NMS-Entwicklung hinkt hinter Kommunikationsstandards her

ISO konzentriert sich auf Arbeit am Netz-Management

04.05.1990

Christian Sauer ist Account Manager OEMs bei der BICC Data Networks GmbH, Planegg / Martinsried.

Zur Steigerung ihrer Effizienz und ihrer Wettbewerbsfähigkeit installieren immer mehr Unternehmen Netzwerke. Damit deren Möglichkeiten voll ausgeschöpft werden können, muß das Netzwerk gemanaget werden: Einen Überblick über die Standardisierung beim Netzwerk Management für heterogene Systeme gibt Christian Sauer in diesem Artikel.

Aufgrund von herstellerspezifischen Protokollen und Systemeigenschaften war ein kohärentes, netzweites Management nur bei der Verwendung von Netzkomponenten eines einzelnen Herstellers sichergestellt. Mit der Entwicklung von offenen Standards konnte dieser Problematik begegnet werden. Netzwerk-Management-Standards liegen in ihrer Entwicklung jedoch weit hinter der von Kommunikationsstandards zurück, was hauptsächlich durch die Komplexität des Netzwerk-Managements bedingt ist. Doch zwischenzeitlich sind erhebliche Fortschritte zu verzeichnen.

"Manager" und "Agent" als Basiskomponenten

Alle Komitees bauen bei der Standardisierung auf ähnlichen Lösungsansätzen zur Definition der Netzwerk-Management-Architektur auf. Die beiden Basiskomponenten sind "Manager" und "Agent". Der Manager wird als der "verwaltende Prozeß" definiert und befindet sich im allgemeinen auf einer zentralen Management-Konsole. Der Agent wird als der "verwaltete Prozeß" meist als Software-Komponente in die Kommunikationseinheiten eingebaut.

Über die Definition der beiden Basiskomponenten hinaus beschäftigt sich die Standardisierung mit zwei weiteren Punkten: dem Netzwerk-Management-Protokoll und den Daten, die über das Protokoll verwaltet werden können. Letzteres wird als Management Information Base (MIB) bezeichnet.

Standards sollen alle sieben Schichten abdecken

Über das Protokoll kommuniziert der Manager mit dem Agent. Dieses Protokoll arbeitet auf Applikationsebene und wird durch die ASN.1-Syntax definiert. Es enthält eine Reihe von Basisfunktionen, beispielsweise zum Lesen und Schreiben von Parameterwerten.

Bereits seit einiger Zeit arbeitet die ISO (International Standards Organisation) an Service- und Protokollaspekten der verschiedenen Protokollebenen. Seit kurzem legt sie den Schwerpunkt auf das Management dieser Protokollebenen selbst und versucht Standards aufzustellen, die alle sieben Schichten des ISO-Referenzmodells abdecken.

Das bisher wichtigste Dokument der ISO ist das OSI-Management-Framework, ein Zusatz zum Basis-Referenzmodell über die Management-Architektur offener Systeme.

Weitere Entwicklungen der ISO sind das Common Management Information Protocol (CMIP), ein sehr komplexes Netzwerk-Management-Protokoll, und der dazugehörige Service CMIS. CMIP bietet umfassende Einrichtungen zum Management von Kommunikationssystemen, die weit über die einfachen Parameter "Lesen" und "Schreiben" hinausgehen. Es ist jedoch noch nicht geklärt, ob CMIP überhaupt das richtige Protokoll ist, um auch bis hinunter auf Modem- und Repeater-Ebene effektives Netzwerk-Management zu ermöglichen.

Da Empfehlungen wie das Government OSI Profile (GOSIP) CMIP als obligatorisches Netzwerk-Management-Protokoll spezifizieren, wird es wohl unweigerlich das etablierte Verwaltungsprotokoll der 90er Jahre werden.

Starken Einfluß auf diese Entwicklung haben auch Gremien wie das OSI Network Management Forum. Dieses von AT&T und British Telecom gegründete Gremium hat CMIP als Standard-Netzwerk-Management Protokoll übernommen.

Offen bleibt noch die Definition der in einer Kommunikationsumgebung gemanagten Objekte. Bis heute konnte die ISO zwar Struktur und Leistungsmerkmale der Objekte definieren (zum Beispiel die Charakteristika eines statistischen Zählers), jedoch nicht die Objekte selbst. Mit der Arbeit an Netzwerk- und Transportebenen wurde begonnen, definitive Ergebnisse liegen allerdings noch nicht vor.

Das ISO-Netzwerk-Management ist also prädestiniert, die Architektur der 90er Jahre zu werden. Es wird jedoch noch geraume Zeit dauern, bis dieser Standard komplettiert und etabliert ist. Bis dahin werden andere Architekturen vorherrschen.

