iSCSI: Angebot trifft auf kleine Nachfrage

14.08.2006
Mit dem Netzprotokoll lassen sich kostengünstige und performante Speichernetze für Wintel-Server aufbauen. Bisher bleiben die Hersteller aber auf ihrem breiten Angebot sitzen.
Starkes Wachstum für iSCSI, aber von einer kleinen Basis aus.
Starkes Wachstum für iSCSI, aber von einer kleinen Basis aus.
Speicherprotokolle im SAN, Vorhersage für Deutschland.
Speicherprotokolle im SAN, Vorhersage für Deutschland.
Vorallem direkt verbundene Speicher (DAS) will iSCSI ablösen.
Vorallem direkt verbundene Speicher (DAS) will iSCSI ablösen.

Der Markt wächst stark, aber von einer kleinen Basis aus", klagt Malte Rademacher, EMCs Marketing-Chef für Deutschland, Osteuropa und den Nahen Osten. "Die Akzeptanz und das Bewusstsein der IT-Verantwortlichen für iSCSI sind noch nicht so ausgeprägt." EMC wird wohl nicht umhinkommen, in den kommenden Monaten Aufklärungsarbeit beim Kunden zu leisten, denn "das Produktangebot ist der Nachfrage voraus".

So funktioniert iSCSI

Das Internet Small Computer Interface (iSCSI) ist ein Protokoll für die Übertragung von blockbasierenden Daten über TCP. Dabei werden die Daten in TCI/IP-Pakete verpackt und über das IP-Netz verschickt. Die SCSI-Kommandos kommen zu einem SCSI-Router, der aus Mapping-Tabellen das Zielsystem für die Datenquelle auswählt.

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Obwohl iSCSI-Lösungen ziemlich viele Vorteile und kaum Nachteile besitzen, obwohl das Angebot an iSCSI-Produkten recht umfangreich ist und obwohl Microsoft den Aufbau von iSCSI-Speichernetzen stark fördert, ist der große Durchbruch noch nicht da und wird wohl auch noch auf sich warten lassen. Die Marktforscher der IDC beispielsweise erwarten 2005 bis 2009 für Deutschland zwar ein Wachstum des iSCSI-Marktes um jährlich 78 Prozent. Von den für 2009 prognostizierten gesamten Speichernetzumsätzen in Höhe von 842 Millionen Dollar werden aber lediglich 118 Millionen oder 14 Prozent auf iSCSI entfallen. Das ist nur unwesentlich mehr, als die Analysten den altgedienten Ficon-Netzen für Mainframes vorhersagen, die dann immerhin noch neun Prozent des Marktes auf sich vereinigen könnten. Der Löwenanteil geht auch 2009 mit knapp 650 Millionen Dollar (77 Prozent) weiter an die Lieferanten von Fibre-Channel-Equipment.

iSCSI als Add-on

Eine mögliche Erklärung für die zögerliche Umsetzung liefert Guido Klenner, Business Manager Online Storage bei Hewlett-Packard (HP): "Das normale LAN als Speichernetz zu nutzen ist nicht so einfach und auch nicht so billig. Man benötigt einen Leitungsdurchsatz von 100 Mbit/s, damit Backup und Restore vernünftig funktionieren, und NIC-Karten für die Umsetzung. Beides kostet Geld." Laut Klenner haben Mittelständler derzeit keine Ambitionen, sich ein IP-Speichernetz aufzubauen: "Wir verkaufen an kleine und mittlere Kunden noch immer viel Speicher, der direkt am Server angeschlossen ist." Bei HP fragen hauptsächlich große Unternehmen iSCSI-Lösungen nach, die im Rechenzentrum bereits über ein Fibre-Channel-Netz verfügen und dieses durch ein IP-Netz ergänzen. "Vor allem, um die Außenstellen anzubinden", beschreibt der Manager das, was schon von Beginn an als ein Haupteinsatzgebiet für iSCSI galt.

Ideal für Microsoft-Umgebungen

Manfred Buchmann, SE Manager Germany bei Network Appliance, trifft iSCSI-Lösungen vor allem in Microsoft-Umgebungen an: "Im Exchange- und SQL-Server-Umfeld entwickelt sich iSCSI gut." Das liegt zum einen daran, dass der Softwareriese diese Speichertechnik beispielsweise durch den Software-iSCSI-Initiator stark unterstützt. "Zum anderen", so Buchmann, "passen die Leistungsanforderungen im Microsoft-Umfeld zu dem, was iSCSI kann." Und das ist die Einbindung vieler Server mit vielen Verbindungen.

