Serie: DFÜ-Kosten im künftigen ISDN (Schluß)

ISDN-Anwendungspotentiale müssen identifiziert werden

28.08.1987

Ein Gebührenvergleich ISDN - Btx-Rechnerverbund und die Zusammenfassung der Ergebnisse der Cognit-Studie aber die Wirtschaftlichkeit von Datenübertragungen im ISDN schließen diese Serie ab. Ziel der Studie aus Köln ist, frühzeitig ein Instrument für mehr Planungssicherheit im Hinblick auf projektierte Dialog- (und Batch-)Anwendungen zu ermöglichen und damit einem Defizit, wie es bei der Btx-Einführung auftrat, vorzubeugen.

Geschäftliche Btx-Rechnerverbundanwendungen sind fast ausnahmslos Dialoganwendungen. Über die Vorteile einer. Btx-Nutzung im Vergleich zu anderen Wählnetzen der Deutschen Bundespost ist in der Vergangenheit ausführlich berichtet worden5); daher soll an dieser Stelle hierauf nicht näher eingegangen werden.

Folgendes Berechnungsbeispiel soll verdeutlichen, daß Dialoganwendungen in den klassischen Netzen der Deutschen Bundespost auch nach einem flächendeckenden ISDN-Ausbau aus wirtschaftlichen Gründen wahrscheinlich zunächst nicht auf eine ISDN-Basis umgestellt werden.

Es soll sich um eine Dialoganwendung (zum Beispiel Auftragsabwicklung) handeln, die insgesamt 15 Minuten dauert und einmal pro Tag durchgeführt wird (20 Arbeitstage). Die Entfernung zwischen Endgerät und Rechner beträgt mehr als 100 Kilometer.

Bezüglich der Btx-Rechner-Verbundanwendung müssen weitere Annahmen getroffen werden:

- Im Rahmen der Dialoganwendung werden insgesamt 20 Btx-Seiten mit jeweils 10 Segmenten übertragen.6)

- 10 dieser Btx-Seiten sind Dialogseiten.

Die Kosten dieser Btx-Rechner-Verbundanwendung auf der Teilnehmerseite betragen pro Monat:

- Btx-Grundgebühr: 8,-- DM/Monat

- Btx-Verkehrsgebühren (grobe Überschlagsrechnung):

20 Seiten x 10 Segmente = 200 Segmente

200 Segmente x 0,0033 DM = 0,66 DM

+ 10 Dialogseiten x 0,01 DM = 0,10 DM

_____________

= 0,76 DM/Tag

0,76 DM/Tag x 20 Tage = 15,20 DM

Inklusive der monatlichen Grundgebühr von 8,- DM für den Btx-Anschluß und 27,- DM Grundgebühr für den Fernsprechanschluß betragen die monatlichen Datenübertragungskosten im Btx-Rechnerverbund

50,20 DM.

Hinzu kommen die Telefongebühren für die Anwahl der Btx-VST:

20 Tage x 2 7) x 0,23 DM = 9,20 DM

Somit ergeben sich monatliche Gesamtkosten von

8,- DM Btx-Grundgebühr

27,- DM Grundgebühr Fernsprechanschluß

+ 15,20 DM Btx-Verkehrsgebühren

+ 9,20 DM Telefongebühren

__________

59,40 DM

Monatliche Grundgebühr für den ISDN-Basisanschluß:

74,-- DM

Monatliche Verkehrsgebühr:

Wie bereits erläutert, fällt diese Dialoganwendung als Wählverbindung in die Fernzone 3, da die Tarifentfernung zwischen den Knotenvermittlungsstellenbereichen mehr als 100 Kilometer beträgt.

Innerhalb dieser Tarifzone gilt eine Zeiteinheit von 12 Sekunden für 0,23 DM.

Die monatlichen Verkehrsgebühren werden somit wie folgt berechnet:

15 Min. =900 Sek.

900 Sek.: 12 Sek. = 75 Gebühreneinheiten

75 Gebühreneinheiten x 0,23 DM = 17,25 DM

17,25 x 20 Tage = 345,- DM/Monat

Die monatlichen Gesamtkosten eines Teilnehmers betragen incl. Grundgebühr:

74,- DM

+ 345,- DM

__________

419,- DM

Eine ISDN-Unterstützung dieser Anwendung ist somit im Vergleich zum Btx-Rechnerverbund etwa siebenmal so kostenintensiv.

Diese Gegenüberstellung zeigt deutlich, daß es nicht wirtschaftlich ist, klassische Dialoganwendungen zum Beispiel auf der Basis des Btx-Rechnerverbunds ohne Modifikation auf eine ISDN-Basis umzustellen. In diesem Zusammenhang wurden allerdings die besonderen Bedingungen des ISDN-Zugangs zu einer Btx-Vermittlungsstelle nicht berücksichtigt. Dies wird voraussichtlich zu deutlich geringeren Gesamtkosten führen. Dennoch kann auch schon die Analyse dieser Einzelaspekte die zukünftigen Nutzungsschwerpunkte des ISDN verdeutlichen.

Wir sind uns bewußt, daß die Aussagefähigkeit und damit die Übertragbarkeit solch wenig situationsspezifischer Vergleichsrechnungen auf andere Anwendungssituationen begrenzt ist.

