Wenn sich drei Firmen einen Auszubildenden teilen

IT-Ausbildung: Kooperation belebt das Geschäft

26.05.2000
Für Firmen in der IT-Branche kann es sich durchaus lohnen, bei der Ausbildung miteinander zu kooperieren und sich einen Lehrling zu teilen. Reinhard Selka vom Bundesinstitut für Berufsbildung in Bonn erklärt in einem CW-Gespräch Angelika Fritsche*, warum.

CW: Immer mehr Betriebe teilen sich einen Lehrling: Ist das eine Notlösung?

Selka: Das sieht so aus, ist es aber nicht. Denn für Betriebe und Auszubildende hat das Verbundmodell einige Vorteile. Die Azubis müssen während ihrer Lehre wieder so etwas wie eine Wanderschaft machen, wie es früher einmal üblich war. Dadurch lernen sie unterschiedliche Arbeitsstile und -organisation kennen und können vielfältigere Erfahrungen sammeln als in einem Betrieb. Die Firmen können sich die Ausbildungskosten teilen. Für viele kleine und mittlere Betriebe ist die Ausbildung im Verbund heute die einzige Möglichkeit, sich überhaupt noch an der Ausbildung zu beteiligen.

CW: Warum?

Selka: Ein Grund ist, dass kleinere Firmen durch ihre höhere Spezialisierung das gesamte Spektrum der Berufsausbildung, wie es die Ausbildungsverordnungen vorsehen, allein nicht abdecken. Dieses Know-how müssen sie sich dann entweder extern einkaufen oder durch einen Verbundpartner abdecken lassen. Ein Beispiel ist die Ausbildung zum Informatikkaufmann. Hier gibt es Verbünde quer durch alle Branchen. Häufig schalten die Betriebe auch Bildungsträger ein, die zu Beginn der Ausbildung die Grundqualifikation im IT-Bereich abdecken.

CW: Haben die Betriebe denn keine Angst vor Konkurrenz?

Selka: Darüber wird viel spekuliert. Aber in der praktischen Umsetzung hat sich das nie als Problem herausgestellt. Es muss von Anfang an klar sein, wer der Vertragspartner des Jugendlichen ist und wo er während und auch nach der Ausbildung hingehört.

CW: Wenn sich drei Firmen einen Lehrling teilen, hat später aber nur eine einen Gesellen. Wird es Gesellen-Sharing geben?

Selka: Die Betriebe bilden aus, weil sie auf diese Art Nachwuchs rekrutieren können. Das Verbundmodell bietet die Möglichkeit, dass jeder Betrieb im Wechsel einen der gemeinsam ausgebildeten Gesellen übernimmt. Dass Gesellen als Springkräfte zwischen den Betrieben eingesetzt werden sollen, ist mir nicht bekannt. Die Betriebe können noch ganz anders von ihren Ausbildungsaktivitäten profitieren: Wenn sich ihre ehemaligen Azubis selbständig machen, können sie mit ihnen geschäftliche Beziehungen als Partner oder Dienstleister eingehen. Das sichert Aufträge und eröffnet neue Geschäftsfelder.

CW: Miteinander kooperieren, gemeinsam ausbilden kostet Arbeit. Sind die kleinen Betriebe damit nicht völlig überfordert?

Selka: Sicher ist mit der Ausbildung im Verbund ein hoher Koordinierungsaufwand verknüpft. In fast allen Bundesländern gibt es Fördermittel für solche Zusammenschlüsse. Beantragt werden können diese bei den jeweiligen Regierungspräsidenten. Damit vermögen sich die Betriebe die notwendigen externen Dienstleistungen einzukaufen. Es gibt zahlreiche außerbetriebliche Bildungsträger, die externes Ausbildungs-Management anbieten.

CW: Hebt die Verbundausbildung tatsächlich die Qualität der dualen Ausbildung?

Selka: Unsere Erfahrungen zeigen, dass die Qualität der Verbundausbildung letztendlich besser ist, weil jede der Firmen in der Regel die Ausbildungsmodule übernimmt, die sie am besten beherrscht. So kann der hohe Qualitätsstandard gehalten werden. Zudem gibt es erste Hinweise darauf, dass die Abbrecherquoten, die in Kleinbetrieben sehr hoch sind, bei Verbünden wesentlich geringer ausfallen. Wir vermuten, dass das an der geringeren persönlichen Abhängigkeit liegt. Schließlich gibt es mehrere Chefs. Die häufig persönlich bedingten Konflikte haben dann nicht so eine Relevanz und müssen nicht gleich zum Abbruch führen.

CW: Was müssen Unternehmen beachten, damit die Ausbildung im Verbund kein Reinfall wird?

Selka: Als Erstes müssen sie sich über ihre Ziele klar werden. Geld sparen zu wollen reicht nicht aus. Zudem müssen sie eine ehrliche Stärken- und Schwächenanalyse machen. Nur so können sie den richtigen Partner finden, der sie entlastet. Sie sollten auch eine längerfristige Personalplanung betreiben, die die Entwicklungspotenziale des Unternehmens ins Auge fasst und vorausschauend Nachwuchsförderung betreibt.

*Angelika Fritsche ist freie Journalistin in Bonn.

KontaktFirmen, die sich über Verbundausbildungsgänge informieren wollen, erhalten Informationen über das Bundesinstiut für Berufsbildung (Bibb), Hermann-Ehlers-Straße 10, Neues Abgeordnetenhochhaus, 53113 Bonn, Telefon: 0228/107-0, Fax: 0228/ 107-2977.