Herr Professor Meinel, Sie haben das Design-Thinking Konzept von Stanford nach Potsdam gebracht. Was ist das Besondere daran?
Meinel: Design Thinking hat seinen Ursprung an der Stanford University als führende Universität im Bereich Design - und zwar Design nicht nach dem deutschen, sondern dem angelsächsischen Verständnis des Wortes, wo es die Konzeption und Umsetzung einer Idee bedeutet und nicht nur die Gestaltung der Oberfläche wie im Deutschen. Es wurde dort eine Methodologie entwickelt, die Kreativverhalten in einem sehr technischen Umfeld vermittelt. Hasso Plattner hat geholfen, die Idee in Amerika zu einem eigenen Institut an der Stanford University auszubauen, wir konnten den Ansatz übernehmen und versuchen, hier am Hasso Plattner Institut (HPI) in Potsdam das Gleiche in Deutschland zu etablieren. Design Thinking, um auf den Begriff zurückzukommen, sieht sein Arbeitsfeld im Schnittbereich zwischen technischer Machbarkeit, Wünschbarkeit und Bündelbarkeit in einer Geschäftsidee, also von vorn herein auch wirtschaftliche Gesichtspunkte im Innovationsprozess zu berücksichtigen. Unsere Studenten, konfrontiert mit Problemstellungen aus der Wirtschaft, sind gehalten, bei der Lösung die späteren Nutzer möglichst früh einzubeziehen und das Ergebnis möglichst rasch anfassbar machen - etwa in einem Pappmaché-Modell.
Sichtweise des gesunden Menschenverstandes
Wie entwickelt man benutzerfreundliche, technologische Innovationen?
Meinel: Ein wesentlicher Grundsatz ist das Arbeiten in multidisziplinären Teams. Im letzten Studiengang unserer HPI D-School-Ausbildung hatten wir zum Beispiel 40 Studenten aus 33 verschiedenen Studienrichtungen.
Die Problemstellungen werden von Teams aus sechs bis acht Studenten bearbeitet. Eines unserer Projekte haben wir etwa mit dem Handelskonzern Metro durchgeführt, der große Verluste im Molkereibereich wegen abgelaufener Joghurt zu verzeichnen hatte. Die Becher müssen immer nach dem Ablaufdatum aus den Regalen genommen werden. Die Frage war, ob sich nicht durch eine andere Organisation die Zahl solcher Becher reduzieren lässt. Die Studenten befragten dazu den Betriebsleiter, betrachteten die Kühltheken und beobachteten das Verhalten der Kunden. Wir nennen das die Sichtweise des gesunden Menschenverstandes. Von diesen Beobachtungen ausgehend wird ein idealtypischer Nutzer konzipiert mit Name, Alter, Familienhintergrund, Beruf und so weiter.