IT-Gipfel - Politik sucht Strategie für Datenschutz und IT-Sicherheit

10.12.2010
Politik und Industrie beteuerten auf dem 5. Nationalen IT-Gipfel, mehr für Datenschutz und IT-Sicherheit tun zu wollen. Kritikern gehen die angekündigten Initiativen jedoch nicht weit genug.

Sicherheit und Vertrauen sind zu Recht für viele Nutzer des Internets von entscheidender Bedeutung", sagte Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle zur Eröffnung des 5. Nationalen IT-Gipfels in Dresden. "Die massenhafte Veröffentlichung von vertraulichen Regierungsdokumenten vor wenigen Tagen zeigt aber, dass Sicherheitslücken im Internet bestehen." Damit warfen die Wikileaks-Enthüllungen ihren Schatten auch über das diesjährige Schaulaufen von Politikern, Lobbyisten sowie Vertretern der hiesigen IT-Industrie und -Prominenz.

Irritationen über Stasi-Vergleich

Eine klare Linie, wie mit Themen rund um Datenschutz und IT-Sicherheit umzugehen ist, suchte man auf dem IT-Gipfeltreffen indes vergebens. Zu groß war anscheinend die Verunsicherung, gerade angesichts des jüngsten Wikileaks-Coups. Auch Brüderle verhedderte sich mehr als unglücklich in seiner Bewertung des Skandals rund um die Veröffentlichung vertraulicher Dokumente des weltweit operierenden US-Behördennetzes. Der FDP-Minister erinnerte an totalitäre Systeme auf deutschem Boden, die Daten gesammelt und missbraucht hatten. Etliche Details, die jüngst der Enthüllungsplattform zu entnehmen gewesen seien, erinnerten ihn an die Stasi. Damit kritisierte Brüderle, der vermutlich die Betreiber der Wikileaks-Plattform ins Visier nehmen wollte, ungewollt die Amerikaner - was ihm Ärger einbrachte.

So sorgten Brüderles Äußerungen auch unter seinen Parteikollegen für Irritationen. FDP-Vorstandsmitglied Wolfgang Kubicki rügte die Bemerkungen des Wirtschaftsministers als völlig unangemessen. Der "Leipziger Volkszeitung" sagte der Vorsitzende der FDP-Landtagsfraktion in Schleswig-Holstein: "Die Depeschen der US-Botschaften mit Stasi-Unterlagen zu vergleichen heißt erstens, Unrecht der DDR zu relativieren, und heißt zweitens, einen Rechtsstaat mit einem Unrechtsstaat zu vergleichen. Beides sollte sich von selbst verbieten." Brüderles Ausflüchte, sein Vergleich sei vielleicht etwas überpointiert gewesen, und dass Systeme, die viele Daten sammelten, bei ihm Unbehagen auslösten, konnten die Situation nicht retten.

Die Misstöne rund um die Wikileaks-Affäre machten deutlich, wie schwer sich die Politik noch mit den offensichtlichen Problemen rund um Datenschutz und IT-Sicherheit tut. Im Vorfeld des IT-Gipfels mahnte Bundeskanzlerin Angela Merkel verbindliche Regeln für den Datenschutz im Internet an. "Es darf kein rechtsfreier Raum sein, es kann ja nicht sein, dass im Internet ausgerechnet gar nichts gilt", ließ die CDU-Politikerin in einem Video-Podcast verlauten. Im gleichen Atemzug relativierte Merkel jedoch ihre Einlassungen: "Auf der anderen Seite darf man die Möglichkeiten des Internets nicht von vornherein zu sehr einschränken."

Passend dazu hatte Merkels Bundesinnenminister Thomas de Maizière in der Woche vor dem IT-Gipfel einen Gesetzentwurf zum Schutz von Persönlichkeitsrechten im Internet vorgelegt, in dem er die Wahrung des Datenschutzes weitgehend in die Hände der Industrie legt.

Doch damit stößt de Maizière in den eigenen Reihen, vor allem aber beim Koalitionspartner FDP, auf Kritik. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger plädierte für eine grundsätzliche Erneuerung des Datenschutzrechts. Einwilligungs- und Widerspruchsrechte müssten grundsätzlich im Datenschutzrecht verankert werden. Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner erklärte den Datenschutz zur Schicksalsfrage für die gesamte IT-Branche. Die CSU-Politikerin forderte ein Verfallsdatum für persönliche Informationen im Netz.

Beiden Politikerinnen geht die Initiative ihres Ministerkollegen de Maizière nicht weit genug. Zwar sei ein selbst verordneter Datenschutzkodex der Internet-Industrie wichtig. Diesem Schritt müssten jedoch weitere folgen, mahnten Aigner und Leutheusser-Schnarrenberger an.