Während die ISO an Management-Standards für alle sieben Schichten des Referenzmodells arbeitet, beschäftigt sich das IEEE (Institute of Electronic and Electrical Engineers) mit Management-Standards für lokale Netzwerke. Durch die Beschränkung auf diesen Teilbereich konnte das IEEE bereits Standards für das LAN-Management im Entwurfsstadium vorlegen.

Bisher definierte das IEEE ein Netzwerk-Management-Protokoll (IEEE 802.1) und beschäftigte sich intensiv mit der Definition von Objekten, die in lokalen Netzwerken gemanagt werden können. Darüber hinaus hat das IEEE vor kurzem einen Standard fertiggestellt, der das Management von LAN-Bridges definiert, und konnte beachtliche Fortschritte bei der Standardisierung von LAN-Hubs erzielen. Dem IEEE-Management-Standard entsprechende Produkte sind bereits auf dem Markt.

Alle Management-Standards für LANs sind hinreichend flexibel und leistungsfähig, um komplexe Objekte in Komponenten wie beispielsweise LAN-Bridges zu managen. Die Basis-Parameter "Lesen" und "Schreiben" wurden erweitert um Parameter wie Lesen und Schreiben von kompletten Tabellen und Verfolgen von Testpaketen in Netzwerk-Management-Protokoll relativ übersichtlich.

Ans IEEE 802.3 wurde ISO IS 8802/3

In der Zukunft wird wohl ein Großteil der Arbeitsergebnisse des IEEE in die ISO-Netzwerk-Management-Standards einfließen. Es wurden bereits einige der IEEE-Protokoll-Standards in ISO-Standards umbenannt (z.B. IEEE 802.3 in ISO IS 8802/3), und es ist wahrscheinlich, daß die Management-Sektionen in Kürze folgen werden.

Auf TCP/IP basierende Produkte sind seit einigen Jahren auf dem Markt. Bis vor kurzem war das Management dieser Produkte herstellerspezifisch. Das Internet Activities Board (IAB) entwickelte zwischenzeitlich einen Management Standard für Netzwerke unter TCP/IP: das SNMP (Simple Network Management Protocol). Dieser Standard wurde bewußt einfach gehalten, um eine rasche Lauffähigkeit der zahlreichen TCP/IP-Installationen unter SNMP zu ermöglichen.

SNMP umfaßt das Netzwerk-Management-Protokoll an sich sowie einen Satz von Objekten, die für das Management der TCP/IP Protokollebenen relevant sind. Diese Objekte sind hauptsächlich statistische Zähler und in geringem Umfang auch TCP/IP-spezifische Tabellen.

SNMP ist bereits ein stabiler, bei Internet-Anwendern weitverbreiteter Standard; entsprechende Produkte sind auf dem Markt. Bis zu einem gewissen Grad hat SNMP damit seine Aufgabe erfüllt - ein einfaches standardmäßiges Management von TCP/IP-basierenden Produkten zu ermöglichen. Für diese Art von Anwendung ist es die bevorzugte Lösung.

Hierzu ein warnender Hinweis: SNMP ist auf das Management von TCP/IP basierenden Produkten ausgerichtet. Produkte, die außerhalb dieser Anwendung angeboten werden (z.B. für das Management von LAN-Bridges oder Hubs) sind meist herstellerspezifisch und für Anwendungen in Verbindung mit dem SNMP-Protokoll definiert. Sie lassen kaum Möglichkeiten für ein Multi-Vendor-/Standard-Management offen.

Ein weiterer Netzwerk-Management-Standard ist CMOT (CMIP über TCP/IP). CMOT ermöglicht TCP/IP-Anwendern den Sprung von SNMP zum ISO-Netzwerk Management da es für TCP/IP definierte Objekte unter dem ISO-Protokoll CMIP verwendet.

Zur Zeit gibt es noch wenige Produkte, die CMOT unterstützen. Es wird sich zeigen, ob CMOT in der Zukunft eine größere Akzeptanz findet oder ob Anwender lieber gleich auf CMIP zurückgreifen. Derzeit scheint eher letzteres wahrscheinlich.

Fazit: Bis zur Verabschiedung von internationalen Netzwerk-Management-Standards und deren weltweiten Akzeptanz wird es weiterhin Ad-hoc-Lösungen für die Netzverwaltung geben, genauso wie auch Anwender weiterhin ihre Produkte von einem bestimmten Hersteller beziehen müssen.

Der dominierende Standard wird das ISO-Netzwerk-Management sein. Vorher jedoch werden Standards wie IEEE 802.1 und SNMP etabliert sein und Multi-Vendor-Lösungen für die derzeitige Netzwerk-Problematik bieten, während sie einen Upgrade-Pfad zum ISO-Netzwerkmanagement offenlassen.