IT-Branche leidet an Stimmlosigkeit Dieter Eckbauer

24.09.1993

Bei vielen Unternehmen ist auch auf dem DV-Sektor der Rueckwaertsgang eingeschaltet. Die IT- Budgets wurden eingefroren, fuer DV-Spezialisten herrscht Einstellungsstopp. Doch anders als im operativen Bereich werden Einschnitte und Kuerzungen, was die DV betrifft, nicht auf hoehere Gewalt zurueckgefuehrt (Stichwort: Strukturkrise), sondern mit Benefits begruendet, die es zu erreichen gilt - Endstation Outsourcing-RZ. Namhafte Fachleute beschreiben die Vor- und Nachteile der DV durch Dritte. Die Argumente sind so alt wie die Computerbranche selbst. Jetzt wird ins Ausser-Haus-RZ zurueckverlagert, was ohnehin besser nach draussen gehoert. Gut so, aber mit dem Outsourcing-Bade wird nicht selten auch das IT-Kind Informationsvorsprung ausgeschuettet. Dabei dient der Outsourcing-Konsens weniger dem Erfolgsnachweis, als vielmehr dem Eingestaendnis, die DV nicht so gestalten zu koennen, wie man sie gerne haette. Dass dies in einem Lande der Computer-Ignoranz nicht weiter auffaellt, kann keine Entschuldigung sein. Eine Stimme, die sich im internationalen Geschaeft Gehoer verschafft, hat die deutsche IT-Szene freilich laengst nicht mehr, weder bei den Anwendern, noch bei den Beratern - bei den DV-Herstellern schon gar nicht. Als Treppenwitz der DV-Geschichte muss es da erscheinen, dass die weltweite IT-Branche insgesamt an Stimmlosigkeit leidet, seitdem die IBM ihre strategische Fuehrungsrolle eingebuesst hat. Dass um den PC und Microsoft soviel Wirbel gemacht wird, ist kein Widerspruch. Das PC-Thema traegt zwar in der Sache wenig zur Klaerung der Frage nach der angemessenen DV-Organisation bei, dafuer ist es wenigstens einfach und plakativ zu beschreiben.

Dieser Hinweis fuehrt zu dem Versuch des Ex-McKinsey-Mannes Louis Gerstner, bei Big Blue mit dem "Executive committee" ein Strategiebuero einzurichten, das die erstarrten hierarchischen IBM- Strukturen aufbrechen soll, wobei es selbst wieder an oberster Stelle eine neue Hierarchiestufe bildet (Seite 1): ein schoenes und zugleich trauriges Beispiel fuer die Quadratur des Kreises. So ist es bezeichnend, dass ein IBM-Firmensprecher nichts von einer Mainframe-Daemmerung im IBM-Konzern wissen will. Beobachter hatten das Gerstner-Strategiepapier in diesem Sinne interpretiert.

Was das mit der Outsourcing-Diskussion zu tun hat? Angesichts der krisenhaften wirtschaftlichen Entwicklung benoetigen Unternehmen immer mehr Informationen, um sich die notwendige Markttransparanez zu verschaffen. Das ist nur mit mehr Informationstechnik moeglich, die nicht notwendigerweise groesser und teurer sein muss. Weitsichtige DV-Profis haben erkannt, dass sie den festgefahrenen IT-Karren selbst aus dem Mainframe-Morast ziehen muessen. Sie streben eine offene, schlanke IT-Struktur an, Client-Server- Betrieb, um Geschaeftsprozesse direkter unterstuetzen zu koennen - nicht ausgeschlossen, dass sie damit der IBM und anderen notleidenden Herstellern wieder auf die Beine helfen koennen. Allein wird es Big Blue nicht schaffen.