Auch Buchmann bekräftigt, dass viele seiner iSCSI-Kunden zusätzlich über ein FC-SAN verfügen. Aber sie nutzen das IP-Netz weniger zur Anbindung von Außenstellen als eben zur Einbindung "vieler kleiner PC-Server". Niedrigere Kosten sind der Grund dafür, denn "das wird schon teuer, wenn eine große Anzahl von Intel-Servern über Fibre Channel ins SAN kommt". Technisch sei der Aufbau des zusätzlichen IP-Netzes auch kein Problem, denn man müsse nur ein zweites Speichernetz virtuell über iSCSI anlegen. "In der Praxis machen die Anwender in den Cisco-Switches einfach ein zweites LAN auf."

Mit nur einem LAN kommt das Fraunhofer-Institut für Offene Kommunikationssysteme (Fokus) in Berlin aus, das über iSCSI Microsoft Exchange integriert. Stephan Waßerroth, Leiter Verteilte Systemtechnik des Instituts, kennt trotzdem keine Performance-Probleme. Er bezeichnet die in der Vergangenheit oft zitierten Geschwindigkeitsnachteile von iSCSI als "eine berühmte Lüge". Werden vergleichbare iSCSI- und FC-Konfigurationen getestet, dann erhalte man fast exakt die gleiche Performance. Auch die vor ein paar Jahren propagierten TCP-Offload-Engines (toes), die dem Prozessor im Server die Konvertierungsarbeit abgenommen haben, hält Waßerroth für überflüssig: "Die heutigen CPUs sind so stark, dass toes nur die Kosten in die Höhe treiben und die Verwaltung komplizieren."

Bandbreitenbetrachtung

Neueste FC-Komponenten schaffen einen Durchsatz von 4 Gbit/s, im LAN ist die Gigabit-Infrastruktur vorherrschend. Für Switch-to-Switch-Verbindungen kommen langsam 10-Gbit-Komponenten auf den Markt, die ungefähr gleich teuer zu FC-Equipment sind. Doch wer benötigt solche Bandbreiten? David Dale, Vorsitzender des IP-Storage Forums der Storage Networking Association (Snia): "4 Gbit/s werden nur von ganz wenigen Anwendern gebraucht." Er sieht für 10-Gbit-Lösungen allenfalls Bedarf bei der Zusammenführung vieler 1-Gbit-Strecken.

Auch Dale glaubt, dass iSCSI im Windows-Umfeld Karriere machen wird: "iSCSI wird im Mittelstand das erste SAN werden und die direkt am Server angeschlossenen Speicher ablösen." Seit das Protokoll jetzt auch das Booten vom SAN aus erlaubt, ergeben sich neue Möglichkeiten: "Das revolutioniert die Server-Provisionierung und das Recovery." Denn in Blade-Strukturen ist Schnelligkeit gefragt, und ein ausgefallener Server muss sofort ersetzt werden. Ist das Software-Image im SAN statt auf der lokalen Platte gespeichert, geht die Provisionierung blitzschnell. Mit FC-Lösungen war das schon lange möglich, jetzt funktioniert es auch mit iSCSI.

Die Administration von iSCSI-Netzen gilt im Vergleich zu FC-basierenden Netzen als einfach. Einmal ist in den Unternehmen das Know-how über IP-Netze und deren Verwaltung vorhanden. Zum anderen sind FC-Lösungen stark von Firmware abhängig, was bei Änderungen der Konfiguration zu Inkompatibilitäten führen kann. Der prinzipielle Unterschied liegt darin, dass die Lösungen für verschiedene Ziele entwickelt wurden: Beim Fibre Channel ging es darum, wenige Rechner mit wenigen Knoten im Netz und dafür mit geringer Verzögerungszeit (low latency) zu verbinden, und bei IP sollte jeder mit jedem kommunizieren können. Dennoch gilt, dass auch der Verwalter eines iSCSI-Speichernetzes sich mit dem Speicher-Management auskennen muss. (kk)