Die Poststrategie heißt "Sowohl als auch":

ISDN Ein Vehikel für mehr Benutzerfreundlichkeit bei Btx

26.05.1989

ISDN ist seit der letzten CeBIT-Messe in Hannover Realität. Der Flächenausbau vollzieht sich in schnellen Schritten. Die Leistungspalette des ISDN, allem voran die hohe Übertragungsgeschwindigkeit, schafft für die Telekommunikation ein neues technisches Umfeld. Dabei können die bestehenden Fernmeldedienste, insbesondere im Non-Voice-Bereich, nicht unberücksichtigt bleiben. Das gilt auch für Btx. Hier lautet die entscheidende Frage: Macht ISDN Bildschirmtext überflüssig?

Die Antwort ist kurz und einfach: Nein, aber besser. Lassen Sie mich dies begründen. Oft wird ISDN heute noch als eine allumfassende Vision gesehen, und viele machen sich nicht bewußt, was ISDN tatsächlich ist: ein außerordentlich leistungsfähiges Netzwerk - nicht mehr und nicht weniger. Schon der Name ISDN weist hierauf hin: diensteintegrierendes digitales Netz.

Btx ist dagegen kein Netz, sondern ein standardisierter Dienst, der über Fernmeldenetze abgewickelt wird. Die Anwendungsintegration, die Btx heute geschaffen hat, ist durch ein Netz alIein nicht realisierbar. Damit kann auch ISDN keine Btx-vergleichbaren Funktionen eigenständig bieten.

Bereits mit der Eröffnung des ISDN hat die Bundespost ihre Vorstellungen von dem Zusammenwirken von Btx und ISDN aufgezeigt. Sie hat ISDN als Zubringernetz eingesetzt und damit Btx zum ersten im ISDN voll verfügbaren Dienst neben dem Telefon gemacht. Heute kann jeder ISDN-Teilnehmer Zugang zu allen Btx-Anwendungen haben, vom elektronischen Telefonbuch über Electronic Banking bis zur innerbetrieblichen Ersatzteilbestellung. Dabei kommt ihm das schnelle Systemverhalten des ISDN als drastischer Zeitgewinn sowohl beim Verbindungsaufbau als auch beim Bildaufbau zugute.

Bei Registerwahl steht die Btx-Anwendung einschließlich Verbindungsaufbau und Teilnehmeridentifizierung schon nach fünf Sekunden auf dem Bildschirm, gegenüber 50 Sekunden im analogen Netz.

Erhebliche Reduzierung des Bildaufbaues im Ladegerät

Im Dialog selbst fallen die sonst oft störenden Ladezeiten für Grafiken praktisch völlig weg und der Bildaufbau kann im Endgerät auf unter eine Sekunde reduziert werden. Da wird sogar der Abruf komplexer Btx-Grafiken zum Vergnügen.

Für die Realisierung dieser Btx-ISDN-Lösung galten drei Prämissen:

1. ISDN-Zugriff auf alle vorhandenen Btx-Anwendungen

2. Optimale Integration aller ISDN-spezifischen Vorteile

3. Geringstmöglicher Aufwand im Btx-Netz

Hierzu wurde das Btx-System mit seiner Leitzentrale, seinen Btx-Vermittlungsstellen (VSt) und den externen Rechnern unverändert gelassen und lediglich der Systemzugang um eine ISDN-Anschlußtechnik erweitert.

Die Reaktionszeiten des Btx-Systems selbst bleiben beim ISDN-Zugang unverändert. Sie sind allerdings mit 0,3 Sekunden für eine Seite, die in der Btx-VSt bereits einmal abgerufen wurde, und mit zwei bis drei Sekunden beim erstmaligen Abruf aus der Leitzentrale bereits jetzt ausreichend kurz. Die Reaktionszeiten bei Verbindungen mit externen Rechnern werden durch die Arbeitsgeschwindigkeit der Rechner selbst und durch die zu übertragende Datenmenge bestimmt. Die Übertragung erfolgt im Datex-P-Netz über Anschlüsse mit 9,6 KBit/s, höhere Geschwindigkeiten sind bei Bedarf später realisierbar. Auf die spezifische Funktion der Paketvermittlung kann im Btx-Rechnerverbund allerdings nicht verzichtet werden, so daß sich hier die Frage nach einer Abwicklung über leitungsvermittelnde ISDN-Anschlüsse nicht stellt.

Der durch den ISDN-Zugang neben dem Geschwindigkeitsgewinn mögliche Zuwachs an neuen Funktionsmerkmalen ist für den Btx-Dienst relativ gering. Die Übermittlung von Hinweissignalen an einen ISDN-Anschluß erlaubt die Realisierung einer Hinweislampe auf vorliegende Mitteilungen im Endgerät. Das Leistungsmerkmal wird vom ISDN aber erst in einer späteren Phase unterstützt. Ein Anklopfen bei belegter Btx-Verbindung kann im Endgerät realisiert werden, jedoch dürfte hierfür ein Bedarf wegen des generellen Zwei-Leitungsbetriebs im ISDN nur gering sein. Die Signalisierung der Rufnummer des Anrufers erlaubt eine sichere Identifikation des benutzten Netzanschlusses und kann zum Beispiel die Sicherheit der Gebührenzuordnung erhöhen.

