Veränderungen im Freiberuflermarkt

IT-Freelancer sollten bei der Akquise mehrgleisig fahren

02.09.2015
Von 
Ina Hönicke ist freie Journalistin in München.
Direkt an einen Auftrag heranzukommen wird für IT-Freiberufler immer schwieriger, die Rolle der Personalvermittler immer wichtiger. Das kommt bei den IT-Profis unterschiedlich gut an.
  • Freiberufler sollten ihre Projekte genau prüfen, um nicht durchgereicht zu werden
  • Freelancer profitieren von einer guten Unternehmensbetreuung durch Mitarbeiter einer Vermittlungsagentur

"Als Freelancer bei großen Unternehmen direkt einen Auftrag zu bekommen, ist nahezu unmöglich geworden", erklärt Oliver Knittel, Inhaber von Insure-IT Assekuranz Consulting. Je größer das Unternehmen, desto wahrscheinlicher sei es, dass Personaldienstleister das Geschäft erledigen. Kettengeschäfte lehnt der erfahrene Freiberufler grundsätzlich ab. Seine Begründung: "Was soll von der Marge noch übrig bleiben, wenn so viele Beteiligten an der Vermittlungen verdienen wollen?"

Oliver Knittel, Insure-IT Assekuranz Consulting, wirft den Vermittlungsagenturen teilweise undurchsichtige Formulierungen vor.
Oliver Knittel, Insure-IT Assekuranz Consulting, wirft den Vermittlungsagenturen teilweise undurchsichtige Formulierungen vor.
Foto: Privat

Nebulöse Formulierungen der Agenturen sind ein Stolperstein

Auch wenn der Freelancer im Großen und Ganzen mit der Arbeit der meisten Agenturen zufrieden ist, hat er eine Reihe von Kritikpunkten. So regt sich Knittel beispielsweise über die unklaren Formulierungen bei den Ausschreibungen auf: "Vielfach hat man es mit einer Wünsch-Dir-was-Liste zu tun", wirft er den Vermittlern vor. Die Abkürzungen seien teilweise unklar formuliert. Der IT-Freelancer vermutet, dass Tätigkeitsbeschreibungen oft vom Einkauf oder von der Fachabteilung formuliert und an den Personalvermittler weitergereicht wurden.

Für ihn trennt sich hier die Spreu vom Weizen: "Ein guter Personalvermittler blickt auch bei diffusen Beschreibungen inhaltlich durch und weiß, wer von den IT-Selbständigen für die Position in Frage kommt. Das gelte sowohl für die fachlichen Qualifikationen als auch für die sozialen Fähigkeiten. Wie Freiberufler mit unverständlichen Formulierungen umgehen sollten, dafür hat Knittel drei Möglichkeiten parat: "Entweder lässt sich der Externe davon abschrecken oder er unterstützt den Personalvermittler mit seinem eigenen Know-how oder er klärt unklare Begriffe im direkten Gespräch mit dem Unternehmen."

Knittel sieht im Personalvermittler keinen Konkurrenten, der ihm die Aufträge wegschnappt, sondern den Dienstleister, der ihn im Vertrieb unterstützt. Sein Tipp: Das Eine tun, ohne das Andere zu lassen. "Ich nutze alle Vertriebskanäle und pflege die Kontakte zu Personalvermittlern und Unternehmen gleichermaßen. Damit fahre ich gut", betont der erfahrene Freelancer.

Personalvermittler haben große Qualitätsunterschiede

Kerstin Tammling, Arbeitsgruppenleiterin beim Deutschen Bundesverband IT für Selbständige e.V., kurz DBITS genannt, sowie freiberuflich im Projekt-, Lizenz- und Asset-Management tätig, stellt sehr wohl große Qualitätsunterschiede bei Personalvermittlern fest - vom "Durchreicher, der nicht qualifiziert, aber sehr bekannt ist, bis hin zu engagierten Vermittlern", sei alles dabei, beschreibt Tammling den Status quo. Ihrer Meinung nach wird es in puncto IT-Dienstleistung dann unangenehm, wenn weitere Vermittler zwischen dem Kunden und dem IT-Freelancer stehen. Jeder Vermittler wolle für seinen "Service", der zwangsläufig - je länger die Kette werde - immer weiter abnehme, eine Vergütung. "Hier sehe ich die IT-Selbständigen in der Pflicht", fordert Tammling. Der Freiberufler müsse das Konstrukt hinterfragen und seine Geschäftspartner (Vermittler) mit Umsicht aussuchen.

