Israels Networking-Industrie will CeBIT-Engagement verstaerken Selbstbewusstsein und Know-how eines oft unterschaetzten Landes CW-Bericht Juergen Hill

28.01.1994

TEL AVIV - Intifada, Gaza-Streifen - alles Assoziationen, die einem spontan einfallen, wenn von Israel gesprochen wird. Eher unbekannt ist dagegen die Tatsache, dass das kleine Land am Mittelmeer mittlerweile, je nach Quellenlage, zur Nummer zwei beziehungsweise drei auf dem Weltmarkt fuer Daten- und Telekommunikationsequipment avanciert ist.

Im eigenen Land lag die israelische Elektronikindustrie, die 1992 fuer rund 2,2 Milliarden Dollar Produkte exportierte, auf Platz zwei hinter der Diamantenindustrie. Die Connectivity-Unternehmen erwirtschafteten dabei knapp 25 Prozent des israelischen Exportvolumens, bei dem die Diamantenindustrie aufgrund ihrer ueberproportionalen Wertschoepfung allerdings nicht beruecksichtigt ist.

Diese relativ grosse Bedeutung der DV-Industrie ist nur mit den laenderspezifischen Eigenheiten erklaerbar, wobei im wesentlichen drei Faktoren die Existenzgruendung neuer High-Tech-Unternehmen erleichtern. Zum einen erhalten Neugruendungen in der kritischen Anfangsphase eine grosszuegige Foerderung durch das "Chief Science Office", das auch kleinsten Unternehmen Kredite bietet, die nicht im Rahmen eines starren Finanzierungsplanes abzutragen sind. Eine Rueckzahlung erfolgt erst dann, wenn die Unternehmen Gewinne erwirtschaften, von denen dann 2,5 Prozent als Tilgung abgefuehrt werden.

Eine weitere Starthilfe ist die Bird-Foundation, ein israelisch- amerikanischer Fond, der den Anbietern beim Markteintritt in den USA finanziell unter die Arme greift.

Zweiter Standortvorteil fuer die israelische Connectivity-Industrie sind die menschlichen Ressourcen in Form von Ingenieuren und Informatikern. Drittens haben sich die meisten Gruender der israelischen Connectivity-Unternehmen ihr Know-how waehrend ihrer Militaerzeit in einer der modernsten Armeen der Welt angeeignet, ohne selbst viel Kapital in die eigene Ausbildung investieren zu muessen.

Modemhersteller RAD als Vorzeigeunternehmen

Eines der Unternehmen, das von einem ehemaligen Offizier gegruendet wurde, ist die RAD-Gruppe in Tel Aviv, die eigenen Angaben zufolge weltweit die Nummer drei und in Europa die Nummer zwei im Networking-Geschaeft ist. Der urspruengliche Hersteller von Modems hat sich zu einem weitverzweigten Konglomerat entwickelt, das aus zwoelf Einzelunternehmen besteht.

Shooting-Stars der RAD-Gruppe sind die RAD Data Communications, Lannet sowie RND. Zur CeBIT will die RAD Data Communications, die Equipment fuer das Networking im LAN- und WAN-Bereich vermarktet, mit dem "DV-Mux" einen Sprach-Daten-Multiplexer fuer kleine Zweigstellen vorstellen, der die je nach Leitung zur Verfuegung stehende Bandbreite von 9,6 Kbit/s bis 256 Kbit/s dynamisch zwischen dem Datenkanal und den beiden Sprachkanaelen verteilt. Darueber hinaus erweitert das Unternehmen bis zur CeBIT die Anzahl der verfuegbaren Module fuer die Multiplexer der "Megaplex"-Familie. Neu hinzu kommen das "ML-20"-Modul zum Anschluss an E1-Leitungen, das "LS-6", das Multiplex-Funktionen fuer bis zu sechs Datenkanaele zur Verfuegung stellt, sowie zwei Bridging-Module fuer Ethernet- und Token-Ring-Netze. Fuer den SNA-Bereich sind zur CeBIT neue SDLC- Konverter geplant, die ein SNA-Routing ermoeglichen.

