Merrill-Lynch-Umfrage unter CIOs

IT-Budgets in Europa schmelzen

20.07.2001
MÜNCHEN (CW) - Die IT-Verantwortlichen von US-Firmen blicken optimistischer in die Zukunft als ihre europäischen Kollegen. Wie Merrill Lynch in einer Umfrage herausfand, rechnen die CIOs in den USA tendenziell mit einem Anstieg ihrer Budgets, die Europäer hingegen erwarten eine Reduzierung ihrer Ausgaben.

Die Analysten der Investmentbank befragten 50 amerikanische sowie 15 europäische CIOs zu ihren kurzfristigen Planungen. Die Amerikaner schätzen, rund 5,5 Prozent mehr als im Vorjahr für ihre technische Ausstattung auszugeben, während man auf dem Alten Kontinent ein um 1,7 Prozent geschrumpftes Budget erwartet. Anfang des Jahres waren die US-amerikanischen Befragten noch von einem Wachstum von neun Prozent ausgegangen, ihre europäischen Kollegen hatten ein Plus von 13 Prozent geweissagt.

Mehr Einigkeit unter den Befragten herrschte über die voraussichtliche Entwicklung in der zweiten Jahreshälfte. 72 Prozent aller IT-Chefs denken, dass sich die derzeit angespannte Haushaltslage auch gegen Ende des Jahres kaum lockern wird. Die Merrill-Lynch-Analysten machen hierfür in erster Linie die Finanzchefs der Firmen verantwortlich, die den Haushalt mehr nach der allgemeinen wirtschaftlichen Lage sowie der Umsatzentwicklung ihrer Unternehmen als nach technisch notwendigen Investitionen ausrichteten.

Unter den geplanten Anschaffungen steht der PC nicht so weit oben auf der Liste, wie es der bis dato übliche Drei-Jahres-Rhythmus erwarten ließe. Über 60 Prozent der befragten IT-Chefs widersprachen beispielsweise der Prognose von Michael Dell, der verkündet hatte, dass der PC-Markt ab dem zweiten Quartal 2002 wieder an Schwung gewinnen werde. Lediglich 35 Prozent rechnen mit einer Erhöhung ihrer PC-Ausgaben im nächsten Jahr. Grund dafür dürfte nach Ansicht der Analysten die immer geringere strategische Bedeutung von Desktop-Computern sein.

Middleware gewinntWesentlich an Gewicht dürfte den Antworten zufolge Middleware gewinnen. 64 Prozent der CIOs stimmten mit IBM-Chef Louis Gerstner überein, dass sie sogar bedeutender als das Betriebssystem werden wird. "Die Fähigkeit, verschiedene Produkte zu verbinden, ist wichtig", so eine typische Reaktion aus der Umfrage. Aus dieser Zustimmung lassen sich jedoch keine direkten Schlussfolgerungen auf das Kaufverhalten der IT-Abteilungen ziehen. Nutznießer der Entwicklung dürfte Big Blue selber sein. Die Befragten sehen die Company ganz oben auf der Liste der Middleware-Anbieter, gefolgt von Oracle, Bea und Microsoft. Dies bestätigt auch die Reaktion auf die Frage, ob IBM von den geplanten Ausgaben profitieren werde: 46 Prozent antworteten zustimmend, 32 Prozent neutral.

Eine ernst zu nehmende Konkurrenz für die etablierte IT-Industrie sehen die CIOs in Linux. Immerhin die Hälfte gab an, dass das Open-Source-System zu einer Bedrohung für den Solaris-Hersteller Sun, aber auch für Microsofts NT (38 Prozent) werden könne. Allerdings ergaben sich hier wiederum starke Unterschiede zwischen dem alten und dem neuen Kontinent. Während nur ein Viertel der US-amerikanischen IT-Chefs mit dem Gedanken spielt, in den nächsten 18 Monaten auf Linux umzusteigen, liebäugeln 60 Prozent der europäischen CIOs mit dem System.