So sollte der Selbständige hellhörig werden, wenn ein nicht so bekanntes Vermittlungsunternehmen Positionen im Konzernumfeld anbietet. Das heißt ihrer Meinung nach nicht, dass kleine Vermittlungsagenturen keine direkten Lieferantenverträge mit großen Kunden haben können oder gar unseriös arbeiten. "Tatsache aber ist, dass einige Firmen, die in diesem Umfeld tätig sind, ihre Aufgabe darin sehen, IT-Freelancer einfach durchzureichen", warnt Tammling. Das Resultat: Der Kunde zahlt zum Beispiel einen Stundensatz von 100 Euro und erwartet dafür entsprechende Qualität. Letztlich aber bekommt er einen IT-Profi, bei dem nur 40 Euro Honorar ankommen. Die Freiberuflerin rät ihren Kollegen, die Aufträge sorgfältig zu prüfen und ein schlechtbezahltes Projekt auch mal abzulehnen.

IT-Freelancer sollten bei der Auswahl ihrer Projekte Vorsicht walten lassen und nicht alle angebotenen Aufträge auf der Stelle annehmen.
IT-Freelancer sollten bei der Auswahl ihrer Projekte Vorsicht walten lassen und nicht alle angebotenen Aufträge auf der Stelle annehmen.
Foto: Kostenko Maxim_shutterstock

Zwischenhändler verschlechtern die Situation

Thomas Matzner, Berater für Systemanalyse, und schon lange im Geschäft, fragt sich: "Warum hat der immer wieder erwähnte Fachkräftemangel letztendlich so wenig Einfluss auf die Art der Vermittlung sowie das Honorar?" Seiner Meinung nach glauben die Kunden, dass sie die Leistung Externer zurzeit besonders billig bekommen können. "Fest steht, heute schlägt die Stunde der Zwischenhändler", erklärt Matzner. Er räumt ein, dass er diese Zuspitzung der Projektsituation in letzter Zeit bei der Akquisition am eigenen Leibe erlebt hat. "Wenn selbst Ex-Kollegen von früher einem kein Projekt vermitteln können, weil alles über den Einkauf und Zwischenhändler läuft, dann hat sich die Situation gegenüber früher verschlechtert", sagt er.

Der IT-Freelancer ist überzeugt, dass dadurch die Qualität der Personalauswahl sinkt. "Weder die so genannten Recruiter der Zwischenhändler noch deren Auftraggeber, die Einkäufer, haben ein tiefergehendes Verständnis für das Leistungsangebot des Freelancers", beschreibt Matzner den Status quo. Hinter vorgehaltener Hand sei zu hören, dass die Agenturen von vornherein nur den billigsten Freelancer in der Datenbank suchen. Da sei es kein Wunder, dass sich IT-Freiberufler häufiger als in den vergangenen Jahren nach einer Festanstellung umsehen würden.

"Erschwerend hinzu kommt, dass Freiberufler schon per se als Scheinselbständige verdächtigt werden", meint der IT-Freelancer. Dabei würde es keine Rolle spielen, ob der Externe mehrere Kunden hat, nicht weisungsgebunden ist und auch alle anderen Vorgaben erfüllt. "Dieses Bild ist schlecht für das Geschäft, und ob die Pläne der Bundesregierung daran etwas ändern, wage ich zu bezweifeln", betont Matzner.

Insgesamt aber fällt das Fazit positiv aus, was die Zusammenarbeit mit den Vermittlungsagenturen angeht. So meint der freiberufliche Softwareentwickler Christian Müller: "Wenn die Mitarbeiter einer Agentur ein Unternehmen gut betreuen, wissen sie viel besser als ich, was der Konzern wirklich benötigt, unabhängig von dem, was auf dem Papier steht. Davon kann ich nur profitieren."

Bundesverband Informationstechnologie für Selbständige

Der Deutsche Bundesverband Informationstechnologie für Selbständige e.V. (DBITS e.V.) versteht sich als die berufsständische Vertretung aller selbständigen IT-Unternehmer in Deutschland. Er setzt sich eigenen Angaben zufolge für die Verbesserung der wirtschaftlichen, rechtlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen für die Arbeit von selbständigen IT-Unternehmern ein. Unter anderem will er sich mit Themen beschäftigen, die die Selbständigkeit in der IT-Branche erleichtern.