ATM-Produkte wird der diesjaehrige CeBIT-Besucher auf dem RAD-Stand vergeblich suchen, da, so der offizielle Standpunkt des Hauses, es mangels Standard noch zu frueh fuer solche Erzeugnisse sei. Zudem sieht man bei RAD noch nicht die sogenannten Killerapplikationen, die den Einsatz von ATM im Netz zwingend notwendig machen. Deshalb reicht fuer Ilian Seidler, Marketing Communications Manager der RAD Data Communications, bei den meisten Anwendungen immer noch FDDI aus.

Zudem stellt sich fuer Seidler die Frage, ob nicht im LAN-Bereich die "Fibre-Channel"-Technologie, an der das Schwesterunternehmen Radway arbeitet, die bessere Alternative zu ATM als Hochgeschwindigkeits-Technologie darstellt. Die auf eine Initiative von IBM, Sun und HP zurueckgehende Technik soll im Campus-Bereich Uebertragungsraten von bis zu 200 Mbit/s realisieren.

Mit der Praesentation erster Produkte ist laut Radway-Manager Yoav Talgam auf der amerikanischen Networld + Interop im Mai zu rechnen.

Auch bei der zur Gruppe gehoerenden Lannet Ltd., ebenfalls mit Sitz in Tel Aviv, sieht man noch keinen Bedarf fuer ATM im LAN-Bereich, glaubt aber an dessen Berechtigung im WAN-Sektor. So verwendet Lannet bereits heute im "Lanswitch"-Hub Bestandteile der ATM- Technologie wie Cell-Switching im Backplane, um Geschwindigkeiten von bis zu 1 Gbit/s zu erreichen.

Bis Ende des Jahres will auch der Tel Aviver Hub-Hersteller Galcom Networking Ltd. ein entsprechendes ATM-Produkt ankuendigen. Momentan vertreibt das Unternehmen mit dem "Openet Hub" einen SNMP-verwaltbaren Hub fuer heterogene Installationen mit AS/400, Token Ring und Ethernet.

Hub-Funktionalitaeten bietet auch die Gambit Computer Communications Ltd. mit dem "Gamoptics System 9000". Das in Yokenam angesiedelte Unternehmen hat sich mit seinen "Gamoptics Concentrators" auf Connectivity-Loesungen fuer die AS/400, Ethernet- , Token-Ring- und FDDI-Produkte in 3270- und 5250-Umgebungen sowie auf Token Ring ueber Koax-Leitungen spezialisiert.

True-Blue-Companies im "Koax-Valley"

Ebenfalls im "Koax-Valley" angesiedelt ist die Adacom Group, ein Unternehmenszweig der hollaendischen Harris Adacom Corp. BV., die sich in der IBM-Welt engagiert. So hat sich beispielsweise die Tochter Adanet Systems den SNA-Netzen verschrieben. Allerdings legt Adanet-Manager Yehuda Alon Wert auf die Feststellung, dass sein Unternehmen nicht wie Big Blue den Markt erziehen wolle. Zur CeBIT sind drei Tools geplant, die die Verbindungsaufnahme mit der SNA-Welt erleichtern sollen.

Adanet bringt mit "Snaxis" einen SNA-Konzentrator und Link-Level- Interface-Konverter auf den Markt, der die Kommunikation zwischen den urspruenglichen SNA-Link-Level-Protokollen, SDLC, LLC2/Token Ring oder QLLC/X.25/Frame Relay ermoeglicht.

Zur Anbindung von Terminals, PCs und Workstations in Ethernet- und Token-Ring-Netzen an einen SNA-Host ist das "3270 PC Access"- Gateway konzipiert. Fuer Anwender, die auf SNA-Terminals auch Unix oder VAX-basierte Applikationen fahren wollen, ist der "3270 Star Access" gedacht. Um einen Zugriff auf diese Anwendungen zu erhalten, wird sowohl auf dem IBM-Mainframe wie auch auf den Unix- und VAX-Rechnern ein Softwaremodul installiert.

Eine weitere Company, die sich im Yokneam-Tal auf die IBM-Koax- Welt festgelegt hat, ist die Adacom Workstations Interconnectivity Ltd. Zur Produktpalette des Unternehmens gehoeren Connectivity- Loesungen fuer die Anbindung von Workstations und Druckern an die SNA-Installationen.

