Gast-Kommentar

Ist Microsoft noch zu retten?

14.01.2000
Dr. Peter Pagé, Freier Marktanalyst, München

De-facto-Standards durch Marktdominanz, Beherrschung des Kunden mit Hilfe von Funktionschaos, Ausschaltung des Wettbewerbs durch wirtschaftliche Gewalt scheinen die Ziele zu sein, die Microsoft heute verfolgt. Das Ergebnis sind Monopolklagen, über fehlerhafte Produkte verärgerte Kunden, aggressive Wettbewerber und kaum Freunde - wo doch Vernetzung im Markt angesagt ist.

Microsofts Gebaren und Beliebtheit erinnern sehr an die IBM der Mainframe-Ära. Der PC sollte Big Blues Diktat mit einem offenen Ansatz brechen und den Anwender mit leistungsfähigen Werkzeugen gewinnen, nicht aber ihn seinerseits knebeln. Heute jedoch sind die fast einzig verfügbaren Programme auf dem PC so überladen, dass jeder nur noch stöhnt. Wann wurde zum letzten Mal eine "Office"-Version freudig begrüßt und nicht nur der Umstellungsaufwand für die mal wieder völlig neu gestalteten alten Funktionen beklagt? Dazu gefällt sich Microsoft im Erfinden von wertlosen Gimmicks - oder hat schon einmal jemandem das Büroklammermännchen in "Powerpoint" oder "Outlook" genützt? "Hier werden Sie nicht geholfen", sondern eher noch verhöhnt. Dasselbe gilt für die Betriebssystem-Plattform, an der jeder herumbastelt, bis nichts mehr zusammenpasst - "Plug and Play". Und immer wird Besserung verheißen: für die - leider verzögerte - nächste Version. Es ist wie früher! Kürzlich versprach Steve Ballmer auf einer Konferenz, dass sich Microsoft im Wettbewerb vor dem Kunden als Lieferant für die Technik zum Aufbau einer E-Business-Plattform qualifizieren wolle. Wenn er das ernst gemeint hat, habe ich noch Hoffnung, wenn nicht - nicht! "The higher the rise - the deeper the fall", sagt ein amerikanisches Sprichwort, "Hochmut kommt vor dem Fall".