Spagat der Interessen

Ist der Wunsch nach Privatsphäre ein Innovationshemmnis?

16.09.2009
Von pte pte
Kann ein starkes Bedürfnis nach Privatsphäre dazu führen, dass die Vorteile des Internets ausgehebelt werden? Gerade die IT der Verwaltung tut sich schwer, konträre Interessen auszugleichen.

"Privatsphäre und Sicherheit sind zukunftsfeindlich." Unter diese provokative Prämisse hat Peter Freeman, emeritierter Dekan und Professor für Informatik am Georgia Institute of Technology, seine Keynote im Rahmen der ENISA-FIRST Summer School on Network and Information Security gestellt. Er will damit zum Nachdenken anregen, ob ein zu starker Fokus auf diese Aspekte letztendlich die Vorteile des Internets aushebeln und somit innovationsfeindlich wirken könnte. Mit diesem Problem sehen sich unter anderem Privacy-Ansätze für den E-Government-Bereich konfrontiert. Das betrifft beispielsweise das starke System zum Schutz vor unerwünschten Datenquerverbindungen, das hinter der österreichischen Bürgerkarte steckt. Sie ist der Schlüssel zu Web-Angeboten der öffentlichen Hand.

"Die Privatsphäre ist ein Teil einer größeren Gleichung, die man nicht anderen Überlegungen opfern sollte", meint Markus Hild von der Österreichischen Datenschutzkommission. Er hat das System vorgestellt, mit der bei der österreichischen Bürgerkarte für umfassenden Schutz auch vor einer Verknüpfung von Daten aus verschiedenen Verwaltungsbereichen gesorgt werden soll. Dazu setzt der Ansatz auf eine mithilfe des Melderegisters ermittelte Stammzahl, die unter voller Kontrolle der Karteninhabers steht. Für die Interaktion mit verschiedenen Stellen wie Finanz-, Sozialversicherungs- oder Gesundheitswesen werden daraus bereichsspezifische Personenkennzeichen (bPKs) ermittelt, die weder ein Rückrechnen der Stammzahl noch ein Ermitteln anderer bPKs erlaubt. So bleiben die Daten der unterschiedlichen Bereiche getrennt.

Ein Preis für die Sicherheit des Systems ist allerdings, dass die derzeitige Umsetzung einen externen Kartenleser erfordert. "Für Durchschnittsnutzer ist es nicht attraktiv, für eine Transaktion pro Jahr einen Kartenleser zu haben", meint Hild. Das ist sicherlich einer der Gründe, warum das Angebot im privaten Bereich noch kaum angenommen wird - Hild spricht von 200.000 bis 300.000 Nutzern bei rund acht Millionen Einwohnern.

Man sollte darüber nachdenken, ob in diesem oder ähnlichen Fällen der Schutz der Privatsphäre der praktischen Anwendung von Web-Innovation eventuell im Wege steht, so die Kernaussage Freemans. Allerdings sei das nicht als Bewertung des Ansatzes zu verstehen - man müsse dem System Zeit geben und sehen, ob es sich letztendlich bewährt oder doch als nicht optimal erweist. Freilich kann man den Spieß bei der Innovationsfrage auch umdrehen. "Eigentlich ist doch die Innovation gefordert, eine nutzerfreundlichere Umsetzung des Systems ohne den externen Kartenleser zu finden", meint Hild im Gespräch mit pressetext. Eine Rückkehr zu unsichereren Nutzername-Passwort-Systemen sei keinesfalls sinnvoll. (pte)