Web

IT-Einkauf heute - wie auf dem Basar

10.05.2002
Firmen, die sich neue IT anschaffen und Dienstleistungen in Auftrag geben wollen, können angesichts der Wirtschaftsflaute derzeit günstige Konditionen aushandeln.

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Firmen, die sich neue IT anschaffen und Dienstleistungen in Auftrag geben wollen, können angesichts der Wirtschaftsflaute derzeit günstige Konditionen aushandeln. Allerdings machen es die komplizierten Preismodelle speziell im Softwarebereich nicht einfach, mögliches Einsparpotenzial aufzuzeigen.

Mit der allmählichen Konjunkturbelebung in den USA zeichnet sich auch im IT-Markt eine Besserung der Lage ab. Erholen wird sich die Branche jedoch nicht vor nächstem Jahr, warnen Experten. Die knappen Budgets zwingen die Anbieter, sorgsamer mit ihren Kunden umzugehen - für Anwender eine Chance, günstigere Konditionen auszuhandeln. "Natürlich wissen die Einkaufsprofis, wie schwer es für die Anbieter derzeit ist - und das nutzen sie aus", so Peter O’Neill, Manager Consultant bei der <a href="http://www.metagroup.de/" targetr="_blank">Meta Group</a>. "Es wird härter verhandelt als noch vor einem Jahr." Vor allem die von Überkapazitäten geplagte TK-Branche ist froh, überhaupt noch Abnehmer zu finden. "Jetzt ist die ideale Zeit für gute Deals", glaubt auch Bill Lesieur von <a href="http://www.tbri.com/" target="_blank">Technology Business Research</a>.

Angesichts der elastischen Margen bot das Softwaregeschäft schon immer einen großen Kalkulationsspielraum. "Es ist ganz normal, dass die Anbieter in guten Zeiten höhere Preise verlangen und in schlechten Zeiten mit den Preisen heruntergehen", so O’Neill. "Die Lizenzkosten befinden sich im freien Fall, Rabatte auf die Listenpreise von 30 Prozent sind keine Seltenheit." Die IT-Marktflaute habe diese Entwicklung noch beschleunigt. "Vor allem Early Adopters, Referenzkunden und Großabnehmer können momentan so verhandeln, dass sogar finanziell gesunde Anbieter die Folgen der Rezession zu spüren bekommen", ist auch <a href="http://www.gartner.com/" target="_blank">Gartner</a>-Analystin Karen Peterson überzeugt.

Allerdings hat die Krise die Anbieter hier nur auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. "Der fast ungebremste Preisauftrieb der vergangenen Jahre ist abgefangen - von einem Preisrückgang kann jedoch nicht die Rede sein", konstatiert Andreas Resch, Geschäftsführer des Logistik-Dienstleisters <a href="http://www.fiege.de/" target="_blank">Fiege</a>. "Gerade die US-amerikanischen Anbieter aus dem SCM-Umfeld, die mit einem unglaublichen Selbstbewusstsein fast siebenstellige D-Mark-Beträge als Einstiegsgebühr verlangt haben, finden keinen Dummen mehr", so Resch. Mittlerweile sei jedem klar, dass die eigentlichen Kosten nicht beim Erwerb der Lizenz, sondern bei der Einführung der Software entstehen. Deshalb könne man mit den Herstellern auch ganz anders reden und Sonderkonditionen aushandeln.

Komplexe Lizenzmodelle

Aber auch das Feilschen um den Preis ist schon lange gängige Praxis. "Man einigt sich erst, wenn der Kunde das Gefühl hat, das günstigste Angebot erhalten zu haben, das der Lieferant unter den jeweiligen Umständen abgeben konnte", schildert Christoph Laube, Region Manager bei der IBM-Anwendergruppe Guide Share Europe (<a href="http://www.gse.org/" target="_blank">GSE</a>). "Das kann so weit gehen, dass der Kunde damit droht, ein Produkt ganz rauszuschmeißen." Speziell bei Software ist es jedoch nicht leicht, herauszufinden, ob es sich bei dem jeweils Erhandelten tatsächlich um das untere Ende der Fahnenstange handelt. "Die Zeiten, in denen es noch klare Preislisten gab und man abschätzen konnte, was <a href="http://www.sap.de/" target="_blank">SAP</a> R/3 oder eine <a href="http://www.oracle.com/" target="_blank">Oracle</a>-Datenbank kostet, sind vorbei", bedauert Dieter Sinn von der Unternehmensberatung Sinn Consulting. Heute gehe es häufig zu "wie im Basar".

