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IT-Experten verlangen weitergehende Bemühungen für die Branche

19.12.2006
Die Bemühungen der Bundesregierung um die IT-Branche in Deutschland sind nach Expertenmeinung nicht ausreichend.

Nicht nur eine verstärkte Nachwuchs- und Forschungsförderung, sondern auch ein kulturelles Umdenken fordert der Paderborner Informatikprofessor Reinhard Keil. "Bei uns herrscht immer noch das Grundverständnis, dass Bildung nichts mit Technik zu tun hat", sagte Keil am Dienstag im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur (dpa).

Beim nationalen IT-Gipfel am Montag in Potsdam hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gefordert, die bis 2009 zusätzlich geplanten sechs Milliarden Euro für Forschung und Entwicklung strategisch vernünftig auszugeben. Damit solle Deutschland in der Informationstechnologie auf dem Weltmarkt gestärkt werden.

Keil klagte, für einen gebildeten Menschen sei es heute immer noch gesellschaftsfähig, sich nicht für Technik oder Computer zu interessieren. Mit der kulturellen Haltung gegenüber Technik gehe auch ein negatives Image der Informationstechnologie einher. "Informatik gilt meist als Beschäftigung für nicht-sozialfähige Bastler, die in ihre Maschine hineinkriechen", sagte Keil. "Was die Leute übersehen, ist die Tatsache, dass das Fach sehr hohe Sozialkompetenzen erfordert.» Wer zum Beispiel bei der Entwicklung von neuen Programmen im Team oder bei der Kundenpräsentationen nicht gut kommunizieren könne, erleide schnell Schiffbruch. Diese Qualifikation werde oft vernachlässigt - im Bewusstsein der Menschen, aber auch in der Lehre an Universitäten.

Die Wissensvermittlung an deutschen Universitäten hinkt nach Ansicht des IT-Experten und Managementberaters Alfons Rissberger dem technischen Fortschritt weit hinterher. "IT bietet neue Möglichkeiten, Kenntnisse auf höchst effektive Weise bei höchster Qualität zu vermitteln. Mit Hilfe modernster Lernsoftware, in der das Know-how der besten Hochschullehrer abgebildet ist, kann Grundlagenwissen weit wirkungsvoller vermittelt werden als in traditionellen Vorlesungen. Und wir können hunderte Millionen sparen", sagte Rissberger der dpa.

Rissberger beklagte, dass weder beim IT-Gipfel noch in der milliardenschweren Exzellenz-Initiative für Spitzenhochschulen das computergestützte so genannte E-Learning eine Rolle gespielt habe. "Das ist, als wenn wir mit der Dampflok auf einer ICE-Strecke Fahrt aufnehmen wollten. Die hervorragende Idee einer besonderen Förderung von Elite-Universitäten wird nur dann Erfolg haben, wenn wir auch effizientere Möglichkeiten der Wissensvermittlung nutzen", sagte er kurz vor der zweiten Wettbewerbsrunde um die staatlichen Zuschüsse im Januar.

Nach Einschätzung Rissbergers könnten durch "konzertierten E-Learning-Einsatz im Grundstudium zwei Drittel der standardisierbaren Vorlesungen ersetzt werden". Das schaffe Freiräume für eine qualifiziertere Vor- und Nachbereitung der Lehre, die Darstellung neuester Forschungs- und Diskussionsergebnisse und mehr soziales Lernen. (dpa/tc)