Für die meisten spielt der Drittmarkt keine Rolle

IT-GmbHs sind selten erfolgreich

25.01.2002
MÜNCHEN - In die Eigenständigkeit entlassene IT-Abteilungen sind selten am freien Markt erfolgreich. Dabei könnten sie zusätzliche Einkünfte gut gebrauchen: Mit der Ausgliederung der IT macht sich der Mutterkonzern in einem langsamen Prozess immer unabhängiger von den Leistungen der eigenen IT-Tochter. CW-Bericht, Joachim Hackmann

Die Erfolgs-Story, die der Daimler-Konzern mit seiner einstigen IT-Tochter Debis Systemhaus schrieb, lockt Nachahmer. Für mehr als 5,5 Milliarden Euro (eine genaue Zahl wurde nicht veröffentlicht) verkauften die Stuttgarter Anfang 2000 ihre IT-Tochter an den Telekom-Konzern. Den Preis konnten die Automobilbauer nicht zuletzt deshalb verlangen, weil sich das Debis Systemhaus im Zuge der Eigenständigkeit einen ordentlichen Kundenstamm außerhalb des Mutterkonzerns aufgebaut hatte: Mehr als 70 Prozent der Gesamteinnahmen (rund 5,8 Milliarden Mark im Geschäftsjahr 1999) erzielte das Debis Systemhaus zuletzt ohne Zutun des Daimler-Imperiums und machte sich damit relativ unabhängig.

Das schaffte hierzulande keine andere ausgegründete IT-Abteilung. "Schon viele haben versucht, die eigenen freien Rechenzentrums-Kapazitäten am Markt zu verkaufen", berichtet Christophe Chalons, Geschäftsführer von PAC Deutschland, München, "allerdings mit wenig Erfolg. Die Erlöse der ausgegliederten IT-Töchter aus dem Drittgeschäft betragen meistens weniger als zehn Prozent." Um als IT-Dienstleister am Markt ernst genommen zu werden, ist das zu wenig. In den Marktbetrachtungen der PAC-Analysten tauchen die IT-GmbHs von wenigen Ausnahmen wie Thyssen-Krupp Information Service (TKIS), Gedas und Lufthansa Systems abgesehen allenfalls auf, wenn Branchenbetrachtungen angestellt werden.

Qualitätsnachweis durch DrittmarktgeschäftWas Chalons beispielsweise fehlt, ist ein klares Bekenntnis der ausgegliederten IT-Abteilungen von der Art: Wir wollen in den nächsten fünf Jahren 50 Prozent vom Umsatz außerhalb des Mutterkonzerns erwirtschaften. Voraussetzung dafür wäre, im Markt sichtbar aufzutreten, und das zöge Investitionen in Marketing und Vertrieb nach sich. Dazu ist der Mutterkonzern selten bereit, denn die Ausgründung der IT-Abteilung in eine unabhängige GmbH wurde meistens vollzogen, um Kosten zu sparen beziehungsweise die IT-Ausgaben transparenter zu gestalten - Erfolg im Drittmarkt steht zunächst einmal nicht auf der Agenda.

Das kann sich allerdings schnell ändern, weil es sich ändern muss: "Wenn Sie als GmbH die IT für einen Konzern betreiben, stellen die Fachabteilungen sehr schnell die Frage nach Qualität und Preis der gelieferten Leistungen. Diese Diskussion endet eigentlich erst dann, wenn man objektiv den Nachweis führen kann, dass auch Dritte, die keinen konzerninternen Zwängen unterliegen, IT-Leistungen bei der GmbH einkaufen", schildert Dieter Pfaff, Geschäftsführer der RAG Informatik in Gelsenkrichen eine Erfahrung. Sein Fazit: Leistungen, die sich im Wettbewerb bewährt haben, tragen ein Qualitätssiegel.

Für viele Angebote gilt zudem die simple betriebswirtschaftliche Regel, dass sich bestimmte Dienste nur dann gewinnbringend erbringen lassen, wenn die Stückkosten der IT-Leistungen sinken beziehungsweise vorhandene IT-Ressourcen optimal ausgelastet werden. Kann der Bedarf des Mutterhauses dies nicht leisten, müssen externe Kunden her. Wird dies katagorisch abgelehnt, lauten die Alternativen: Die Abnehmer zahlen überhöhte Preise für bestimmte Services, Leistungen werden nicht kostendeckend abgegeben, oder die betroffenen Dienste werden eingestellt.

Letzteres wird den Mutterkonzern nicht sonderlich treffen, solange die Services auch von externen Dienstleistern erbracht werden können. Das erweist sich meistens dann als schwierig, wenn unternehmensspezifische Lösungen und insbesondere Eigenentwicklungen im Einsatz sind. "Da stehen die Unternehmen häufig vor dem Dilemma, sich nicht aus der Abhängigkeit von ihrer IT-Tochter lösen zu können, weil deren Know-how viel zu groß ist", erläutert Andreas Burau, Analyst der Meta Group. Doch auch mit der Gewissheit, in bestimmten Bereichen unersetzlich zu sein, wird sich die IT-Tochter nicht der Forderung entziehen können, das Portfolio, wo es geht, zu straffen, sich an Marktpreisen zu orientieren und kundenorientiert zu arbeiten.