Doch die sind nicht in Sicht. Die Regierung wird sich einmal mehr den Vorwurf gefallen lassen müssen, zu sehr Rücksicht auf die Befindlichkeiten der Internet-Industrie genommen zu haben. Die Kritik an den Ergebnissen des IT-Gipfels ließ daher auch nicht lange auf sich warten.

Der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) bezeichnete das Gipfeltreffen in Dresden als "reine Schauveranstaltung". "Die Politik verharrt weiter in der Zuschauerrolle, während das Ende der Privatheit im Netz schnell näherrückt", orakelte BDK-Chef Klaus Jansen in der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Er forderte deutlich schärfere Regeln zum Schutz von Persönlichkeitsrechten. Außerdem müssten die Anbieter von Internet-Diensten dazu verpflichtet werden, rechtswidrige Inhalte aus dem Netz zu nehmen. Wer dem nicht nachkomme, dem müssten zivil- und strafrechtliche Sanktionen drohen. Netzpolitik müsse ferner endlich zur Chefsache werden, lautete Jansens Forderung an die Adresse der Bundeskanzlerin. Darüber hinaus müsse auch die Rolle des Bundesdatenschutzbeauftragten gestärkt werden.

Auch dieser war mit den Ergebnissen des Dresdner Gipfels alles andere als zufrieden. Peter Schaar kritisierte den vom Innenminister vorgelegten Gesetzentwurf als deutlich zu kurz gesprungen. Es sei zu hoffen, dass dies nur erste Gedanken zur Neugestaltung des Datenschutzes im Internet seien. Schaar zufolge dürften Nutzer- und Persönlichkeitsprofile nur dann angelegt werden, wenn der Betroffene ausdrücklich zugestimmt habe. Der Vorschlag de Maizières, dass eine Zustimmung erst mit Veröffentlichung derartiger Profile erforderlich sei, reiche bei weitem nicht aus.

Gemeinsam mit dem Bundesverband der Verbraucherschutzzentralen fordert Schaar neben einem verbesserten gesetzlichen Schutz von persönlichen Daten auch eine verbindlich geregelte Selbstverpflichtung der Industrie. Auch bei der Entwicklung neuer Techniken müssten Datenschutzbelange früher berücksichtigt werden. Zudem müsse sich die Politik stärker für internationale Abkommen einsetzen.

ITK-Report: Deutschland nur Mittelmaß

Deutschland lag als Standort für die Informations- und Kommunikationstechnik (ITK) im Vergleich der 15 führenden ITK-Nationen im Jahr 2009 nur im Mittelfeld. Das ist das Ergebnis des "Monitoring-Reports Deutschland Digital 2010", der im Vorfeld des IT-Gipfels von TNS Infratest vorgestellt wurde. Insgesamt wurden 24 Indikatoren bewertet. In keinem Teil-Ranking landete Deutschland auf den ersten beiden Plätzen.

Insgesamt schnitt der hiesige Standort nach fünf Kriterien besser ab als noch im Vorjahr, bei 14 Indikatoren fiel die Bewertung schlechter aus. "Eine Platzierung auf dem siebten Rang ist für mich nicht zufriedenstellend", sagte Hans-Joachim Otto, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Technolgie.

IT-Gipfel - Schulterschluss von Politik und IT-Wirtschaft

Bundesregierung und Verbände werteten den 5. Nationalen IT-Gipfel als Erfolg:

Laut Wirtschaftsminister Rainer Brüderle werden Ende des Jahres 98,5 Prozent der deutschen Haushalte über einen Internet-Anschluss mit mindestens 1 Mbit/s verfügen. Damit habe man das Ziel einer flächendeckenden Versorgung zwar knapp verfehlt, dennoch gehe die Breitbandstrategie gerade auch im Hinblick auf schnelle mobile Verbindungen auf.

Der Bitkom kündigte eine Bildungsoffensive an. Im Rahmen eines Software-Campus sollen jährlich 100 Informatiker zu IT-Führungskräften weiterentwickelt und finanziell gefördert werden. Außerdem soll ein Mentorenprogramm junge Firmen in ihrer Wachstumsphase unterstützen. Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, kündigte die Regierung an, die Zuwanderung von Hochqualifizierten zu erleichtern.

Regierung und IT-Wirtschaft haben Wachstumsfelder definiert, die durch Leuchtturmprojekte vorangetrieben werden. Dazu zählen E-Energy, E-Health und Cloud Computing.