Ein großer Vorteil für den zukünftigen ISDN-Anwender liegt in der Tatsache begründet, daß über ein Endgerät und eine Telekommunikationsschnittstelle ein integriertes ISDN-Anwendungsspektrum abgewickelt werden kann. Erst wenn solche integrierten Anwendungsstrukturen in Unternehmungen abgegrenzt und gegebenenfalls für eine ISDN-Unterstützung modifiziert worden sind, kann dem potentiellen Nutzer ein organisatorischer und wirtschaftlicher Vorteil transparent gemacht werden. Zum jetzigen Zeitpunkt liegen jedoch diesbezüglich noch keine Anwendungs- und Anwendererfahrungen vor.

Einen dominierenden Einfluß auf die Verbreitung von ISDN werden zielgruppen- und anwendungsgerechte Endgeräte ausüben. Diese können jedoch erst dann in ihrer endgültigen technischen Ausprägung spezifiziert werden, wenn genügende Erkenntnisse über Anwenderbedürnisse und auch Anwenderplanungen vorliegen. Diese Anwenderplanungen werden aber in entscheidendem Maße von wirtschaftlichen (und organisatorischen) Kriterien geprägt. Hier schließt sich der Kreis - ISDN muß für bestimmte Zielgruppen und Anwendungen im Vergleich zu alternativen Netzen wirtschaftlich sinnvoll sein. Diese Anwendungspotentiale müssen identifiziert und abgegrenzt werden; dann können Anwender- beziehungsweise Anwendungsplanungen forciert und parallel dazu geeignete Endgeräte konzipiert werden. Eindeutige Parallelen zur Verbreitung von Btx im geschäftlichen Bereich sind wieder deutlich erkennbar. Vier Aussagen können heute bereits als sicher angesehen werden:

a) ISDN wird sich mittel- bis langfristig noch in das Spektrum der klassischen Festverbindungs- und Wählnetze einfügen. Für den Anwender resultiert hieraus die erhöhte Entscheidungsproblematik, die wirtschaftlichste Form der Datenübertragung für bestimmte Anwendungen bestimmen zu müssen.

b) ISDN wird im Bereich der schnellen Stapelübertragung, insbesondere in den Orts- und Nahbereichszonen, eine starke Konkurrenz zu den Direktrufverbindungen sein. Diese Aussage bleibt jedoch nur so lange gültig, wie es die nutzungszeitabhängige Tarifierung bei HfD-Verbindungen noch nicht gibt. Dann wird für den Nutzer wieder eine ganz andere Situation entstehen, die auf die unterschiedlichen Berechnungsmodalitäten bei der Nutzungszeit (HfD) einerseits und Verbindungszeit (ISDN) andererseits zurückzuführen ist.

c) Dialoganwendungen in ISDN als Wählverbindungen werden immer unter Wirtschaftlichkeitsaspekten immer den klassischen Wählnetzen der Deutschen Bundespost gegenüberzustellen sein. Diese werden bei einer Analyse einer isolierten Einzelanwendung meistens einen deutlichen Kostenvorteil gegenüber ISDN aufweisen können. Einige Endgerätehersteller gehen bereits dazu über, ihre Btx-Endgeräte auch als ISDN-fähige Endgeräte anzubieten. Wir halten dies für eindeutig zu früh, da hier einem geschäftlichen Btx-Nutzer und potentiellen ISDN-Nutzer suggeriert wird, daß Dialoganwendungen auf Btx-Basis problemlos in eine ISDN-Anwendung überführt werden können und dies obendrein auch noch wirtschaftlich und organisatorisch sinnvoll ist.

d) ISDN wird im stark wachsenden Dialoganwendungsbereich dann wirtschaftliche Vorteile bringen, wenn zwei Voraussetzungen geschaffen werden können:

- Unterstützung eines ISDN-geeigneten, integrierten Anwendungsspektrums über ein Endgerät.

- Modifizierung bestimmter klassischer Dialoganwendungssysteme dergestalt, daß sie zum Beispiel als Stapelanwendungen (genauer: als schnelle RJE-Anwendungen) genutzt werden können. Die Benutzeroberfläche dieser Anwendungen wird sich in einem solchen Fall nicht wesentlich ändern. Hier könnten sowohl Wählverbindungen als auch Festverbindungen, die deutlich mehr als 80 Stunden pro Monat genutzt werden, aufgrund der verbindungszeitabhängigen Tarifierung eine bedeutsame Rolle spielen.

Allgemein liegt ein eindeutiges Defizit im Bereich des Anwendungswissens. Die aufgeworfenen Fragen spiegeln nur einen kleinen Teil der für Anwender sehr schwierigen Situation wider. Eine Gesamtbetrachtung der ISDN-Einführung unter Wirtschaftlichkeitsaspekten, konkret auf Anwendungssituationen bezogen und im Vergleich mit den klassischen Spezialnetzen der Deutschen Bundespost, ist dringend erforderlich.

5) Vgl. Langen, B., u.a,: Datenübertragungskosten in Wählnetzen der Deutschen Bundespost, Heidelberg 1986

6) Bei der Berechnung der Anzahl der Segmente pro Seite wurde davon ausgegangen, daß hierin alle Protokolldaten enthalten sind.

7) Aus einer 15minütigen Dialogdauer resultieren 2 Zeittakte Ó 8 Minuten.