Der Wandel der IT-Abteilung in eine GmbH ist somit viel tief greifender, als der Wechsel der Rechtsform vermuten lassen könnte. "Das alles läuft dem zuwider, was die Mitarbeiter in der IT-Abteilung zuvor gelebt haben, die betroffene Belegschaft erfährt einen kulturellen Umbruch. Insbesondere an der Spitze sind Mitarbeiter erforderlich, die verstehen, was die Zukunft ihnen bringt", warnt Burau. Vom Konzern ist selten finanzielle Rückendeckung zu erwarten. Hilfestellung gibt es jedoch meistens in der Form, dass der Sprössling den Status des bevorzugten Lieferanten erhält, also gegenüber externen Anbietern mit Nachsicht behandelt wird. Dennoch gilt: Der Mutterkonzern löst sich ein Stück weit aus der Abhängigkeit von der IT-Tochter.

"Das Problem vieler IT-Töchter ist, dass sie mit etablierten IT-Anbietern konkurrieren müssen und vor allem in der Startphase nicht wissen, wie man ein IT-Geschäft wirklich betreibt", meint Chalons. Um dabei langfristig bestehen zu können, sind enorme Anstrengungen nötig. So müssen etwa der Servicegedanken im Unternehmen verankert, das Diensteportfolio definiert sowie Service-Level-Agreements, Abrechnungs- und Reporting-Verfahren eingeführt werden.

Gelingt das, haben die IT-Töchter durchaus Chancen, sich gegen erfahrene Dienstleister durchzusetzen. "Die ausgegründeten Anbieter sind zwar meistens auf bestimmte Branchen beschränkt und werden dort von potenziellen Kunden gemieden, die in ihrem Kerngeschäft mit der Muttergesellschaft konkurrieren. Andererseits haben sie enormes Fachwissen, kennen die erforderliche Technik, die Anwendungen und Prozesse sehr genau", erläutert Chalons.

Und sie haben die Nase vorn bei der Kundenakquise im Unternehmensumfeld. "Jeder Konzern ist mit anderen Unternehmen befreundet oder partnerschaftlich verbunden. Dort hat man Chancen, Aufträge zu gewinnen, und zwar aus dem einfachen Grund, dass man früh von Vorhaben erfährt und der Erstkontakt einfacher fällt. Über den Zuschlag entscheiden letztlich natürlich wieder Qualität und Preis", schildert RAG-Informatik-Chef Pfaff. Zudem, so die Erfahrung des Managers, könne man als eigenständige GmbH einfacher Kooperationen mit Herstellern und Dienstleistern schließen und sei als Arbeitgeber für den IT-Nachwuchs interessanter.

Bleibt die Frage, warum nicht alle Unternehmen den Weg in Richtung IT GmbH beschreiten. Dagegen hat sich beispielsweise Frank Raker entschieden. Der Leiter der Abteilung Informationstechnik bei der E. Heitkamp Bauunternehmung GmbH in Herne baut auf das Outsourcing der IT-Infrastruktur, die immerhin 1500 PC-Arbeitsplätze versorgte, und ihnen Zugriff auf insgesamt sieben SAP-Module samt Oracle-Datenbank einräumte: "Wir hatten kein Produkt, mit dem wir uns auf dem Markt hätten profilieren können", nennt er den Grund dafür, dass Heitkamp heute keine eigene IT-Tochter hat. Zwar gab es eine selbst entwickelte Branchensoftware, die jedoch nicht marktfähig war, und mit dem "Betrieb einer Client-Server-Infrastruktur hätten wir uns nicht von anderen Anbietern abgrenzen können", so Raker.

Allerdings schließen sich die beiden Wege Outsoucing an Externe sowie Gründung einer IT-Tochter nicht grundsätzlich aus. So ließe sich etwa zunächst die IT-Abteilung samt Ressourcen in eine GmbH auslagern, um sie später zu verkaufen. Interessenten dürfte es genug geben, denn Unternehmen wie Accenture, Cap Gemini, CSC Ploenzke, IBM, SBS und T-Systems sind immer daran interessiert, ihre Kapazitäten auszuweiten. Und für eine IT GmbH mit nachweisbaren Erfolgen im Drittmarkt, das lehrt das Beispiel Debis, lassen sich stolze Preise verlangen.

IT-GmbHs und ihre Muttergesellschaften (Auswahl)Anbieter / Gesellschafter / Umsatz (in Millionen Euro) / Umsatz des Drittmarktes (in Prozent) / Dienste

T-Systems / Deutsche Telekom, Daimler-Chrysler / 11 000 / 72 / Hosting und ASP, Outsourcing, Security

TKIS / Thyssenkrupp Serv AG / 500 / 68 / Outsourcing-Dienste, E-Business-Lösungen, Infrastruktur-Services

Fiducia / Volksbanken & Raiffeisenbanken, Zentralbank / 500 / 10 / RZ-Outsourcing, Beratung, Wartung

Gedas / Volkswagen / 493 / ca. 30 / Systemintegration, Schwerpunkt Logistik

HVB Systems / Hypovereinsbank / 485 / > 1 / Applikationsentwicklung

Lufthansa Systems / Lufthansa / 436,2* / 27 / IT-Betriebssystemintegration, System-Management

BASF IT-Services / BASF Aktiengesellschaft / 400 / 5 - 10 / SAP-Anwendungen, SAP-Betrieb, Infrastruktur-Outsourcing

DVG Hannover / Sparkassen und Landesbanken / 346* / 3 / RZ-Services

IS Energy / Eon, Cap Gemini / 290 / 10 / RZ-Outsourcing, Projektgeschäft

HVB Info / Hypovereinsbank / 267 / 7,5 / Hosting, Druck-Output, ASP

Sinius / Deutsche Bank, SBS / ca. 180 / ca. 2 / PC-Support, Server-Betrieb

RAG Informatik / RAG Aktiengesellschaft / 130 / 15 / SAP-Projekte, SAP-Betrieb, RZ-Betrieb

*Geschäftsjahr 2000

Quelle: Unternehmensangaben