Gerd Haberkamm, IT-Chef der Deutschen Angestellten-Krankenkasse:

"IT ist der Motor der Innovation"

05.09.2003
HAMBURG (wh) - Für Gerd Haberkamm, Hauptabteilungsleiter Informationssysteme bei der Deutschen Angestellten-Krankenkasse (DAK), ist IT mehr als ein Kostenfaktor. Gegen den Trend ist sein Budget in den letzten beiden Jahren gestiegen.

"IT kann Wettbewerbsvorteile bringen und muss deshalb ganz oben im Unternehmen angesiedelt sein", unterstreicht Haberkamm den Stellenwert der Informationstechnologie. Der 62-Jährige berichtet direkt an den Vorstand der DAK, die mit rund 16000 Mitarbeitern 6,7 Millionen Versicherte betreut.

Ob ein IT-Manager als CIO, IT-Vorstand oder schlicht als Leiter DV und Organisation daherkommt, ist für den promovierten Betriebswirtschaftler ohne Belang. Er möchte die Arbeit des IT-Chefs nach einem einfach anmutenden Rezept beurteilt sehen: "Hat er das Unternehmen vorangebracht? Spätestens nach fünf Jahren muss seine Handschrift erkennbar sein." Das allerdings lasse sich nicht nur an technischen Kriterien festmachen. Vielmehr gelte es zu untersuchen, ob sich ein Unternehmen über seine Kernanwendungen vom Wettbewerb unterscheiden kann.

Mehr Geld für IT

Zwar gehöre zu einem guten IT-Management auch, Kostenstrukturen zu verbessern, räumt der gebürtige Brandenburger ein. Im Moment aber beschäftigten sich die meisten Unternehmen viel zu sehr mit diesem Aspekt. Dabei würden Projekte, die womöglich unterm Strich einen höheren Ertrag (Return on Investment - RoI) versprechen, häufig vernachlässigt. Haberkamm: "Für mich ist IT der Motor der Innovation." Dieser Maxime folgend habe die DAK ihr IT-Budget in den vergangenen zwei Jahren nicht verringert sondern sogar gesteigert. "Das war nur möglich, weil wir Projekte mit nachweisbarem RoI oder strategischer Ausrichtung umgesetzt haben."

Seit mehr als 20 Jahren verantwortet Haberkamm die IT-Strategie der Hamburger Krankenkasse. Was heute gern mit dem Anglizismus Alignment umschrieben wird, war für ihn von Beginn an erfolgsentscheidend: die Abstimmung betriebswirtschaftlicher Ziele mit den Anforderungen an die IT. Dazu sei es notwendig, dass Mitarbeiter aus den Fachabteilungen eng mit den Informatikspezialisten zusammenarbeiteten. Bei der DAK war das nicht immer der Fall, in den vergangenen Jahren aber sei "eine Emanzipation der Fachabteilungen" erkennbar. Sie hätten die Sprache der IT gelernt und seien nun in der Lage, ihre Wünsche und Anforderungen an die Informationstechnologie klar zu artikulieren.

Heute diskutieren gemischte Teams aus IT- und Fachressorts unter dem Dach der hanseatischen Zentrale. Über Höhe und Verwendung des IT-Budgets entscheidet ein Gremium aus den drei Vorständen in Abstimmung mit den sechs Hauptabteilungsleitern. Es tritt viermal pro Jahr zusammen. In Projekt-Reviews zu IT-Themen präsentieren neben Technikexperten auch Fachbereichsverantwortliche.

Die Kernprozesse der Krankenkasse steuert derzeit noch die Eigenentwicklung "Dakidis". Haberkamm verfolgt das Ziel, "überall dort Standardsoftware einzusetzen, wo solche verfügbar ist."

Standards statt Eigenentwicklung

Mit Interesse beobachtet er die Kooperation zwischen SAP und der AOK. Daraus soll ein R/3-Zusatzmodul entstehen, das speziell auf die Bedürfnisse der gesetzlichen Krankenkassen zugeschnitten ist. In zwei bis drei Jahren kann sich der DAK-Manager eine Migration vorstellen.

Dass mit dem Umstieg auf ein Standardsystem Vorteile gegenüber der Konkurrenz verloren gehen, glaubt der IT-Chef nicht. So habe die DAK auch ihr Data Warehouse, eines der strategischen IT-Projekte, mit Standardsoftware von SAS aufgebaut. Wettbewerbsentscheidend sei, wie die daraus gewonnenen Erkenntnisse genutzt würden. Gleiches gelte aber auch für die eigenentwickelte Anwendung "Dakmar" (DAK Marketing), die derzeit auf Java-Basis neu geschrieben wird. Sie soll insbesondere die Außendienstunterstützung für die Mitgliederwerbung verbessern.

Sparen mit Intranet

Weitere Wettbewerbsvorteile erhofft sich die Krankenkasse durch das bereits eingeführte Unternehmensportal in Verbindung mit dem DAK-weiten Intranet sowie durch die Realisierung einer Online-Arbeitsanleitung für alle Mitarbeiter.

Darüber hinaus betreibt die DAK eine Reihe weiterer Projekte, beispielsweise das Rehosting der aufwändigen Druckdienste und den Aufbau eines Speichernetzes (SAN), auf das PC-Systeme und Großrechner gleichermaßen zugreifen können.

Dass sich über eine Auslagerung von IT-Funktionen wesentliche Effizienzvorteile ergeben, bezweifelt Haberkamm - zumindest soweit es IT-Planungsprozesse und Softwarentwicklung angeht. Vielmehr betont er das in den Anwendungen abgebildete Wissen um Geschäftsprozesse: "Wenn ein Externer die Probleme der DAK besser lösen könnte, hätten wir am Markt nichts verloren."

IT-Organisation der DAK

Die Deutsche Angestellten-Krankenkasse organisiert die IT in der zentralen Hauptabteilung Informationssysteme. Sie beschäftigt rund 360 Mitarbeiter, davon neben anderen Funktionen 120 im Rechenzentrums-Betrieb, rund 140 für die Anwendungsentwicklung und 76 für Organisation/Anwendungsplanung. Das Kernstück bildet ein auf zwei Standorte verteiltes produktives Rechenzentrum mit gespiegelten Datenbeständen. Im Frontend setzt die Krankenversicherung überwiegend auf Thin Clients. Dabei legt das Management Wert auf eine vollständig identische Hardware- und Softwarekonfiguration an den rund 15000 PC-Arbeitsplätzen.