IT-Forum der IDC

09.08.2001
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Alexander Freimark wechselte 2009 von der Redaktion der Computerwoche in die Freiberuflichkeit. Er schreibt für Medien und Unternehmen, sein Auftragsschwerpunkt liegt im Corporate Publishing. Dabei stehen technologische Innovationen im Fokus, aber auch der Wandel von Organisationen, Märkten und Menschen.
MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) – Im Gegensatz zu früheren Veranstaltungen war das diesjährige europäische IT-Forum der International Data Corp. (IDC) von der gedrückten Stimmung in der Branche geprägt. Die Unsicherheit wurde durch den Compaq-HP-Merger und die Terrorangriffe in den USA noch verstärkt. Prognosen, wann es wieder aufwärts geht, wagt ohnehin kaum jemand mehr.

Kein Vertrauen auf Seiten der Kunden, strikte Sparmaßnahmen der Anwender, eine Flaute im PC-Bereich und regelmäßig Firmenpleiten – das Geschäft mit der Informationstechnologie ist mühselig geworden, der Motor der modernen Wirtschaft stottert. Spätestens seit den Anschlägen in den USA ist nur noch ein Punkt sicher: Der lang herbeigeredete Aufschwung kommt definitiv nicht mehr in diesem Jahr, sämtliche in diese Richtung zielenden optimistischen Planungen und Analysen sind auf einen Schlag hinfällig geworden.

Gibt es Licht am Ende des Tunnels?

Dies traf auch für das europäische IT-Forum von IDC zu, auf dem die Analysten eigentlich ein positives Zeichen setzen wollten. „Gibt es Licht am Ende des Tunnels?“ hieß das Motto der Veranstaltung, doch statt eines Hoffnungsschimmers zeichnete sich ab, dass von einer Wende zum Guten erst einmal keine Rede sein kann: „Mit dem Abschwung wird die Branche noch eine Weile leben müssen“, befürchtet auch Intershop- Chef Stephan Schambach.

Derweil bemühten sich die versammelten Wirtschafts- und IT-Experten vergangene Woche in Monaco, die deprimierenden Kurvenverläufe der Aktienindizes und IT-Budgets in leicht verständliche Buchstabensymbole zu übersetzen. Waren die meisten Beobachter ursprünglich von einem V-förmigen Verlauf der Konjunktur ausgegangen, wird nun immer häufiger ein „U“ zitiert. Dabei weiß jedoch niemand, wie lang die horizontale Talsohle überhaupt ausfallen wird. Der Ökonom Lester Thurow, Professor am Massachusetts Institute of Technology (MIT), geht sogar davon aus, dass sich die Konjunktur noch mitten in der Phase des Abschwungs befindet: „Die harte Landung ist nicht abgeschlossen“, warnte er.

Eine neue Buchstabenoption als Prognoseansatz brachte Compaq-CEO Michael Capellas ins Spiel. Für ihn steht fest, dass vor der Branche ein steiniger Weg liegt. Statt eines raschen und lang anhaltenden Aufschwungs nach dem Crash rechnet er damit, dass es künftig zu stetigen zyklischen Auf- und Abbewegungen der IT-Ausgaben und damit auch der Börsenbarometer kommt. „Die Nachfragespitzen bleiben uns noch eine Weile erhalten“, meinte Capellas. Statt U und V also ein W? Nichts Genaues weiß man nicht, aber für den designierten HP-President besteht „kein Zweifel, dass die IT-Industrie gerade eine harte Zeit durchmacht“. Erschwerend komme hinzu, dass der Innovationsprozess in einigen Segmenten ins Stocken geraten ist. Damit kritisierte Capellas den deprimierenden Verlauf des PC-Geschäfts, der durch den texanischen Billigkonkurrenten Dell angeheizt wurde. Die gegenwärtig herrschende Preisschlacht sei „brutal“ und werde noch eine Weile andauern. Jedoch müsse die Stagnation in der Forschung und Entwicklung nicht unbedingt ganz schlecht sein, so der Compaq-Chef. Sie führe lediglich dazu, dass sich die Nachfrage von PCs hin zu kompletten Lösungspaketen verschiebe – die er künftig natürlich selbst im Rahmen des neuen HP-Konzerns anbieten will.

Damit leitete Capellas elegant zum zweiten beherrschenden Thema des IT-Forums über, nämlich dem geplanten Zusammenschluss von HP und Compaq. Sowohl der Topmanager als auch HPs CEO Carleton Fiorina nutzten via Satellit als Keynote-Sprecher weidlich die Gelegenheit, die angeblichen Vorzüge der Fusion herauszukehren und eine goldene Zukunft für den neuen Konzern gegen den Branchentrend zu skizzieren. Die Motive des Zusammenschlusses seien nicht, wie von der Presse fälschlich kolportiert worden sei, eine Konsolidierung des PC-Geschäfts und Kosteneinsparungen. Vielmehr biete die Fusion laut Fiorina „wunderbare Möglichkeiten“, das eigene Standing im Enterprise-Computing nachhaltig zu verbessern.

Marktübergreifende Standards

Nach Angaben der HP-Chefin soll dies in erster Linie durch offene, marktübergreifende Standards und Architekturen geschehen. Sie führten zu einer größeren Auswahl an Produkten, schafften mehr Wettbewerb und versetzen die Kunden in eine einflussreichere Position – „wo die Kontrolle schließlich hingehört“, so die Konzernchefin. „The new HP“ werde ein stärkerer Lieferant und ein besserer Partner sein: „Der Zusammenschluss ist nicht defensiv ausgelegt, wir wollen führen und nicht folgen.“ Konkrete Anhaltspunkte, wie diese Absichten zu verwirklichen seien, blieb Fiorina jedoch schuldig.

Die Stoßrichtung des neuen Konzerns wurde allerdings unmissverständlich vorgegeben: Das Ziel heißt Big Blue. Doch musste Fiorina trotz des Mergers auch gewisse Defizite einräumen: „Im Bereich Services sind wir noch nicht so weit wie IBM.“ HP habe hier viel Arbeit vor sich und werde sowohl organisch als auch durch gezielte Übernahmen von kleineren Dienstleistern speziell in vertikalen Märkten wachsen. Trotzdem sei der Konzern bereits jetzt ein starker Partner, sowohl für Softwareanbieter wie Microsoft und SAP als auch für die großen Vertreter im Beratermarkt à la Accenture, Pricewaterhouse-Coopers oder Cap Gemini. Was sämtliche Companies verbinden

soll: „Wir haben alle einen gemeinsamen Gegner“, so Fiorina.

HPs Konkurrenz ist gelassen

Zu den Konkurrenten des Unternehmens zählt sich traditionell immer noch Sun Microsystems, das nach Angaben seines Europa-Chefs Robert Youngjohns dem Merger durchaus positive Seiten abzugewinnen vermag. So werde es wegen rechtlicher Fragen noch mindestens sechs Monate dauern, bis die konkrete Integration der beiden Konzerne angegangen werden kann. Die zwischenzeitliche Unsicherheit über die Zukunft der Produktlinien biete Sun laut Youngjohns kurzfristige Chancen, um wechselwillige HP- und Compaq-Kunden ins eigene Boot zu ziehen.

Den kompletten Beitrag " IDC: Die Krise der IT-Branche weitet sich aus" lesen Sie in der COMPUTERWOCHE 39/2001.