Nicht nur die Kosten, sondern auch die Prozesse kommen auf den Prüfstand

IT-Benchmarking - das Maß aller Dinge?

12.04.2002
MÜNCHEN (ba) - Vergleiche mit anderen Unternehmen können helfen, die eigenen Prozesse zu verbessern und Kosten zu verringern. Benchmarking bietet IT-Abteilungen dazu Standardverfahren zur Leistungsbewertung. Doch während die klassischen Benchmarks nur Kennzahlen und Kosten gegenüberstellen, empfehlen viele Berater, auch Prozesse und Projekte in den Vergleich einzubeziehen.

Beim Benchmarking können sich Unternehmen mit Konkurrenten vergleichen. Dazu werden bestimmte Infrastrukturen und Prozesse in den Firmen "vermessen" und einem Mittelwert gegenübergestellt, der aus den Kennzahlen ähnlicher Unternehmen ermittelt wird. Weil die IT-Branche einem stetigen Wandel unterliegt, haben sich hier unterschiedliche Ansätze und Methoden für das Benchmarking entwickelt.

Der Neusser Unternehmensberater Jochen Michels analysiert und vergleicht seit mehr als 15 Jahren IT-Umgebungen in Deutschland. Mit seiner Benchmarking-Methode zerlegt der Unternehmensberater die Gesamtheit aller IT-Dienste in 29 verschiedene Leistungsarten (etwa CPU-Zeit) und belegt sie jeweils mit einem Preis. Aus diesem Katalog bildet er individuelle IT-Warenkörbe, deren addierter Preis die Grundlage für die Bewertung der jeweiligen Umgebung bildet. Dies sei nötig, da nicht jeder IT-Manager seine Preise nach den verschiedenen Leistungen aufschlüsselt, erklärt der Berater. Als Resultat kann der IT-Manager nun sehen, ob er seinen Warenkorb von IT-Diensten zu marktgerechten Preisen anbietet. Unbeantwortet bleibt allerdings die Frage, wie sich die individuellen Kosten der Dienste ergeben, also nach den Ursachen. Benchmarking-Methoden, so Michels, könnten hier nicht mehr weiterhelfen.

Diese Einschätzung teilt Harald Kiehle nicht. Das IBM-Benchmarking-Modell betrachtet neben den Kosten auch Prozesse oder die Qualität der Unterstützung von Geschäftsbereichen durch die IT, erläutert der Direktor IT-Management Consulting und Benchmarking-Experte der IBM Unternehmensberatung GmbH. Um die Vergleichbarkeit in einem Benchmark-Prozess zu gewährleisten, müssten fundamentale Kennzahlen wie Branche, Größe und Struktur des Unternehmens, Mitarbeiteranzahl und die Nationalität bekannt sein. So ließen sich beispielsweise bei nicht präziser Kenntnis der Kostenstrukturen die Preise für SAP-Arbeitsplätze kaum miteinander vergleichen.

Für einen SAP-Arbeitsplatz errechnet beispielsweise Michels Kosten zwischen 437 und 2589 Euro pro Monat, wobei Qualitätsmerkmale wie Antwortzeit und Verfügbarkeit berücksichtigt wurden. IBM-Berater Kiehle kritisiert jedoch solche Pauschalsichten, da es durchaus gute Gründe für unterschiedliche Kosten bei einem SAP-Arbeitsplatz gebe. Betreiber von Call-Centern haben beispielsweise sehr viel höhere Ansprüche an die Erreichbarkeit ihrer Agenten. Hier müsse wesentlich mehr investiert werden als für einem Sekretariatsarbeitsplatz.

Zum Start schon Ziele definierenUm derartige Fehlinterpretationen von vornherein auszuschließen, stellt Andreas Rüter, Partner von Booz Allen Hamilton, zu Beginn jedes Benchmark-Projekts die Frage, welche Ziele mit dem Vergleich verfolgt werden: beispielsweise könne es darum gehen, Handlungsbedarf abzuleiten, Merger vorzubereiten, Plattformen zusammenzuführen oder einfach nur Transparenz zu schaffen. Ohne Zieldefinition kann der Nutzeneffekt eines Benchmarking oft den Aufwand nicht rechtfertigen.

