"Ganze" und "halbe" Wahrheiten

Ist Blickfangwerbung irreführend?

23.06.2011
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Renate Oettinger war Diplom-Kauffrau Dr. rer. pol. und arbeitete als freiberufliche Autorin, Lektorin und Textchefin in München. Ihre Fachbereiche waren Wirtschaft, Recht und IT. Zu ihren Kunden zählten neben den IDG-Redaktionen CIO, Computerwoche, TecChannel und ChannelPartner auch Siemens, Daimler und HypoVereinsbank sowie die Verlage Campus, Springer und Wolters Kluwer. Am 29. Januar 2021 ist Renate Oettinger verstorben.
Werbung mit Blickfangmotiven muss ausreichend erklärt werden. In der Regel genügt ein Sternchen-Hinweis.

Wirbt ein Unternehmen blickfangmäßig mit dem Preis einer Ware oder Dienstleistung dann können ergänzende Erläuterungen oder Einschränkungen, insbesondere auch Informationen zu weiteren Gebühren und Kosten auch durch einen Sternchenhinweis erfolgen. Hierauf verweist Rechtsanwalt Mathias Zimmer-Goertz von der Kanzlei Beiten Burkhardt unter Hinweis auf ein entsprechendes Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts (Az. 3 U 108/09).

Der Fall

Foto: Fotolia, Jolisha

In dem entschiedenen Fall warb ein Unternehmen im Internet für Musical-Tickets mit der besonders herausgestellten Preisangabe "TICKETS AB 19,90 EUR*". Erst im Rahmen der Auflösung des Sternchenhinweises in einer Fußnote fand sich die Information, dass zu diesem Preis bei einer Ticketbestellung über die betreffende Website zusätzlich eine Vorverkaufsgebühr sowie eine Systemgebühr anfallen.

Das Urteil

Nach Ansicht der Richter stellte dies in dem entschiedenen Fall jedoch keinen Verstoß gegen die Preisabgabeverordnung bzw. eine Irreführung der Verbraucher dar. Das Gericht betonte, dass blickfangmäßige Angaben nicht isoliert betrachtet werden müssen sondern deren Richtigkeit im Zusammenhang mit durch einen Sternchenhinweis gekennzeichneten zusätzlichen Erläuterungen beurteilt werden muss. Dies gilt zumindest dann, wenn der Hinweis auf die Zusatzinformationen für den durchschnittlichen Nutzer klar und unmissverständlich ist.

Rechtsanwalt Zimmer-Goertz weist aber darauf hin, dass dieses Urteil nicht bedeutet, dass mit unwahren Tatsachen geworben werden darf, auch wenn diese in einer Fußnote richtig gestellt werden: "Enthält die Blickfangwerbung objektiv unrichtige Angaben, dann reicht regelmäßig auch ein Sternchen-Hinweis nicht aus. Auch wenn eine optisch hervorgehobene Werbeaussage nicht die "ganze Wahrheit" enthalten muss, so darf sie jedoch nicht falsch sein. In dem entschiedenen Fall handelte es sich bei dem Preis von EUR 19,90 tatsächlich um den auf der Eintrittskarte aufgedruckten Preis, zu dem das Ticket - theoretisch - an der Abendkasse hätte erworben werden können.