ISDN möbelt im Büro bewährte Fernmeldedienste auf

08.11.1985

Mit oder ohne ISDN werden einmal bewährte Fernmeldedienste im Rahmen der Bürokommunikationsplanung kein Mauerblümchendasein fristen. Für den Einsatz von Telefax beispielsweise sprechen aus der Sicht von Franz-Walter Wiest, Organisationsleiter bei Adidas, gegenwärtig sinkende Gerätepreise und ein reduziertes Gebührenaufkommen bei den Telekopierern der Gruppe 3. Ebenso wie Bifoa-Geschäftsführer Klaus Höring, räumt er aber auch dem Medium Btx aufgrund "seines synergetischen Effekts" im Außendienst gute Chancen ein. Mit Blick über den großen Teich, wo es derzeit einen Telebox-Boom gibt, sagt Höring darüber hinaus übrigens dem EMS-Dienst "Electronic Mail" eine rosige Zukunft voraus. BBW-Geschäftsführer Helmut Schmalfuß schließlich weist in Zusammenhang mit der Netzwerktechnologie von morgen darauf hin, daß durch die hohe Übertragungsrate von ISDN das Image der bereits eingeführten Dienste aufpoliert wird und damit ihre Verwendung auch im Büro der Zukunft an Attraktivität gewinnt.

Franz-Walter Wiest

Leiter Organisation Adidas Sportschuhfabriken

Adi Dassler Stiftung & Co. KG, Herzogenaurach

Die Fernmelde-Infrastruktur der Bundespost ist bei bürokommunikativen Planungen eine volkswirtschaftliche Rahmenbedingung, das heißt eine durch einzelne Unternehmen nicht veränderbare Determinante. Vor dem Hintergrund des Zusammenwachsens von Kommunikations- und Datentechnik sowie dem zunehmend flächendeckenden internationalen Angebot von privaten Dienstleistern beziehungsweise Netzen ist die determinierende Wirkung jedoch zu relativieren. Dabei muß aufgrund unterschiedlicher Zielsetzungen zwischen nationaler und internationaler Kommunikation differenziert werden.

Die quantitativ bedeutsamsten Inhalte der Bürokommunikation sind Auftragsinformationen im weitesten Sinne. In der Konsumgüterindustrie tätige Unternehmen müssen diese Informationen oftmals mit mehreren tausend inländischen Einzelhändlern oder Verkaufspunkten austauschen. Zur Bewältigung dieser Problemstellung ist ein kurzfristiger Btx-Boom für geschlossene Benutzergruppen absehbar. Gründe dafür sind der unmittelbare Informationsrückfluß an die Händler, die im Bereich Datenerfassung voraussehbaren Einsparungen sowie die aus Zeitvorteilen und der Möglichkeit der Außendienstanbindung resultierenden synergetischen Effekte. Ob die notwendigen Btx-Investitionen längerfristig Früchte tragen, hängt im wesentlichen davon ab, wie schnell Mikrocomputer vom Fachhandel angenommen werden. Legt man amerikanische Einschätzungen zugrunde - sie gehen davon aus, daß 1995 fünfundneunzig Prozent der Haushalte mit PCs ausgerüstet sind -, ist eine hohe Diffusion im kommerziellen Bereich in naher Zukunft zu erwarten. Daraus folgt die nahezu vollständige Digitalisierung aller Kommunikationsinhalte. Berücksichtigt man zudem die weitere Geräteentwicklung, beispielsweise werden Telefaxgeräte künftig auch als Modem einsetzbar seine sowie die durch die Einführung des ISDN-Netzes entstehenden Möglichkeiten, wird die Gebührenstruktur künftig zur bedeutsamsten Entscheidungsgröße. Langfristig wird durch sie entschieden werden, über welchen Kanal die digitalisierte Information von an mehrere Netze anschließbaren Mikrocomputern und Kommunikationsrechnern geleitet beziehungsweise welcher Netzanschluß gewählt wird.

Wesentlich stärker erscheint der Einfluß der Postdienste auf die internationale Kommunikation. Die unterschiedliche Verfügbarkeit der Postdienste in den einzelnen Ländern Telex bildet hier immer noch die einzig rühmliche Ausnahme - zwingt international tätige Unternehmen, netzfähige Geräte für alle Kommunikationsdienste zu installieren, um den betrieblichen Erfordernissen gerecht zu werden, Für die interne Planung entsteht daraus die Forderung nach integrierten Systemen, über deren Netz das für das Empfängerland geeignete Übertragungsgerät angesprochen werden kann.

