Gartner-Analyst Andrew Frank

"IT-Experten müssen sich im Marketing weiterbilden"

17.09.2013
Von 


Simon Hülsbömer betreut als Senior Research Manager Studienprojekte in der Marktforschung von CIO, CSO und COMPUTERWOCHE. Zuvor entwickelte er Executive-Weiterbildungen und war rund zehn Jahre lang als (leitender) Redakteur tätig. Hier zeichnete er u.a. für die Themen IT-Sicherheit und Datenschutz verantwortlich.
Mit einem "Netzplan für das digitale Marketing" hat das Analystenhaus Gartner für Aufsehen gesorgt. Wir haben bei Andrew Frank, der für Gartner das Marketingumfeld beobachtet, nachgefragt.

CW: Warum hat Gartner die "Digital Marketing Transit Map" veröffentlicht?

Andrew Frank ist seit sieben Jahren bei Gartner als Marketing-Analyst tätig.
Andrew Frank ist seit sieben Jahren bei Gartner als Marketing-Analyst tätig.
Foto: Gartner

ANDREW FRANK: In der Planungsphase für neue Marketing-Services haben wir in Gesprächen festgestellt, dass es viele ungeklärte Fragen zu Technologien, Organisationsstrukturen und sogar grundlegenden Begrifflichkeiten im Bereich des digitalen Marketings gibt. Uns wurde klar, dass es hier eines neuen Tools bedarf, um nicht nur die Anbieter und ihre Produkte aufzuzeigen, sondern die Zusammenhänge einzelner Bereiche zu klären. Die meisten der bereits erhältlichen Visualierungs-Werkzeuge konnten aber kein klares Bild erzeugen, nicht erklären, wie verschiedene Bereiche funktionieren und wie sie in einen Unternehmensablauf eingebunden werden müssen, um einen durchgängige Prozess des digitalen Marketings zu erreichen.

CW: Warum sind diese Fragen nicht mit einem der etablierten Mittel - einem "Magic Quadrant" oder einem "Hype Cycle" - zu beantworten?

FRANK: Ein "Magic Quadrant" ist sinnvoll, wenn die Anforderungen in einem bestimmten Unternehmensfeld schon bekannt sind. Er ist nicht dazu da, bei der Entscheidung zu helfen, welche Funktionen benötigt werden. Der "Hype Cycle" ist dazu gut, die Reife und Geschwindigkeit bestimmter Trends abzubilden, sagt aber nichts über deren Zusammenhänge aus und in welcher Beziehung sie zu bestimmten Teilen eines Unternehmens stehen.

CW: Wie genau können Unternehmen den Netzplan im Tagesgeschäft einsetzen?

FRANK: Da ist zum einen natürlich der Überblick über den Markt, so wie Gartner ihn sieht. Das ist gut zur persönlichen Weiterbildung zu verwenden, auch was die Zusammenhänge zwischen einzelnen Begriffen angeht. Darüber hinaus lassen sich Fachgespräche besser strukturieren, sei es mit einem Analysten oder mit einem anderen Unternehmensbereich. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass beispielsweise der Dialog zwischen IT- und Marketingabteilung vereinfacht wird. Laufende Diskussionen, etwa im Bereich Social Media oder Mobile Advertising, bekommen mehr Kontext, weil die Begriffe klarer werden.

Cloud-Services als Haupttreiber

CW: Erklären Sie kurz die Wichtigkeit der einzelnen Begriffe - wie ist die Karte genau aufgebaut?

FRANK: Je weiter im "südlichen Zentrum" des Plans sich ein Thema befindet, desto eine größere Relevanz weisen wir ihm zu - beispielsweise der "Digital Marketing Hub" oder die "Digital Agency". Je weiter es in die Randbereiche geht - dargestellt durch die gestrichelte Linie - desto weiter kommen wir in angrenzende Technologiefelder und auch in Bereiche, die sich erst noch entwickeln müssen. Diese sind oft nur für ganz spezielle Bedürfnisse interessant, nicht für die große Masse an Unternehmen.

CW: Kommen wir auf die Marketing-Trends selbst zu sprechen - Inwiefern spielen Cloud-Dienste eine wichtige Rolle?

FRANK: Cloud-Services gehören zu den Haupttreibern der Fragmentierung des Marketings. Marketiers können heute vieles schnell und einfach umsetzen, ohne ihre IT-Abteilung anzurufen. Das ist ein zweischneidiges Schwert - auf der einen Seite wird das Marketing agiler, was wiederum der IT helfen kann, weil weniger Unterstützung und Service notwendig ist. Auf der anderen Seite entstehen Sicherheits- und Datenschutz-Probleme sowie Redundanzen, weil vieles nach außen gegeben und der internen IT aus der Hand genommen wird.

CW: Wie geht diese Zusammenarbeit zwischen Marketing und IT-Abteilung weiter? Brauchen die Marketingexperten die interne IT überhaupt noch?

FRANK: Die Unternehmen, die die Beziehung zwischen IT und Marketing weiterentwickeln können, werden den größten Erfolg haben. Einige haben eine Schatten-IT aufgebaut, die ausschließlich die Marketingprozesse unterstützt. Der bessere Weg ist die Verknüpfung beider Welten, um sich gegenseitig zu unterstützen zu können. Natürlich ist das eine Herausforderung - es braucht Change Management, vielleicht neues Personal, neue Rollen innerhalb einer Organisation. Diese Neukonzeption ist aber wichtig, um mit der Realität im Markt Schritt zu halten.

Einfluss in anderen Fachabteilungen wächst

CW: Welche anderen Unternehmensbereiche neben der IT werden die Zusammenarbeit mit dem Marketing intensivieren?

FRANK: Je strategischer das digitale Marketing wird, desto größer wird sein Einfluss auch auf andere Bereiche wie Forschung und Entwicklung - Stichwort Produktdesign - oder auch HR. Ich glaube, dass auch die Rechtsabteilungen stärker mit dem Marketing zusammenarbeiten werden. Gerade der europäische Rechtsrahmen verschiebt sich in Bezug auf den Datenschutz derzeit erheblich - mit großen Auswirkungen auf das Marketing und seine Möglichkeiten.

CW: Was empfehlen Sie Unternehmen in Bezug auf ihre Marketing-Strategie im digitalen Umfeld?

IT- und Marketingexperten müssen stärker zusammenarbeiten.
IT- und Marketingexperten müssen stärker zusammenarbeiten.
Foto: goodluz/shutterstock.com

FRANK: Besonders die IT-Experten müssen sich im Marketing-Umfeld weiterbilden, sie müssen die Technologien dahinter verstehen. Ein guter Ausgangspunkt sind die Daten, weil vieles im Marketing-Bereich heute datenbezogen stattfindet - Daten sammeln, auswerten und verknüpfen. Mein Ratschlag: Finden Sie eine Marketing-Applikation, die sich auf ein Big-Data-Projekt bezieht und nutzen Sie dies als Plattform, um die Zusammenarbeit zwischen IT- und Marketing-Abteilung zu intensivieren.