Ist die Offshore-Party schon vorbei?

25.10.2007
Kommen die Inder zu spät zur Feier im deutschen IT-Servicemarkt? Das zumindest glauben die hiesigen von prallgefüllten Auftragsbüchern verwöhnten IT-Dienstleister. Das Marktforschungshaus Berlecon warnt.

Große Akzente haben die indischen Provider im deutschen IT-Servicemarkt bislang nicht setzen können. Sie haben bis dato weder umfangreiche Auslagerungs-Deals gewonnen noch Übernahmen im großen Stil betrieben. Möglicherweise hat diese Zurückhaltung die hiesigen Anbieter dazu bewogen, die IT-Spezialisten vom Subkontinent nicht als bedrohliche Wettbewerber zu betrachten. Auf die Frage, ob sie Offshore-Dienstleister als eine ernsthafte Konkurrenz erachten, antworteten lediglich sechs Prozent mit "Ja". Das ist ein Ergebnis der aktuellen Marktanalyse "IT Services 2007/2008", für die Berlecon Research 137 Verantwortliche aus IT-Dienstleistungsunternehmen mit mindestens 50 Mitarbeitern befragte.

Wiegen sich die deutschen Anbieter in trügerischer Sicherheit? Die hiesigen IT-Dienstleister erachten Offshore-Spezialisten nicht als ernsthafte Konkurrenz und integrieren auch seltener Niedriglohndienste in die eigenen Angebote als ein Jahr zuvor. Sollte die Konjunktur wieder abflauen, könnte sich die Sorglosigkeit rächen. Quelle: Berlecon.
Wiegen sich die deutschen Anbieter in trügerischer Sicherheit? Die hiesigen IT-Dienstleister erachten Offshore-Spezialisten nicht als ernsthafte Konkurrenz und integrieren auch seltener Niedriglohndienste in die eigenen Angebote als ein Jahr zuvor. Sollte die Konjunktur wieder abflauen, könnte sich die Sorglosigkeit rächen. Quelle: Berlecon.
Foto: Berlecon Research

Während Berlecon dieses Resultat noch mit einer gewissen Gelassenheit der deutschen IT-Dienstleister gegenüber dem Thema "Offshoring" erklärt, finden die Analysten die Bewertungen zur Aussage "Wir integrieren Offshore-Komponenten in unsere Dienstleistungen" geradezu ernüchternd. Gerade mal zwölf Prozent haben dies bejaht. Das sind zehn Prozent weniger als im vergangenen Jahr. Die vormals geäußerte Erwartung, dass sich das Offshoring über die Jahre in Deutschland etabliert, erfüllt sich offensichtlich nicht – im Gegenteil: Einige zuvor in diesem Bereich aktive IT-Dienstleister scheinen sich wieder aus dem Offshoring zurückgezogen zu haben.

Den deutschen IT-Dienstleistern geht es derzeit gut. Erstmals seit Jahren erwartet die überwiegende Zahl der Anbieter auch wieder steigende Preise. Quelle: Berlecon.
Den deutschen IT-Dienstleistern geht es derzeit gut. Erstmals seit Jahren erwartet die überwiegende Zahl der Anbieter auch wieder steigende Preise. Quelle: Berlecon.
Foto: Berlecon Research

"Ist die Party also schon wieder vorbei, bevor sie richtig begonnen hat?", fragen die Berlecon-Analysten, fügen angesichts der Gelassenheit der deutschen Anbieter aber einige warnende Hinweise hinzu. Demnach fangen viele Offshore-Anbieter gerade erst an, den bisher stiefmütterlich behandelten Absatzmarkt Deutschland zu bearbeiten. Verglichen mit den Aktivitäten der indischen Anbieter im US-Geschäft steckt das hiesige Engagement noch in den Kinderschuhen. Grund dafür ist möglicherweise auch eine Fehleinschätzung der indischen Anbieter, die lange versucht haben, den deutschen Markt lediglich mit einigen Verkaufsniederlassungen zu erschließen. "Wir haben in Europa drei Prioritäten: Deutschland, Deutschland, Deutschland", sagte kürzlich der Vizevorstandschef von Tata Consultancy Services (TCS), Natarajan Chandrasekaran, in einem Gespräch mit der "Financial Times Deutschland".

Des Weiteren sollten die deutschen IT-Dienstleister nicht außer Acht lassen, dass westliche IT-Konzerne wie Accenture, Capgemini oder IBM mittlerweile beträchtliche Offshore-Ressourcen aufgebaut haben und damit auf Augenhöhe mit Offshore-Spezialisten arbeiten. Anders als Tata, Wipro, Infosys und Co. besitzen diese Anbieter hierzulande schon starke lokale Einheiten und werden nicht selten sogar als deutsche Unternehmen wahrgenommen. Und spätestens beim Ringen um international aktive Großkunden, die dem Offshoring weniger skeptisch gegenüberstehen als so mancher deutsche Mittelständler, werden Offshore-Kapazitäten zum Differenzierungs- und Erfolgsmerkmal.

Last, but not least könnte die derzeit gute wirtschaftliche Lage in Deutschland dafür verantwortlich sein, dass sich die ansässigen Provider in Sicherheit wiegen. Eine aus Berlecon-Sicht mittelfristig durchaus wahrscheinliche Abschwächung der Konjunktur dürfte auch den Preisdruck im Servicemarkt wieder steigen lassen. Ob der deutsche Mittelständler dem Offshoring gegenüber auch dann noch skeptisch bleibt, stellen die Analysten in Frage.

"Sicher ist Offshoring kein Königsweg", räumen die Analysten ein. "Häufig lohnt eine Einbindung der entfernten Ressourcen nicht. Außerdem fallen Kostenvorteile durch Lohnkostenarbitrage mittelfristig geringer aus oder werden durch Automatisierungslösungen obsolet." Dennoch halten die Marktforscher die Zurückhaltung vieler deutscher IT-Dienstleister für riskant. Anbieter, die heute bereits Offshore-Kapazitäten aufbauen und integrieren, sind nach Berlecon-Einschätzung besser für zukünftige Herausforderungen wie etwa Preisdruck und Fachkräftemangel gerüstet. (jha)

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