Die Übergangsphase wird durch den verstärkten Einsatz von Telefax gekennzeichnet sein. Sinkende Gerätepreise und durch den Einsatz von Gruppe-3-Telekopierern reduzierte Gebührenaufkommen werden als Hauptursachen dafür gesehen. Sollten die letzten Einfuhrsperren für Faxgeräte in südamerikanischen Ländern bald beseitigt werden, kann Telefax zum vollwertigen Ersatz für Telex werden.

Zunehmende Aufmerksamkeit muß im internationalen Kommunikationsverkehr künftig auch privaten Netzanbietern gewidmet werden. Günstige Übertragungskosten, die Möglichkeit, mit unterschiedlichen Endgeräten auf Daten zuzugreifen, und die Ankündigungen an unterschiedliche lokale Netze Daten weiterzugehen, lassen sie nicht nur im Telexbereich als echte Alternative erscheinen. Die Gebührenpolitik der Bundespost wird maßgeblich dafür verantwortlich sein, ob Postdienste künftig bis in Empfängerländer genutzt werden.

Klaus Höring

Geschäftsführer des Bifoa Betriebswirtschaftlichen Instituts für Organisation und Automation an der Universität zu Köln

Die Fernmeldedienste spielen im Rahmen der mittelfristigen Bürokommunikationsplanung eine große und zunehmende Rolle, weil wie unsere Untersuchungen in vielen Unternehmen ergeben haben - der Kommunikation im Rahmen der Büroarbeit eine wesentliche Bedeutung zukommt. Auch wenn in großen Firmen bis zu 80 Prozent der Kommunikation zwischen Internen stattfindet, so verbleibt doch für die externe Kommunikation ein nicht geringer Umfang. Bei kleinen und mittleren Unternehmungen ist der Anteil der externen Kommunikation - naturgemäß größer, weshalb sie auch ihre Geräte und Systeme stärker an den Fernmeldediensten ausrichten.

Der große Bedarf der Zukunft wird bei Diensten liegen, die zusammenfassend vielfach mit "EIectronic Mail" umschrieben werden. Darunter werden gelegentlich Dienste wie Telex, Teletex, Telefax und auch Bildschirmtext zusammengefaßt, aber im engeren Sinne sind "elektronische Mitteilungssysteme" (EMS), wie zum Beispiel Telebox gemeint. Der nordamerikanische Boom an EMS zeigt, daß derartige Dienste auf einen großen Bedarf stoßen und Akzeptanz finden.

Von vorrangiger Bedeutung wird der neue CCITT-Standard X.400 ff für "Message Handlings Systems" (MHS) sein. "Weil die meisten Mitteilungen keine allzu hohen Ansprüche an formatgetreue Übertragung; oder an die Übermittlung von Bildern stellen, sind die hohen Anforderungen, die Teletex an die Endgeräte stellt, nicht immer notwendig und wirtschaftlich zu rechtfertigen. Sicherlich ist es wünschenswert, Texte und Bilder im zukünftigen Textfax zu kombinieren.

Derartige Systeme werden ebenso wie Teletex für spezielle, "wichtige" Übertragungen verwendet werden, die auch etwas mehr kosten dürften.

Aus organisatorischer Sicht ist es wichtig, daß möglichst schnell die Zahl der Electronic-Mail-Benutzer steigt, damit eine "kritische Masse" erreicht wird. Dies kann in den nächsten drei bis fünf Jahren für EMS erwartet werden. Dabei wird eine wesentliche Hilfe sein, daß die bereits installierten Terminals über ihre Großrechner und lokale Netzwerke zusammengebunden werden und an der Kommunikation teilnehmen.

In der Bundesrepublik wird Bildschirmtext eine besondere Rolle spielen. Untersuchungen unseres Instituts zeigen, daß Bildschirmtext eine kostengünstige Alternative zur Datenfernverarbeitung und Textkommunikation via Datex-P ist. Die Bundespost bietet die Datenübertragung über Btx billiger an als zum Beispiel über den Pad in Datex-P. Insbesondere kleine und mittlere Unternehmungen, die keine eigenen Netze besitzen, aber auch Großunternehmungen werden davon profitieren. Diese Verzerrung im Tarifgefüge bereitet manchen Bürosystemplanern Kopfzerbrechen. Denn das Rechnen wird schwieriger und die Bürokommunikation über Bildschirmtext eigentlich nicht besser als über andere Fernmeldedienste. Aus diesen Gründen können Bürosystemplaner nur hoffen, daß die Deutsche- Bundespost ihre Tarife überprüft und ihr Angebot flexibler gestaltet.