Realisierung des ISDN-Anschlusses im Btx-System

Das Btx-System wird an das ISDN zentralenseitig über Primärmultiplexanschlüsse (Schnittstelle S2M, 2 MBit/s, 30 Kanäle) angeschlossen. Die notwendige Hard- und Software wurde hierzu von dem Lieferanten der Btx-Systemtechnik, der IBM Deutschland, im Auftrag der Deutschen Bundespost entwickelt.

Seit Frühjahr 1989 ist der ISDN-Zugang über besondere Btx-VStn in Düsseldorf und Nürnberg zum gesamten Btx-Angebot möglich. Der ISDN-Teilnehmerverkehr wird dabei Btx-intern anfangs über ISDN-Basisanschlüsse (zweimal neun Zugänge) abgewickelt, die noch im Jahr 1989 auf Primärmultiplexanschlüsse (zweimal 270 Zugänge) umgestellt werden. Die Einrichtung von ISDN-Zugängen in allen Orten mit einer Fernsprech-Zentralvermittlungsstelle (ZVStn) (Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, Hannover, München, Nürnberg, Stuttgart) wird für 1990 angestrebt. Ein weiterer Ausbau ist ab 1992 möglich, die Geschwindigkeit wird wesentlich vom künftigen Bedarf abhängen.

Ein weites Spektrum an Zugangsgebühren

Für den Zugang zu Btx werden die normalen Fernsprechgebühren bis zum jeweiligen Einwahlpunkt berechnet. Für die Standardgeschwindigkeit von 1200/75 Bits/s sind heute die Zugänge von überall aus zum Orts-/Nahtarif erreichbar. Für die höheren Geschwindigkeiten fallen dagegen unterschiedliche Gebührenstufen an. Für 1200/1200 Bit/s gibt es Zugänge in den 39 Orten mit Btx-VStn und für 2400/2400 Bit/s Zugänge in den acht Orten der ZVStn des Fernsprechnetzes. Für die Btx-ISDN-Nutzung sind vorerst Fernsprechverbindungen nach Düsseldorf oder Nürnberg nötig; erst mit der Schaffung weiterer Zugangsorte ergeben sich hier günstigere Einwahlmöglichkeiten .

Dieses Spektrum an Zugriffsmöglichkeiten zu Btx von 1200/75 bis 64 KBit/s ist etwa mit dem Automobilmarkt vergleichbar: Der Kunde findet ein breites Angebot zwischen der Standardklasse, den Limousinen und dem ISDN-Rolls-Royce zum jeweils adäquaten Preis. Die spezifischen Gebühren des Btx-Dienstes sind dagegen unabhängig davon, welches Zugangsnetz für die Btx-Verbindung benutzt wird.

Fotoübertragung als zukünftige Nutzung

Der Basisumfang des Btx-Dienstes mit Farbpalette und fernladbaren Grafikzeichen, mit alphageometrischer Grafik, Telesoftware und virtuellem Datenterminal ist über den ISDN-Kanal optimal zu übertragen.

Die größere Übertragungsgeschwindigkeit auf der Anschlußleitung bietet sich darüber hinaus auch dafür an, größere Datenmengen im Btx-Dialog zu übertragen, zum Beispiel für den Abruf von Farbfotodarstellungen. Der Codierungsrahmen ist auch hierfür bereits im heutigen Cept-Standard enthalten, die Feinspezifikation wird derzeit erarbeitet. Die Zugriffssteuerung und die Verwaltung von erheblich größeren Datenblöcken, als sie heute im Btx-Dienst üblich sind, erfordern für einen Massenabruf völlig neue Rechnergenerationen.

Im Btx-Dienst ist die breite Unterstützung von Fotodateien daher sicher nicht vor Mitte der 90er Jahre möglich. Frühere Lösungen kann es nur für Einzelplatz- und Inhaussysteme oder bei Direktanwahl von Fotodateien über ISDN zur vollen Fernsprechgebühr geben. Dabei sollte aber nicht vergessen werden, daß bei der Fotoübertragung auch im 64-KBit/s-Kanal des ISDN die Übertragungsdauer nicht vernachlässigt werden kann. Sie wird für ein Vollbild auch bei redundanzmindernden Übertragungsverfahren noch im Bereich von mehreren Sekunden liegen.

Erste Endgerätelösung für Btx/ISDN bereits auf dem Markt

ISDN kann Btx nicht ersetzen, wohl aber durch die drastisch kürzere Übertragungszeit an der Benutzeroberfläche deutlich verbessern. Durch das Zugangskonzept der Deutschen Bundespost kann der ISDN-Teilnehmer schon heute den Btx-Dienst mit seinen vollen Funktions- und Angebotsspektrum und mit dem schnelleren Zeitverhalten nutzen. Die ersten Btx-ISDN-Endgerätelösungen wurden von Herstellern bereits vorgestellt.

Die frühzeitige Integration von Btx in das ISDN erlaubt die Verwendung von Btx-ISDN-Geräten parallel zum bestehenden Netz und sichert damit alle bisherigen Investitionen im Anwendungsbereich. Damit ist ein hoher technischer Stand erreicht, der die nächsten Jahre voll abdecken wird. Tiefgreifendere Weiterentwicklungen durch Foto- und Filmabruf liegen noch in so weiter Ferne, daß deswegen auf den Btx-Dienst heute niemand zu verzichten braucht.