CW-Gespräch mit Steve Hoover

IT-Leute sollten beim Endkunden hospitieren

19.12.2013
Steve Hoover, Chef des Innovationszentrums Xerox Parc, empfiehlt CIOs, die Bedürfnisse der Endkunden zu erforschen und dort Mitarbeiter einzuschleusen.

Wie kommen Innovation und Informationstechnik zusammen? Das war auch in diesem Jahr ein Thema auf der Gartner-Konferenz "Symposium ITxpo". Einer, der es wissen sollte, ist Steve Hoover, der CEO des Palo Alto Research Center, kurz Parc. Am Rande der Großveranstaltung stand er der computerwoche Rede und Antwort.

CW: Wofür stehen die drei Buchstaben CIO? Chief Information Officer oder Chief Innovation Officer?

Hoover: Der CIO muss beides sein. Und zwar aus folgenden Gründen: Zum einen ist die IT in jeden wichtigen Business-Prozess eingebettet. Sie definiert zu einem maßgeblichen Teil, wie erfolgreich oder erfolglos ein Unternehmen ist. Und damit steigen auch die Erwartungen der Kunden an die Innovationskraft der IT. Zum anderen ist die IT aus sich selbst heraus zur Innovation gezwungen. Und das liegt an der Geschwindigkeit des Wandels. "Nobody gets fired for buying IBM" - das galt gestern. Heute gibt es keine derartigen endgültigen Wahrheiten mehr. Die IT muss sich ständig neu erfinden.

"Sie können es sich nicht leisten, keine Leute abzustellen, die Ihren Kunden auf den Zahn fühlen." Steve Hoover, CEO des Palo Alto Research Center (Parc)
"Sie können es sich nicht leisten, keine Leute abzustellen, die Ihren Kunden auf den Zahn fühlen." Steve Hoover, CEO des Palo Alto Research Center (Parc)
Foto: Palo Alto Research Center

Das Palo Alto Research Center in Kürze

  • Xerox gründete das Forschungszentrum 1970, um seine Marktanteile mit Hilfe neuer Technologien zu erhalten und auszubauen.

  • Dort wurde nicht nur der Laserdrucker entwickelt, sondern auch eine Reihe weiterer Technologien, darunter das Ethernet und das Konzept des Graphical User Interface.

  • Die meisten dieser Erfindungen wurden allerdings nicht von Xerox, sondern von anderen Unternehmen zur Marktreife geführt.

  • 2002 gliederte Xerox das Parc aus dem Konzern aus. Der Output-Spezialist ist immer noch Mehrheitseigner, aber Parc entwickelt nun auch für andere Unternehmen.

  • Steve Hoover leitet das Parc seit 2011, wobei er sich vor allem für das Thema Open Innovation engagiert.

  • Er hat im Fach Mechanical Engineering an der Carnegie Mellon University promoviert und erwarb im Lauf seiner akademischen Karriere sieben Patente.

CW: Bleibt auch ein Teil innerhalb der IT, der möglichst unveränderlich und stabil sein sollte?

Hoover: Richtig, der Innovationsansatz taugt nicht für den IT-Bereich, wo vor allem hohe Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit gefragt sind. Hier ist vielmehr Risikovermeidung das erste Gebot.

CW: In welchen Bereichen existiert der größte Experimentierspielraum?

Hoover: Dort, wo Unternehmen die bislang unbekannten Bedürfnisse ihrer Kunden kennenlernen wollen. Dort müssen sie Raum für Experimente schaffen - geistig wie finanziell. Dort können sie Risiken eingehen - und Scheitern als Lernen begreifen.

CW: Was und vor allem wie kann die IT denn dabei lernen?

Hoover: Die IT muss buchstäblich mit den Kunden interagieren, um herauszufinden, wie sie ticken. Dazu sollte sie die Kunden nicht fragen, denn dann bekommt sie die Henry-Ford-Anwort: "Wenn ich meine Kunden gefragt hätte, müsste ich ihnen schnellere Pferde lieferen." Sie muss beobachten.

CW: Sie meinen: rausgehen und den Kunden über die Schulter schauen?

Hoover: Genau das. Bei Parc stellen wir beispielsweise Social Scientists und Ethnografen ein, die das tun. Auf diese Weise haben wir vor fünf Jahren unsere Studie zum Thema "Future of Work" gestartet.

CW: Was ist dabei herausgekommen?

Hoover: Zum Beispiel haben wir festgestellt, dass die Leute Schwierigkeiten haben, von ihrem Handy zu drucken. Und das führte zu einer mobilen Print-Lösung.

CW: Parc ist ein dediziertes Forschungszentrum. Die CIOs in den Unternehmen werden eher nicht bereit sein, ihre Mitarbeiter beim Kunden einzusetzten.

Hoover: Das sollten sie aber. Wenn Sie in ein Zehn-Millionen-Dollar-Projekt investieren und keine vier Leute erübrigen können, die dem Kunden auf den Zahn fühlen, dann frage ich Sie: Wie können Sie sich das eigentlich leisten?

CW: Beim internen Kunden ist das noch vorstellbar. Aber die CIOs haben zunehmend auch mit Lösungen für Endkunden zu tun. Wie kommt man an die überhaupt ran?

Hoover: Indem man sie einfach fragt. Einige werden sicher ablehnen, andere werden sich geschmeichelt fühlen, wieder anderen bietet man vielleicht eine finanzielle Kompensation an.

CW: Wie begründet man diesen Aufwand gegenüber der Unternehmensführung?

Hoover: Die CIOs geben den größten Teil ihrer Budgets für Dinge aus, die absolut nicht innovativ, sondern nur notwendig sind. Wenigstens ein Prozent können und sollten sie doch für die Zukunftssicherung des Unternehmens aufwenden. Das ist nicht zu viel verlangt. Für Xerox hat sich die Investition in Parc längst ausgezahlt, denn dort wurde der Laser-Drucker erfunden. Und ohne den wäre Xerox nicht, was es ist.

CW: Wie ist eigentlich die Beziehung zwischen Parc und der Xerox-IT?

Hoover: Xerox ist Eigner und ein großer Kunde von Parc. Aber wir sind nicht Teil der Xerox-IT, berichten auch nicht an sie. Vielmehr hat Parc einen eigenen CTO.

CW: Und inwiefern ist Parc de facto überhaupt noch ein Teil von Xerox? Sie arbeiten ja mittlerweile mit vielen anderen Firmen zusammen.

Hoover: Wir praktizieren etwas, das wir Open Innovation nennen. Das heißt, wir nehmen Ideen von anderen Leuten auf, beziehen sie ein, setzen sie um. Das funktioniert selbstverständlich nur, wenn jemand ein strategisches Investment tätigt.

CW: Also Xerox oder auch jemand anderer. Aber wodurch wird ein Investment strategisch?

Hoover: Dadurch, dass man sich von Anfang an genau überlegt, welches Business-Problem man eigentlich lösen möchte: Will man beispielsweise den Post-Sale verbessern oder vielleicht die Aufnahme neuer Bankkunden beschleunigen? Das muss klar sein. Und das bringt uns zurück zum Beginn des Gesprächs: Im Business-Umfeld muss sich die IT an den tatsächlichen Bedürfnissen des Kunden orientieren.