IT-Jobmarkt: In der Realität angekommen

26.02.2003
Von 
Hans Königes war bis Dezember 2023 Ressortleiter Jobs & Karriere und damit zuständig für alle Themen rund um Arbeitsmarkt, Jobs, Berufe, Gehälter, Personalmanagement, Recruiting sowie Social Media im Berufsleben.
Seit dem Platzen der Dotcom-Blase ist der IT-Arbeitsmarkt im Umbruch. Zu viele schlecht qualifizierte Mitarbeiter waren eingestellt und befördert worden. Der Weg zurück zur Normalität ist schmerzhaft.

„Die Branche konsolidiert sich“, so lautet die häufig geäußerte Diagnose zur aktuellen schwierigen Situation in der IT-Industrie. Verbandsvertreter wollen von Krise nichts wissen, sie sprechen lieber von „titanischen Geschäftschancen“, wie es neulich ein Bitkom-Repräsentant tat. Was den Personal-Management-Aspekt angeht, ist der Computerzweig auf jeden Fall in der Realität angekommen, zeigte ein Kongress der Hans-Böckler-Stiftung und der IG-Metall in Frankfurt am Main.

 Ulrich Schäfer, Berater bei der Meta Group, kritisiert, dass es in den Unternehmen während der extremen Wachstumsphase zu keiner Personalplanung gekommen ist. Motivierte Studenten und Quereinsteiger strömten in die Firmen, aber für deren weiteres Fortkommen fühlte sich keiner so richtig zuständig. Die Qualifikation der Mitarbeiter war Nebensache. Jetzt mache sich das Know-how-Defizit bemerkbar, und viele dieser Mitarbeiter haben ihren Job wieder verloren.

Vor allem mit den Managern geht Schäfer hart ins Gericht: „Es gibt in dieser Branche viel mehr unfähige Führungskräfte als in anderen.“ Das schnelle Wachstum habe „Techniker und Vertriebler in den Unternehmen hochgespült“, die nicht managen können. Die Firmenchefs hätten es in der Wachstumsphase versäumt, Strukturen für einen effizienten Geschäftsablauf aufzubauen. Überdurchschnittlich viele Personen säßen jetzt im mittleren Management, für die die Unternehmen kaum noch Verwendung fänden.

Werner Dostal, IAB: Immer mehr IT-Profis sind bei IT-Firmen und immer weniger in Anwenderunternehmen beschäftigt.
Werner Dostal, IAB: Immer mehr IT-Profis sind bei IT-Firmen und immer weniger in Anwenderunternehmen beschäftigt.

Insgesamt erhöhe das hohe Gehaltsniveau in Deutschland den Kostendruck auf die Unternehmen. Laut einer aktuellen Gehaltsstudie der internationalen Vergütungsberatung Towers Perrin varieren die Einstiegsgehälter in Westeuropa um über 50 Prozent, wobei Deutschland nach der Schweiz an zweiter Stelle liegt. Schäfer ist deshalb überzeugt, dass die Offshore-Arbeit in Zukunft stark zunehmen wird. Auch Meta selbst sei dabei, sich stärker auf dem Balkan zu engagieren: „Die Leute sind billiger, gut ausgebildet, engagiert, die Entfernung ist kurz, und auch von der Mentalität her sind uns die Menschen näher als von anderen Kontinenten“.

Siemens-Business-Service- (SBS-)Chef Paul Stodden, der auf dem Kongress über Trends im Dienstleistungsgeschäft referierte, ist der gleichen Meinung, was den Offshore-Trend betrifft. Er verwies auf eine aktuelle Untersuchung aus den USA. Bereits jetzt haben demnach die US-Amerikaner 600000 Arbeitsplätze ins billigere Ausland ausgelagert , und Prognosen zufolge werden es in einigen Jahren drei Millionen sein. Als künftige ausgelagerte Werkbänke sieht Stodden die Länder Russland, China, Argentinien, Venezuela und Rumänien.

Mit positiven Nachrichten konnte auch Werner Dostal vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) aus Nürnberg nicht aufwarten. So habe sich die Zahl der arbeitslosen IT-Spezialisten von Januar 2001 von 22000 bis zum Januar 2003 auf 58000 fast verdreifacht. Fast jeder zehnte IT-Profi sei inzwischen arbeitslos - ein Wert, der von der Arbeitslosenstatistik insgesamt nicht mehr weit entfernt ist.

Ältere Mitarbeiter sind die Ausnahme

Computerfachleute verlieren überdurchschnittlich häufig ab dem 53. Lebensjahr ihren Job. Die 58-Jährigen und Älteren tauchen in der Statistik kaum noch auf, was aber laut Dostal damit zusammenhängt, dass sich die Experten in den Vorruhestand verabschieden oder in einen anderen Job wechseln. Und noch eine Beobachtung hat der Beschäftigungsforscher gemacht. Immer mehr IT-Profis sind bei IT-Herstellern, Softwarehäusern und Dienstleistern und immer weniger bei Anwenderunternehmen beschäftigt. Arbeitete früher ein Viertel der IT-Fachleute bei Herstellern, sollen es heute fast drei Viertel sein. Das hängt nach Dostals Meinung mit dem Trend zum Outsourcing und einer zunehmenden Professionalisierung der Branche zusammen.