Beim am häufigsten vorgenommenen Infrastruktur-Benchmark stehen in erster Linie die Ermittlung von Leistungskennzahlen und Kosten im Vordergrund, nicht immer ist das allerdings sinnvoll. Einer Firma mit 100 PC-Stationen bringe dieses Verfahren wenig, so Rüter. Dagegen könne ein Großunternehmen mit Tausenden von PC-Arbeitsplätzen mit einer Detailanalyse viel Geld sparen. Um echten Nutzen aus den Daten zu ziehen, seien aber weitergehende Analysen notwendig.

Grenzen der klassischen KostenrechnungDas Architektur-Benchmarking trifft denn auch weitergehende Aussagen, weil nicht nur Kennzahlen, sondern auch Applikationslandschaft, Prozesse und Projekte in die Bewertung einbezogen werden. Dafür ist diese Methode auch schwieriger zu realisieren. Es ist keineswegs damit getan, "einfach nur ein paar Zahlen zusammenzukippen", erläutert Rüter, sondern man müsse sehr individuell auf die Unternehmen eingehen. Im Vorfeld des Vergleichs sind etwa klare Definitionen erforderlich. Zudem müssten Berater genau wissen, wie die industriespezifischen Prozesse der Wertschöpfungskette aussehen und wie diese durch die IT abgedeckt werden.

Die Frage nach dem Nutzen der IT für die Wertschöpfungskette eines Unternehmens stellen die Berater Andreas Pfeifer und Bernhard Holtschke von Accenture in den Vordergrund ihrer Benchmarking-Überlegungen. Ansätze wie die von der Meta Group oder von Gartner, die fragen, wie viel Prozent vom Umsatz die Unternehmen für IT aufwenden, führen nach ihrer Einschätzung nicht weit. Gerade in Zeiten mit schwindenden Umsätzen sehen die IT-Abteilungen mit ihren gleich bleibenden oder sogar steigenden Kosten nicht besonders gut aus. "Wir glauben deshalb nicht an die traditionellen Bench-marking-Methoden", lautet das Fazit der Accenture-Berater.

Interne Prozesse durchleuchtenIm traditionellen Benchmarking gibt es laut Pfeifer fünf große Kostengruppen: Hardware, Softwarelizenzen, Personal, Infrastruktur und Externe. "Das ist die klassische deutsche Kostenartenrechnung, die nur schwer eine Überleitung zu Nutzenkategorien erlaubt", bemängelt der Accenture-Experte. Um dahin zu kommen, müssen neben den IT-Ausgaben auch Punkte wie Organisation, IT-Fähigkeiten und die IT-Management-Prozesse beleuchtet werden. Daneben spiele auch die Gesamtstruktur des Unternehmens eine wichtige Rolle. Daraus lasse sich beispielsweise ableiten, wie die IT-Abteilung in der Firma aufgehängt werden müsse. Im Benchmarking gebe es neben dem rein quantitativen Aspekt, dem Sammeln von Daten und Kennzahlen, auch einen qualitativen, der die Frage "Wie mache ich es eigentlich?" behandelt

Schritte des Benchmarking- Das Objekt (Produkt, Methode, Prozess) auswählen, das analysiert und verglichen werden soll;

- Vergleichswerte festlegen und Vergleichsunternehmen auswählen (wichtig: Vergleichbarkeit überprüfen);

- Daten über Sekundär- (Fragebögen) oder Primärinformationen (Werksbesichtigungen, Workshops) erheben;

- Daten analysieren und vergleichen sowie Leistungslücken und ihre Ursachen feststellen;

- Die eigene Best Practice für das Unternehmen entwickeln und umsetzen.