Helmut Schmalfuß

Hauptgeschäftsführer beim BBW Bundesverband Bürowirtschaft, Köln

Bürokommunikation, das ist einer dieser neuen, nicht immer ganz eindeutigen Begriffe, mit denen wir uns im Computerzeitalter herumzuschlagen haben. Im Gegensatz zu den modernen "Computerismen", die für den Laien zum Teil zu Fehlschaltungen im Gehirn führen können - zu denken wäre hier beispielhaft an den "Bus" oder das "Menü" - hat der Begriff Bürokommunikation wenigstens zwei Wurzeln, deren Ursprung und Bedeutung man aus dem Fremdwörterduden entnehmen kann und die - jede für sich, aber auch zusammen - einen Sinn ergeben. Waren noch vor wenigen Jahren nur Telefone und Fernschreiber für die Bürokommunikation zuständig, so hat sich das Bild in den letzten Jahren drastisch gewandelt. Die über das Fernsprechnetz übermittelten Telefax- und Btx-Dienste sowie die Datenübermittlung mittels Modem sind hinzugekommen und das integrierte Text- und Datennetz (IDN) der Deutschen Bundespost, über das der Telex- und der Teletexdienst sowie die Datendienste Datex L, Datex P und die Direktdatenverbindungen abgewickelt werden. Mit den schon heute von der Deutschen Bundespost angebotenen Diensten, verbunden mit hochentwickelten Endgeräten bei den Anwendern der Postdienste, hat die Bürokommunikation völlig neue Dimensionen gewonnen. Kommunikation auf schriftlichem und mündlichem Wege, Zugriff auf Datenbanken, zuverlässiger Informationsaustausch mit absoluter Präzision sind zwischen Flensburg und Berchtesgaden genauso selbstverständlich und in den meisten Fällen pünktlicher und schneller als der Bürobote in einem ansonsten recht gut organisierten Mittelbetrieb.

Die Antwort auf die Frage, welche Rolle die Postdienste im Rahmen einer mittelfristigen Bürokommunikation spielen werden, kann nach unserem heutigen Verständnis wiederum mit einem - zugegebenermaßen scheußlich klingenden - Kunstwort beantwortet werden: ISDN (Integrated Services Digital Network).

Voraussetzung für dieses "ISDN" ist die Digitalisierung des Fernsprechnetzes, die ja seit einigen Jahren Zug und Zug in den Postdienst eingeführt wird. Fragen wir nach der Bedeutung des ISDN, dann lassen sich seine Vorzüge wie folgt zusammenfassen: Die neue Standardübermittlungsrate 64 KB pro Sekunde ergibt im Fernsprechbereich die bereits erwähnten Verbesserungen der Übertragungsqualität und die Beschleunigung bei der Vermittlung. Die Telexübertragung beschleunigt sich um das Achtfache. Noch spürbarer ist die Beschleunigung beim ISDN-Telefaxdienst, bei dem die Übertragung einer DlN-A4-Seite - bei wesentlich verbesserter Qualität - nur noch wenige Sekunden dauert. Wesentliche Verbesserungen und Beschleunigungen ergeben sich bei der ISDN-Dateübermittlung sowie, und die erscheint besonders wichtig, beim Btx-Dienst, bei dem die bisherige, zu geringe Übertragungsgeschwindigkeit und die unvollkommene Bildauflösung eine Verbreiterung der hervorragenden Anwendungsmöglichkeiten bis dato erheblich gehemmt haben. Als neue Dienste werden im ISDN Textfax und die ISDN-Bildübermittlung eingeführt werden, die bei der zukünftigen Bürokommunikation mehr "lnhouse-Lösungen" ermöglichen.

Entscheidend erscheint darüber hinaus, daß alle zukünftigen ISDN-Dienste über eine Leitung übertragen werden können und daß es für alle ISDN-geeigneten Endgeräte eine genormte Teilnehmerschnittstelle geben wird. Eine Entscheidung der Deutschen Bundespost, die vielen Bürotechnologieanbietern und -anwendern den Zugang zur Bürokommunikation von morgen ermöglicht.

Aus technologischer wie auch aus praktischer Sicht ist eine mittelfristige Bürokommunikationsplanung ohne ISDN nicht möglich; die Voraussetzungen für diese Dienste sind - auch für den Anwender erkennbar - zuverlässig und überzeugend geschaffen.