"Bei IBM gibt es zahlreiche, sehr unterschiedliche Lizenzmodelle, die der Kunde nur unter bestimmten Bedingungen nutzen kann", bestätigt Laube. Beim Prüfen der Konditionen habe die GSE Klauseln gefunden, die sogar nachteilig für Big Blue waren. "Das lässt darauf schließen, dass IBM da selber nicht mehr so ganz durchblickt." Eine von GSE ins Leben gerufene "Task Force" zum Thema Software-Pricing soll als Wegweiser durch Big Blues Dschungel an Lizenzmodellen dienen, an denen laut Laube "mindestens einmal pro Jahr herumgeschraubt wird". Inoffiziell zeigt die Initiative Anwendern aber auch günstige Konditionen auf. Durch den Einbruch des IT-Markts hat sich die Position der Anwender laut Laube allerdings nicht nennenswert verbessert: "Davon, dass die Lieferanten - etwa mit Verweis auf die schlechte Marktlage - ihren Kunden verstärkt entgegenkommen, kann keine Rede sein." Nach Ansicht von Rolf Scheuch, stellvertretender Vorsitzender der <a href="http://www.doag.de/" target="_blank">DOAG</a> (Deutsche Oracle-Anwendergruppe), dagegen ist durch die momentane Marktsituation der Preisdruck für die Anbieter eindeutig gestiegen.

Anwendervorteil nicht garantiert

Allerdings können die Kunden den größeren Verhandlungsspielraum nicht immer für sich nutzen. "Die zahlreichen Möglichkeiten bedeuten noch lange nicht, dass der Abnehmer am Ende wirklich als der Gewinner dasteht", räumt Berater Sinn ein. Denn nicht selten seien großzügige Rabatte bereits im Vorfeld bei der Preisgebung einkulakuliert beziehungsweise prophylaktisch "draufgeschlagen" worden. Ob sich auch beim Hardwareeinkauf die Chancen auf ein Schnäppchen verbessert haben, ist umstritten. Laut Meta-Group-Berater Peter O’Neill wird hier derzeit besonders eifrig um günstige Konditionen gefeilscht. Auf den Anbietern laste ein enormer Preisdruck - nicht zuletzt deshalb, weil die meisten Unternehmen inzwischen gut ausgestattet seien.

Anders sieht das Fiege-Geschäftsführer Resch. Seinen Erfahrungen nach sind die Anforderungen etwa an Arbeitsplatzrechner zwar zurückgegangen, insbesondere in Sachen Rechenleistung und Speicherkapazität wird den Systemen jedoch immer mehr abverlangt. "Die Hersteller haben es nicht nötig, die Preise zu drücken", so Resch. Der IT-Leiter eines Bremer Unternehmens, der nicht genannt werden will, kann das bestätigen: Es sei stets möglich gewesen, über Verhandlungen "Kampfpreise rauszuholen". So habe er Hersteller wie <a href="http://www.fujitsu-siemens.de/" target="_blank">Fujitsu-Siemens</a>, <a href="http://www.hp.com/" target="_blank">HP</a> und <a href="http://www.compaq.com/" target="_blank">Compaq</a> vor zwei Jahren im Zuge der europaweiten Server-Migration seiner Firma dazu gebracht, sich gegenseitig derart zu unterbieten, "dass es sich so richtig gelohnt" habe.

Auf die Quantität kommt’s an

Primäre Voraussetzung für vorteilhafte Deals ist allerdings das entsprechende Abnahmevolumen - und das gilt nicht nur für Hardware, sondern auch für Software und Dienstleistungen. "Kein Anbieter wird mir einen Superpreis machen, wenn ich nur zwei Server von ihm haben will, sprich: für ihn lediglich 20.000 oder 30.000 Euro dabei rauskommen", erklärt der IT-Chef der Bremer Firma. Bei Abnahme von 20 bis 25 Geräten seien 30 Prozent Rabatt jedoch durchaus realistisch. Seiner Erfahrung nach lassen sich Hersteller sogar darauf ein, beim Erstkauf ausgehandelte Vergünstigungen auch für künftige Anschaffungen zu gewähren - was jedoch vertraglich festgehalten werden sollte.

Im Dienstleistungsbereich können die Kunden dagegen in jedem Fall mit krisenbedingten Vergünstigungen und vergleichsweise pflegeleichten Verhandlungspartnern rechnen. Insbesondere für die Beraterbranche scheint der Wirtschaftsabschwung nur schwer verdaulich. "Da sitzen erhebliche Überkapazitäten herum", beobachtet Consultant Sinn die Konkurrenz. Im Bemühen, ihre Leute überhaupt in einem Projekt unterzubringen, seien die Beratungsfirmen für Rabatte offener denn je. "Die trumpfen nicht mehr so groß auf wie früher und backen jetzt auch kleinere Brötchen", frohlockt der DV-Verantwortliche eines großen Softwareunternehmens. Zum Beispiel seien die Consultants inzwischen auch bereit, nur für einen Tag "so vorbeizukommen, ohne dabei gleich abzukassieren zu wollen".

