigte IT-Asset-Management ist Grundvoraussetzung und die erste Itil-Disziplin für die Einrichtung einer Business-Service-orientierten IT. Die Anbieter in diesem Markt dürfen laut Forrester 2007 von einer um enorme 26 Prozent steigenden Nachfrage ausgehen – wenn sie die Itil-Eingangsstufen Asset-Management, Service Desk und CMDB miteinander verknüpfen.

Das Change and Configuration Management (CCM) ist der unverzichtbare Kern von Itil, seine Materialisierung die Informationsdrehscheibe CMDB. Diese Datenbank enthält nicht nur alle relevanten Informationen über sämtliche Hard- und Softwareelemente einer IT-Umgebung (samt Änderungen), sondern auch deren Beziehungen und Abhängigkeiten ("Relationen") zu- beziehungsweise voneinander aus der Sicht von Prozessen. Der Markt reagiert auf die überragende Bedeutung der CMDB 2007 mit einem Wachstum von sogar 28 Prozent. Forrester: "Dies ist das erste Jahr, in dem die Marktakzeptanz abheben wird." Change and Configuration Management wird zum zweitwichtigsten Teilsegment der einstigen Systemadministration und wird wohl schon 2008 vom Netzwerk-Management die Führungsposition übernehmen.

Damit etablieren sich die Itil-Grundlagen und bereiten den Weg für den nächsten Schritt: Service Level Management (SLM) beziehungsweise Business Service Management (BSM). Unter dem SLM-Aspekt wird überwacht, ob und wie vereinbarte IT-Dienstleistungen eingehalten werden, notfalls werden Gegenmaßnahmen eingeleitet. BSM-Lösungen helfen, die notwendigen IT-Services für einzelne Business-Prozesse zu definieren, bereitzustellen und zu koordinieren. Grundvoraussetzung ist auch hier die CMDB und mit ihr kommt SLM/BSM auf. Forrester prognostiziert für dieses Jahr 23 Prozent mehr Umsätze in diesem Segment: "2006 markiert das Entstehen dieses Markts, 2007 hebt er ab."

Die Aussichten

Angesichts solch ungewöhnlich positiver Prognosen für Softwaresegmente, die es vor wenigen Jahren noch gar nicht gab, nimmt es nicht wunder, dass viele neue Anbieter auf diesen Märkten in Erscheinung treten. Das von Punktlösungen beherrschte Angebotsspektrum ist dadurch unüberschaubar geworden. Aber es wird auf der Anbieterseite zu einer Konsolidierung kommen. Eine Ausprägung sind dabei Zusammenschlüsse konkurrierender Newcomer. Gleichwohl werden diese Unternehmen, so sagt es Forrester voraus, nicht umhin kommen, ihre Punktlösungen technisch zu "einem größeren Ganzen" zu vereinen. Die technische Basis dafür könnte die CMDB sein, falls es gelingt, hier einen wirklich herstellerneutralen Standard einzurichten.

Aber auch eine Menge kooperierender kleinerer Anbieter wird nichts ändern an der Dominanz der seit Jahren dominierenden Firmen BMC, CA, Hewlett-Packard und IBM. Diese werden sich noch durch weitere Newcomer-Übernahmen verstärken, mit denen sie sich schon in den letzten Jahren auf die modernen Zeiten des IT-Managements eingestellt haben. Möglicherweise, so Forrester, deuten die Firmenkäufe von EMC und Symantec darauf hin, dass sich zwei neue Player anschicken, den Kreis der "Big Four" zu erweitern. Derweil dürften die sich schon auf den von Forrester prognostizierten nächsten absehbaren Trend im IT-Management vorbereiten: die Integration von IT- und Kommunikationssystemen.