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IT-Fachkräftemangel: Deutsches Bildungssystem in der Krise

29.11.2000

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Mit dem deutschen Ausbildungs- und Weiterbildungssystem sowie den politischen Maßnahmen à la Greencard zur Behebung des IT-Fachkräftemangels geht das Institut für angewandte Innovationsforschung e.V. (IAI) in Bochum hart ins Gericht. Die Lücken in den Nachwuchsketten seien kurzfristig nicht zu schließen, älter werdende Fachkräfte könnten mit den neuesten Technologien nicht mehr Schritt halten und die bislang von der Politik angestrebten "Reförmchen" kurierten an den "Symptomen einer überkommenen Ausbildungslandschaft". Die Modernisierung des aktuellen Systems werde mindestens zehn Jahre dauern, hieß es.

In einer aktuellen Studie erklärt das Bochumer Institut, der Mangel an Gründern und Fachkräften werde sich in Zukunft erheblich verstärken. Während sich beispielsweise 1990 rund 20.000 Studenten für ein ingenieurwissenschaftliches Studium einschrieben, sind es heute nur knapp die Hälfte. Noch dramatischer sei die Entwicklung in Teilen der Naturwissenschaften. Absolvierten 1992 über 8000 Studenten der Chemie und Physik ihr Vordiplom, so waren es 1998 nicht einmal mehr 2500.

Zudem bemängelt der Verein die zu stark auf Theorien setzende Ausbildung der heutigen Jugend in Deutschland, die zwar formal höher qualifiziert, in der Praxis jedoch unerfahren ist. Die neue Generation sei daher vielfach handlungsunfähig oder komme gar nicht erst in das Arbeitssystem hinein.

Des weiteren habe sich der Kompetenzverfall im Berufsverlauf von Fachkräften beschleunigt. Trotz des gravierenden Fachkräftemangels verlieren immer mehr Ingenieure und Naturwissenschaftler im Alter von über 45 Jahren ihren Arbeitsplatz. Die Arbeitslosigkeit dieser Bevölkerungsgruppe hat seit Beginn der 90-er Jahre um bis zu 800 Prozent zugenommen - das ist laut IAI deutlich mehr als bei den Hilfsarbeitern. Ferner gehe das auf reine Wissensvermittlung reduzierte Aus- und Weiterbildungssystem an der Praxis innovativer Betriebe vorbei.

Um die Fachkräftelücke hierzulande zu schließen, reiche Zuwanderung nicht aus. Erich Staudt, Leiter des IAI, fordert daher eine Korrektur der bisherigen Bildungs-, Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik. Zudem müssten die Unternehmen mehr Verantwortung bei der Kompetenzentwicklung des Nachwuchses übernehmen.