Die ACE/North Hill Inc., ebenfalls ein Unternehmen der Adacom- Gruppe, vermarktet mit dem "MAS 7000" einen Hub zur remoten Anbindung von Zweigstellen an das SNA-Netz der Zentrale. Darueber hinaus kann das Unternehmen, das ein IBM-Business-Partner ist, Produkte wie MAUs, LACs und Lobe Doublers ueber die IBM- Verkaufskanaele vertreiben.

Mit der Lanoptics Ltd., die erstmals 1993 auf der Pariser Interop durch eine ueberraschende Allianz mit dem Router-Spezialisten Cisco die Aufmerksamkeit der Networking-Szene erheischte, engagiert sich in Migdal Ha-Emek eine weitere israelische Company im SNA-Bereich, der fuer Marketing-Vice-President Oscar Glottmann nach wie vor ein bluehender Markt ist, "obwohl man seit 15 Jahren das Sterben der 32..-Umgebungen prophezeit".

Zum Angebot von Lanoptics gehoeren Enterprise Hubs, Branch Networking Hubs, Konzentratoren und Internetworking-Loesungen fuer Token-Ring-, AS/400- und 3270-Umgebungen sowie die Unterstuetzung von Ethernet. An High-speed-Technologien unterstuetzt das Unternehmen zur Zeit FDDI und arbeitet an Produkten fuer ATM.

Wie zahlreiche israelische IT-Unternehmen, deren Gruendungsvaeter nicht fruehere Militaers sind, wurde Lanoptics 1990 von ehemaligen Fibronics-Mitarbeitern gegruendet. Fibronics International Inc. mit Hauptsitz in Pembroke, Massachusetts, ist nach den Worten von Corporate Marketing Support Manager Claude Tartour eigentlich ein israelisches Unternehmen, da der Firmenpraesident seinen Sitz in der Naehe von Haifa hat und sowohl die wichtigsten Produktionstaetten wie auch der R&D-Bereich in Israel angesiedelt sind.

Das Unternehmen, das zwei Drittel seines weltweiten Umsatzes von 60 Millionen Dollar in Europa erwirtschaftet, will zur CeBIT 94 eine neue Token-Ring-Produktfamilie vorstellen und kuenftig das Ethernet-Engagement verringern, da in diesem Segment fuer Fibronics durch die drohende Konkurrenz von Low-cost-Hubs fuer rund 200 Dollar aus dem Fernen Osten kein Geschaeft mehr zu machen sei. Tartours lakonischer Kommentar zur Frage nach der Planungssicherheit fuer die Fibronics-Kunden - die dem Unternehmen bisher bei seiner Strategie des Ethernet-Switchings ueber FDDI gefolgt sind - klingt simpel: "Sie muessen als Hersteller den Markt verunsichern, wenn Sie wirklich Geld verdienen wollen."

Darueber hinaus arbeitet der FDDI-Propagandist, der endgueltig weg vom Boxenschieberimage zum Netzwerkinstallateur mutieren will, mit Nachdruck an der ATM-Technologie, die fuer das Unternehmen das Backbone der Zukunft darstellt. Erstes Produkt mit Zielrichtung ATM ist die "Giga-Hub"-Familie.

Um auch nach aussen ihre internationale Bedeutung als Lieferant von DV-Ausruestungen zu unterstreichen, verstaerken die israelischen Unternehmen ihr diesjaehriges CeBIT-Engagement nochmals. Waren auf der letzten Messe in Hannover nur drei Gemeinschaftsstaende zu finden, so ist das Land heuer mit fuenf Pavillons praesent.

Unter der Federfuehrung des "Israel Export Institute" mit Sitz in Tel Aviv werden auf den Gemeinschaftsstaenden 32 Companies Produkte aus den Bereichen Software (zwei Pavillons) sowie Hardware, Telekommunikation und Networking, die mit jeweils einem Stand vertreten sind, zeigen. Darueber hinaus engagieren sich noch rund 40 Unternehmen mit eigenen Staenden.