"Die Preise für Dienstleister und Fachkräfte sind in den vergangenen sechs Monaten um bis zu 20 Prozent gesunken", freut sich auch <a href="http://www.t-systems.de/" target="_blank">T-Systems</a>’ IT-Chef Knick. So seien die Stundensätze etwa in der Administration von 60 Euro auf mittlerweile 49 Euro gefallen. Eine Ausnahme seien allerdings Dienstleistungen im Mainframe-Bereich. "Spezialisten in diesem Umfeld sind rar und entsprechend begehrt", erklärt der IT-Leiter. Drei bis fünf Prozent Preisnachlass seien dort das Äußerste der Gefühle. (kf/sp)

Gewusst wie: So können Anwender beim IT-Shopping Geld sparen

Selbst wenn der Anwender beim Erstauftrag einen guten Deal erzielt hat - viele Hersteller versuchen, die günstigen Konditionen im Nachhinein durch höhere Folgepreise zu kompensieren. IT-Manager sollten die Verträge daher genau prüfen und sich bei einer Softwareanschaffung nicht nur auf die Lizenz- und Implementierungsgebühren konzentrieren, sondern gleich das Thema Updates, Wartung und Support ansprechen.

Auch die Möglichkeit, Verträge im Nachhinein zu modifizieren, sollte man nutzen. So konnte der Logistik-Dienstleister Fiege die Folgekosten gemeinsam mit seinen Geschäftspartnern reduzieren - für Dienstleistungen, die zwar bezahlt, aber nicht zu 100 Prozent in Anspruch genommen wurden. Auch nach Ansicht von Meta-Group-Berater Peter O’Neill ist das Nachverhandeln sinnvoll:"Wer sich etwa drei Jahre alte Verträge durchliest, wird feststellen, dass in fast jedem Fall noch Einsparpotenziale bestehen."

Das Timing kann ebenfalls eine entscheidende Rolle spielen: "Verhandlungen am Ende des Quartals erhöhen die Kompromissbereitschaft, vor allem, wenn Vertriebsleute ihre Vorgaben nicht erreicht haben", erklärt <a href="http://www.aberdeen.com/" target="blank">Aberdeen</a>-Analystin Katherine Jones.

Speziell bei Dienstleistungen lässt sich der Verhandlungsspielraum auch durch Second-Source-Strategien vergrößern. So kann ein Unternehmen, das zwei Outsourcer gleichzeitig beschäftigt, beide um ein Angebot bitten und sie dann gegeneinander ausspielen. Zwar entstehen durch die zweigleisige Taktik Zusatzkosten, die den Einkaufsvorteil wieder aufheben können. Denn bei zwei Bezugsquellen muss nicht nur doppelt verhandelt werden - auch die Anforderungen an das eigene Know-how steigen. Da im Outsourcing-Sektor Preislistenvergleiche nicht üblich sind, werden solche Praktiken laut Consultant Sinn jedoch auch noch nach der Krise Bestand haben. "Um sich hier gegen erhöhte Preise zu schützen, kann man nur rigide die Anbieter vergleichen."

Für Hardwareanschaffungen ist der Zwei-Quellen-Ansatz dagegen nur bedingt zu empfehlen, da bei der Betreuung etwa verschiedener Plattformen neben den genannten Zusatzaufwendungen auch noch doppelte Kosten für Implementierung, Wartung, Schulung sowie Auftragsabwicklung anfallen. Standardisierung gilt hier nach wie vor als klassisches Instrument zur Kostenreduzierung. "Große Unternehmen haben nie mehr als drei Anbieter unter Vertrag", weiß Meta-Berater O’Neill. "Um die Qualität zu wahren, sollte der Kunde aber nicht nur auf das schnelle und kostengünstige Geschäft aus sein, sondern in seinem Lieferanten einen Partner sehen, der mitdenkt und auch Rationalisierungspotenziale aufzeigen kann", warnt Rolf Scheuch von der Oracle-Anwendergruppe DOAG. Dagegen rät O’Neill von Bindungen an einen Hersteller ab, die auf länger als ein Jahr ausgelegt sind. "In den nächsten Jahren wird noch viel passieren im Markt. Der

HP-Compaq-Merger ist wahrscheinlich erst der Anfang."

Eine ganz neue Möglichkeit, die IT-Preisgestaltung mit der konjunkturellen Entwicklung zu koppeln, könnte auch die flexible Gestaltung der Softwarelizenzgebühren sein. So schlägt Christoph Laube von Guide Share Europe (GSE) vor, die Basiskosten nur zu einem Drittel fix zu berechnen und die restliche Summe von der Nutzung der Software, besser noch vom Unternehmenserfolg des Nutzers abhängig zu machen. "Das wäre eine gerechte und betriebswirtschaftlich sehr interessante Lösung."